Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.Natur will ungern sterben/ will nicht ge- haben/
Natur will ungern ſterben/ will nicht ge- haben/
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Natur will ungern ſterben/ will nicht ge-
truckt/ nicht überwunden/ nicht unterthan
ſeyn noch williglich unterworffen/ und ge-
zaͤmet werden. Gnade aber befleiſſiget ſich
der eigenen abſterbung/ wieder ſtehet der ſin-
nigkeit/ ſie ſuchet/ daß ſie unterworffen/ ſie
begehret/ daß ſie überwunden werde/ wil ih-
re eigene freyheit nicht gebrauchen/ iſt ihr
lieb/ daß ſie unter der ruthe und zucht behal-
ten werde/ ſie begehret über niemandes zu
herrſchen/ ſondern allezeit unter Gott zu ſte-
hen und zu bleiben/ und iſt bereit allezeit um
Gottes willen ſich aller creatur demütiglich
zu unterwerffen. Natur ſchaffet ihren eig-
nen nutz/ und mercket wo ihr nutz aus einem
jeglichen dinge komme. Gnade aber nimmet
nicht wahr/ was ihr nutz und gelegen/ ſon-
dern ſie mercket vielmehr/ was vielen foͤrder-
lich/ nutz und dienlich ſey/ natur hat gern ehr
und würdigkeit/ gnade aber leget getreulich
alle ehr und würdigkeit zu GOtt. Natur
fürchtet ſchande und ſchmach/ gnade aber
freuet ſich um den nahmen Chriſti ſchmach
zu leiden. Natur hat leibliche ruhe und
mißiggang lieb/ gnade aber mag nicht müſ-
ſig ſeyn/ ſondern freuet ſich der arbeit. Na-
tur ſuchet hubſche und fürwitzige dinge zu
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