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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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auch alles darüber gern zu leyden/ willig ge-
wesen sind: was denn auff solche art ge-
schiehet komt nicht von dem menschen/ son-
dern von dem Geist der liebe. Sonderlich
gehöret auch dahin/ wo man die jenige zu
bestraffen hat/ welche uns unterworffen/
oder doch sonsten geringer als wir sind/ daß
man sich befleißige/ solches mit sanfftmuth/
als viel die sache selbs zugeben will/ zu werck
zu richten/ und also den/ welcher gesündiget
hat/ mehr zur überzeugung des gewissens
zur erkantniß und besserung der sünden zu
bringen/ als mit betrohung und strenge zur
bitterkeit und halsstarrigkeit zu bewegen:
so vielmehr/ weil gemeiniglich die geringere/
und die sich fürchten müssen/ die härtigkeit
gegen sich nicht so wol ihrem verschulden/
als weil sie verachtet seyen/ und jeder an ih-
nen gern zum ritter werden wolte/ zu schrei-
ben/ daher gar leicht/ was sie leyden oder
anhören müssen/ dem zorn und hochmuth
zuschreiben/ dadurch der zweck der besse-
rung am wenigsten erhalten wird. Daher
man sich wol zu hüten/ daß man/ was
dem nechsten nutzen solle/ nicht selbs ver-
derbe.

§. 56. Weil

auch alles darüber gern zu leyden/ willig ge-
weſen ſind: was denn auff ſolche art ge-
ſchiehet komt nicht von dem menſchen/ ſon-
dern von dem Geiſt der liebe. Sonderlich
gehoͤret auch dahin/ wo man die jenige zu
beſtraffen hat/ welche uns unterworffen/
oder doch ſonſten geringer als wir ſind/ daß
man ſich befleißige/ ſolches mit ſanfftmuth/
als viel die ſache ſelbs zugeben will/ zu werck
zu richten/ und alſo den/ welcher geſündiget
hat/ mehr zur überzeugung des gewiſſens
zur erkantniß und beſſerung der ſünden zu
bringen/ als mit betrohung und ſtrenge zur
bitterkeit und halsſtarrigkeit zu bewegen:
ſo vielmehr/ weil gemeiniglich die geringere/
und die ſich fürchten müſſen/ die haͤrtigkeit
gegen ſich nicht ſo wol ihrem verſchulden/
als weil ſie verachtet ſeyen/ und jeder an ih-
nen gern zum ritter werden wolte/ zu ſchrei-
ben/ daher gar leicht/ was ſie leyden oder
anhoͤren müſſen/ dem zorn und hochmuth
zuſchreiben/ dadurch der zweck der beſſe-
rung am wenigſten erhalten wird. Daher
man ſich wol zu hüten/ daß man/ was
dem nechſten nutzen ſolle/ nicht ſelbs ver-
derbe.

§. 56. Weil
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[166/0228] auch alles darüber gern zu leyden/ willig ge- weſen ſind: was denn auff ſolche art ge- ſchiehet komt nicht von dem menſchen/ ſon- dern von dem Geiſt der liebe. Sonderlich gehoͤret auch dahin/ wo man die jenige zu beſtraffen hat/ welche uns unterworffen/ oder doch ſonſten geringer als wir ſind/ daß man ſich befleißige/ ſolches mit ſanfftmuth/ als viel die ſache ſelbs zugeben will/ zu werck zu richten/ und alſo den/ welcher geſündiget hat/ mehr zur überzeugung des gewiſſens zur erkantniß und beſſerung der ſünden zu bringen/ als mit betrohung und ſtrenge zur bitterkeit und halsſtarrigkeit zu bewegen: ſo vielmehr/ weil gemeiniglich die geringere/ und die ſich fürchten müſſen/ die haͤrtigkeit gegen ſich nicht ſo wol ihrem verſchulden/ als weil ſie verachtet ſeyen/ und jeder an ih- nen gern zum ritter werden wolte/ zu ſchrei- ben/ daher gar leicht/ was ſie leyden oder anhoͤren müſſen/ dem zorn und hochmuth zuſchreiben/ dadurch der zweck der beſſe- rung am wenigſten erhalten wird. Daher man ſich wol zu hüten/ daß man/ was dem nechſten nutzen ſolle/ nicht ſelbs ver- derbe. §. 56. Weil

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/228>, abgerufen am 19.05.2024.