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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. VI. SECTIO VI.
sen vergebung der sünden empfangen, daß es aber ihr entgegen seye, die empfan-
gung des leibes Christi zu zugeben, ist nicht erwiesen. Die vergleichung mit andern
mitteln der seligkeit anlangende, ists wahr, daß sie alle nur ihre güter antragen, oh-
ne daß der mensch deroselben seiner seit ohne glauben theilhaftig werde, aber die ur-
sache des unterscheids ist diese, weil ihre güter bloß geistlich sind, und unmöglich an-
ders als nur mit dem glauben genommen werden können: in dem h. abendmahl a-
ber wird ein gut angeboten, das gegessen und getruncken und also mit dem mund
des leibes genommen werden kan: wo sich also dieser findet, da ist also auch das
empfangen, ob wol die frucht nicht folget, weil es an dem mund mangelt, mit deme
jene allein genossen werden können. Daher was die absolution anlanget, getraue
ich von derselben den unbußfertigen das geringste nicht zu zueignen, sondern geste-
he, es werde ihnen die absolution nur angeboten, sie aber bekommen davon nichts.
Den unterscheid unter dem wesen der absolution und dero frucht, den einige ma-
chen, und den unbußfertigen darvon jenes zumessen sollen, begreiffe ich nicht, denn
die absolution stehet allein in einem geistlichen gut, das sich also von der frucht nicht
trennen lässet, und ohnmöglich ohne glauben erlanget werden kan. Also bleibet
es bey einem blossen anerbieten ohne empfangen. Was den einwurff von der wahr-
heit der verheissung Christi anlangt, ist schon bereits der unterscheid der göttlichen
verheissungen gezeiget worden, und bleibt freylich wahr, daß GOttes wahrheit, die
auch den unbußfertigen vergebung der sünden antragen lässet, fest bleibe, weil es
nicht an ihrem anbieten, sondern der untüchtigkeit anzunehmen von der andern sei-
te manglet: aber die wahrheit der göttlichen einsetzung litte noth, wo nicht alle, die
essen und trincken, dasjenige genössen, was ihnen dargereichet wird, mit dem brod
und wein zu essen und zu trincken. Der spruch 1. Cor. 10. v. 16. bleibt bey mir einer
der haupt sprüche in diesem articul, und lasse ich mir die erklärung wolgefallen, wann
es heist: das brod ist die gemeinschaft des leibes Christi, seye es so viel als es seye
ein mittheilendes oder theilhaftig-machendes mittel des leibes Christi,

wie ich dann selbs solche erklärung gebrauche: dieses aber ist so gar nicht der nies-
sung der unwürdigen entgegen, daß es dieselbe vielmehr bestätiget. Dann ist das
brod das mittel solcher mittheilung, so bekommen diejenige alle wircklich das mit-
getheilte, die des brods geniessen. Wäre aber der glaube nöthig, nicht allein zu der
fruchtbaren, sondern insgemein zu der niessung des leibes Christi, so wäre nicht so
wol das brod als der glaube solche gemeinschaft oder mittel der mittheilung. Da-
mit wird nicht aus-sondern vielmehr eingeschlossen, daß dann eine vereinigung un-
ter beyden seyn müsse, in dem sonsten das eine durch das andere nicht mitgetheilet
werden könte: nur daß in der art der vereinigung nicht gefehlet, und weder eine
transsubstantiatio oder verwandelung, noch consubstantiatio oder wesentliche
vereinigung daraus gemachet werde, indem wir keine andere glauben, als daß

Chri-
z z z z 2

ARTIC. VI. SECTIO VI.
ſen vergebung der ſuͤnden empfangen, daß es aber ihr entgegen ſeye, die empfan-
gung des leibes Chriſti zu zugeben, iſt nicht erwieſen. Die vergleichung mit andern
mitteln der ſeligkeit anlangende, iſts wahr, daß ſie alle nur ihre guͤter antragen, oh-
ne daß der menſch deroſelben ſeiner ſeit ohne glauben theilhaftig werde, aber die ur-
ſache des unterſcheids iſt dieſe, weil ihre guͤter bloß geiſtlich ſind, und unmoͤglich an-
ders als nur mit dem glauben genommen werden koͤnnen: in dem h. abendmahl a-
ber wird ein gut angeboten, das gegeſſen und getruncken und alſo mit dem mund
des leibes genommen werden kan: wo ſich alſo dieſer findet, da iſt alſo auch das
empfangen, ob wol die frucht nicht folget, weil es an dem mund mangelt, mit deme
jene allein genoſſen werden koͤnnen. Daher was die abſolution anlanget, getraue
ich von derſelben den unbußfertigen das geringſte nicht zu zueignen, ſondern geſte-
he, es werde ihnen die abſolution nur angeboten, ſie aber bekommen davon nichts.
Den unterſcheid unter dem weſen der abſolution und dero frucht, den einige ma-
chen, und den unbußfertigen darvon jenes zumeſſen ſollen, begreiffe ich nicht, denn
die abſolution ſtehet allein in einem geiſtlichen gut, das ſich alſo von der frucht nicht
trennen laͤſſet, und ohnmoͤglich ohne glauben erlanget werden kan. Alſo bleibet
es bey einem bloſſen anerbieten ohne empfangen. Was den einwurff von der wahr-
heit der verheiſſung Chriſti anlangt, iſt ſchon bereits der unterſcheid der goͤttlichen
verheiſſungen gezeiget worden, und bleibt freylich wahr, daß GOttes wahrheit, die
auch den unbußfertigen vergebung der ſuͤnden antragen laͤſſet, feſt bleibe, weil es
nicht an ihrem anbieten, ſondern der untuͤchtigkeit anzunehmen von der andern ſei-
te manglet: aber die wahrheit der goͤttlichen einſetzung litte noth, wo nicht alle, die
eſſen und trincken, dasjenige genoͤſſen, was ihnen dargereichet wird, mit dem brod
und wein zu eſſen und zu trincken. Der ſpruch 1. Cor. 10. v. 16. bleibt bey mir einer
der haupt ſpruͤche in dieſem articul, und laſſe ich mir die erklaͤrung wolgefallen, wañ
es heiſt: das brod iſt die gemeinſchaft des leibes Chriſti, ſeye es ſo viel als es ſeye
ein mittheilendes oder theilhaftig-machendes mittel des leibes Chriſti,

wie ich dann ſelbs ſolche erklaͤrung gebrauche: dieſes aber iſt ſo gar nicht der nieſ-
ſung der unwuͤrdigen entgegen, daß es dieſelbe vielmehr beſtaͤtiget. Dann iſt das
brod das mittel ſolcher mittheilung, ſo bekommen diejenige alle wircklich das mit-
getheilte, die des brods genieſſen. Waͤre aber der glaube noͤthig, nicht allein zu der
fruchtbaren, ſondern insgemein zu der nieſſung des leibes Chriſti, ſo waͤre nicht ſo
wol das brod als der glaube ſolche gemeinſchaft oder mittel der mittheilung. Da-
mit wird nicht aus-ſondern vielmehr eingeſchloſſen, daß dann eine vereinigung un-
ter beyden ſeyn muͤſſe, in dem ſonſten das eine durch das andere nicht mitgetheilet
werden koͤnte: nur daß in der art der vereinigung nicht gefehlet, und weder eine
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[731/0743] ARTIC. VI. SECTIO VI. ſen vergebung der ſuͤnden empfangen, daß es aber ihr entgegen ſeye, die empfan- gung des leibes Chriſti zu zugeben, iſt nicht erwieſen. Die vergleichung mit andern mitteln der ſeligkeit anlangende, iſts wahr, daß ſie alle nur ihre guͤter antragen, oh- ne daß der menſch deroſelben ſeiner ſeit ohne glauben theilhaftig werde, aber die ur- ſache des unterſcheids iſt dieſe, weil ihre guͤter bloß geiſtlich ſind, und unmoͤglich an- ders als nur mit dem glauben genommen werden koͤnnen: in dem h. abendmahl a- ber wird ein gut angeboten, das gegeſſen und getruncken und alſo mit dem mund des leibes genommen werden kan: wo ſich alſo dieſer findet, da iſt alſo auch das empfangen, ob wol die frucht nicht folget, weil es an dem mund mangelt, mit deme jene allein genoſſen werden koͤnnen. Daher was die abſolution anlanget, getraue ich von derſelben den unbußfertigen das geringſte nicht zu zueignen, ſondern geſte- he, es werde ihnen die abſolution nur angeboten, ſie aber bekommen davon nichts. Den unterſcheid unter dem weſen der abſolution und dero frucht, den einige ma- chen, und den unbußfertigen darvon jenes zumeſſen ſollen, begreiffe ich nicht, denn die abſolution ſtehet allein in einem geiſtlichen gut, das ſich alſo von der frucht nicht trennen laͤſſet, und ohnmoͤglich ohne glauben erlanget werden kan. Alſo bleibet es bey einem bloſſen anerbieten ohne empfangen. Was den einwurff von der wahr- heit der verheiſſung Chriſti anlangt, iſt ſchon bereits der unterſcheid der goͤttlichen verheiſſungen gezeiget worden, und bleibt freylich wahr, daß GOttes wahrheit, die auch den unbußfertigen vergebung der ſuͤnden antragen laͤſſet, feſt bleibe, weil es nicht an ihrem anbieten, ſondern der untuͤchtigkeit anzunehmen von der andern ſei- te manglet: aber die wahrheit der goͤttlichen einſetzung litte noth, wo nicht alle, die eſſen und trincken, dasjenige genoͤſſen, was ihnen dargereichet wird, mit dem brod und wein zu eſſen und zu trincken. Der ſpruch 1. Cor. 10. v. 16. bleibt bey mir einer der haupt ſpruͤche in dieſem articul, und laſſe ich mir die erklaͤrung wolgefallen, wañ es heiſt: das brod iſt die gemeinſchaft des leibes Chriſti, ſeye es ſo viel als es ſeye ein mittheilendes oder theilhaftig-machendes mittel des leibes Chriſti, wie ich dann ſelbs ſolche erklaͤrung gebrauche: dieſes aber iſt ſo gar nicht der nieſ- ſung der unwuͤrdigen entgegen, daß es dieſelbe vielmehr beſtaͤtiget. Dann iſt das brod das mittel ſolcher mittheilung, ſo bekommen diejenige alle wircklich das mit- getheilte, die des brods genieſſen. Waͤre aber der glaube noͤthig, nicht allein zu der fruchtbaren, ſondern insgemein zu der nieſſung des leibes Chriſti, ſo waͤre nicht ſo wol das brod als der glaube ſolche gemeinſchaft oder mittel der mittheilung. Da- mit wird nicht aus-ſondern vielmehr eingeſchloſſen, daß dann eine vereinigung un- ter beyden ſeyn muͤſſe, in dem ſonſten das eine durch das andere nicht mitgetheilet werden koͤnte: nur daß in der art der vereinigung nicht gefehlet, und weder eine transſubſtantiatio oder verwandelung, noch conſubſtantiatio oder weſentliche vereinigung daraus gemachet werde, indem wir keine andere glauben, als daß Chri- z z z z 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/743>, abgerufen am 22.11.2024.