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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
man sich in allen zu versehen habe, und nicht, was itzt solche gefahr noch nicht bräch-
te, ins künfftige etwas dergleichen nach sich ziehen möchte. Solten aber die leh-
rer dieser Piemonteser sich ausdrücklich erklären/ daß sie sich der gesamten refor-
mirt
en lehre nie theilhafftig gemacht hätten, sondern allezeit allein in jenen gene-
ralibus
geblieben wären, und auch in ihrem lehr-amt nie weiter gehen, sondern
von solchen puncten, die sonsten controvertirt werden, abstrahiren wolten, und
man nicht sonsten wichtige ursachen fände, ihre aufrichtigkeit in solcher sache in
zweiffel zu ziehen, wolte ich nicht dawider seyn, daß sie unter gnugsamen revers,
daß sie auch ferner nicht etwa die unsrer lehr entgegen stehende irrthume unter sich
behaupten und einführen wolten, wol mit bekäntnüß jener general articu[l] ange-
nommen werden könten, und nicht eben nöthig wäre, das gegentheil ausdrücklich
zu verdammen. Wie ich auch, wiederum auf das communicirte consistorial-
votum
zu kommen, fast rathsamer hielte, nicht so wol von ihnen eine neue con-
fession
zu fordern, als ihnen ihre alte bezeugete Waldensische bekantnüß vorzule-
gen, daß sie sich nochmal dazu bekenneten, die nachgefolgte streitigkeiten bey ihnen
vielmehr mit stillschweigen begrabende, als daß man sie nöthigen wolte, gleichsam
parthey zu nehmen: indem in jenem fall, da sie nun unter uns sind, ohne das die
hoffnung ist, daß sie nachdem sie krafft solcher bekantnüß von uns angenommen,
immer mehr und mehr so wol selbs als sonderlich ihre kinder zu der erkantnüß
unsrer übrigen wahrheiten, zu denen sie sich itzund noch nicht stracks erkläreten,
kommen Und wie nun dieses billig mit ein zweck ist, nicht nur die liebe an nothlei-
denden durch vergönstigung eines leiblichen hospitii nach Christi regeln zu üben,
sondern auch denen, die uns ohne das näher sind, eine gelegenheit zu geben, damit
sie allgemach in unsrer kirchen schooß eingehen möchten, will die christliche klug-
heit erfordern, ihnen die sache nicht erstmals alzu schwer zu machen, oder ihnen vors
erst solche starcke speise zu geben, die sie noch nicht vertragen können, sondern sie
vielmehr mit milch in denen uns gemeinen wahrheiten zu unterhalten, bis sie zu je-
nen auch allgemach tüchtiger werden. Wie wir ohne das wissen, daß der schwachheit
vieles nachgesehen werde, so sonsten eben nicht nach der allgemeinen regel wäre.
Der HErr regiere noch ferner das gantze geschäfft durch seinen Geist u. gnade, daß
der armen leute aufnahm zu dero trost und erqvickung durch erfüllung der göttl.
verheissung Marc. 10, 29. 30. so dann zu der unsrigen aufmunterung, und also ihrer
gantzen kirchen mehrer erbauung gereiche. Er lasse auch die treue sorgfalt des
Durchl. Administratoris dahin gesegnet werden, daß derselbe sich noch über die
frucht deroselben, in wohlgerathung auch dieses wichtigen wercks zu erfreuen, auch
bey der nachwelt davon ehre habe. Wie es dem guten N. wegen P. Dez. getruck-
ter refutation ergangen, habe auch anderwärts her verstanden. Jst dennoch
gut, (wiewol mich dabey wundere) daß so viel mir wissend, Herr D. N. darüber
keinen anstoß gehabt. Herr D. Schmidt solle auch eine völlige refutation

fertig

Das ſiebende Capitel.
man ſich in allen zu verſehen habe, und nicht, was itzt ſolche gefahr noch nicht braͤch-
te, ins kuͤnfftige etwas dergleichen nach ſich ziehen moͤchte. Solten aber die leh-
rer dieſer Piemonteſer ſich ausdruͤcklich erklaͤren/ daß ſie ſich der geſamten refor-
mirt
en lehre nie theilhafftig gemacht haͤtten, ſondern allezeit allein in jenen gene-
ralibus
geblieben waͤren, und auch in ihrem lehr-amt nie weiter gehen, ſondern
von ſolchen puncten, die ſonſten controvertirt werden, abſtrahiren wolten, und
man nicht ſonſten wichtige urſachen faͤnde, ihre aufrichtigkeit in ſolcher ſache in
zweiffel zu ziehen, wolte ich nicht dawider ſeyn, daß ſie unter gnugſamen revers,
daß ſie auch ferner nicht etwa die unſrer lehr entgegen ſtehende irrthume unter ſich
behaupten und einfuͤhren wolten, wol mit bekaͤntnuͤß jener general articu[l] ange-
nommen werden koͤnten, und nicht eben noͤthig waͤre, das gegentheil ausdruͤcklich
zu verdammen. Wie ich auch, wiederum auf das communicirte conſiſtorial-
votum
zu kommen, faſt rathſamer hielte, nicht ſo wol von ihnen eine neue con-
feſſion
zu fordern, als ihnen ihre alte bezeugete Waldenſiſche bekantnuͤß vorzule-
gen, daß ſie ſich nochmal dazu bekenneten, die nachgefolgte ſtreitigkeiten bey ihnen
vielmehr mit ſtillſchweigen begrabende, als daß man ſie noͤthigen wolte, gleichſam
parthey zu nehmen: indem in jenem fall, da ſie nun unter uns ſind, ohne das die
hoffnung iſt, daß ſie nachdem ſie krafft ſolcher bekantnuͤß von uns angenommen,
immer mehr und mehr ſo wol ſelbs als ſonderlich ihre kinder zu der erkantnuͤß
unſrer uͤbrigen wahrheiten, zu denen ſie ſich itzund noch nicht ſtracks erklaͤreten,
kommen Und wie nun dieſes billig mit ein zweck iſt, nicht nur die liebe an nothlei-
denden durch vergoͤnſtigung eines leiblichen hoſpitii nach Chriſti regeln zu uͤben,
ſondern auch denen, die uns ohne das naͤher ſind, eine gelegenheit zu geben, damit
ſie allgemach in unſrer kirchen ſchooß eingehen moͤchten, will die chriſtliche klug-
heit erfordern, ihnen die ſache nicht erſtmals alzu ſchwer zu machen, oder ihnen voꝛs
erſt ſolche ſtarcke ſpeiſe zu geben, die ſie noch nicht vertragen koͤnnen, ſondern ſie
vielmehr mit milch in denen uns gemeinen wahrheiten zu unterhalten, bis ſie zu je-
nen auch allgemach tuͤchtiger weꝛdẽ. Wie wir ohne das wiſſen, daß der ſchwachheit
vieles nachgeſehen werde, ſo ſonſten eben nicht nach der allgemeinen regel waͤre.
Der HErr regiere noch ferner das gantze geſchaͤfft durch ſeinen Geiſt u. gnade, daß
der armen leute aufnahm zu dero troſt und erqvickung durch erfuͤllung der goͤttl.
verheiſſung Marc. 10, 29. 30. ſo dann zu der unſrigen aufmunterung, und alſo ihrer
gantzen kirchen mehrer erbauung gereiche. Er laſſe auch die treue ſorgfalt des
Durchl. Adminiſtratoris dahin geſegnet werden, daß derſelbe ſich noch uͤber die
frucht deroſelben, in wohlgerathung auch dieſes wichtigen wercks zu erfreuen, auch
bey der nachwelt davon ehre habe. Wie es dem guten N. wegen P. Dez. getruck-
ter refutation ergangen, habe auch anderwaͤrts her verſtanden. Jſt dennoch
gut, (wiewol mich dabey wundere) daß ſo viel mir wiſſend, Herr D. N. daruͤber
keinen anſtoß gehabt. Herr D. Schmidt ſolle auch eine voͤllige refutation

fertig
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[590/0602] Das ſiebende Capitel. man ſich in allen zu verſehen habe, und nicht, was itzt ſolche gefahr noch nicht braͤch- te, ins kuͤnfftige etwas dergleichen nach ſich ziehen moͤchte. Solten aber die leh- rer dieſer Piemonteſer ſich ausdruͤcklich erklaͤren/ daß ſie ſich der geſamten refor- mirten lehre nie theilhafftig gemacht haͤtten, ſondern allezeit allein in jenen gene- ralibus geblieben waͤren, und auch in ihrem lehr-amt nie weiter gehen, ſondern von ſolchen puncten, die ſonſten controvertirt werden, abſtrahiren wolten, und man nicht ſonſten wichtige urſachen faͤnde, ihre aufrichtigkeit in ſolcher ſache in zweiffel zu ziehen, wolte ich nicht dawider ſeyn, daß ſie unter gnugſamen revers, daß ſie auch ferner nicht etwa die unſrer lehr entgegen ſtehende irrthume unter ſich behaupten und einfuͤhren wolten, wol mit bekaͤntnuͤß jener general articul ange- nommen werden koͤnten, und nicht eben noͤthig waͤre, das gegentheil ausdruͤcklich zu verdammen. Wie ich auch, wiederum auf das communicirte conſiſtorial- votum zu kommen, faſt rathſamer hielte, nicht ſo wol von ihnen eine neue con- feſſion zu fordern, als ihnen ihre alte bezeugete Waldenſiſche bekantnuͤß vorzule- gen, daß ſie ſich nochmal dazu bekenneten, die nachgefolgte ſtreitigkeiten bey ihnen vielmehr mit ſtillſchweigen begrabende, als daß man ſie noͤthigen wolte, gleichſam parthey zu nehmen: indem in jenem fall, da ſie nun unter uns ſind, ohne das die hoffnung iſt, daß ſie nachdem ſie krafft ſolcher bekantnuͤß von uns angenommen, immer mehr und mehr ſo wol ſelbs als ſonderlich ihre kinder zu der erkantnuͤß unſrer uͤbrigen wahrheiten, zu denen ſie ſich itzund noch nicht ſtracks erklaͤreten, kommen Und wie nun dieſes billig mit ein zweck iſt, nicht nur die liebe an nothlei- denden durch vergoͤnſtigung eines leiblichen hoſpitii nach Chriſti regeln zu uͤben, ſondern auch denen, die uns ohne das naͤher ſind, eine gelegenheit zu geben, damit ſie allgemach in unſrer kirchen ſchooß eingehen moͤchten, will die chriſtliche klug- heit erfordern, ihnen die ſache nicht erſtmals alzu ſchwer zu machen, oder ihnen voꝛs erſt ſolche ſtarcke ſpeiſe zu geben, die ſie noch nicht vertragen koͤnnen, ſondern ſie vielmehr mit milch in denen uns gemeinen wahrheiten zu unterhalten, bis ſie zu je- nen auch allgemach tuͤchtiger weꝛdẽ. Wie wir ohne das wiſſen, daß der ſchwachheit vieles nachgeſehen werde, ſo ſonſten eben nicht nach der allgemeinen regel waͤre. Der HErr regiere noch ferner das gantze geſchaͤfft durch ſeinen Geiſt u. gnade, daß der armen leute aufnahm zu dero troſt und erqvickung durch erfuͤllung der goͤttl. verheiſſung Marc. 10, 29. 30. ſo dann zu der unſrigen aufmunterung, und alſo ihrer gantzen kirchen mehrer erbauung gereiche. Er laſſe auch die treue ſorgfalt des Durchl. Adminiſtratoris dahin geſegnet werden, daß derſelbe ſich noch uͤber die frucht deroſelben, in wohlgerathung auch dieſes wichtigen wercks zu erfreuen, auch bey der nachwelt davon ehre habe. Wie es dem guten N. wegen P. Dez. getruck- ter refutation ergangen, habe auch anderwaͤrts her verſtanden. Jſt dennoch gut, (wiewol mich dabey wundere) daß ſo viel mir wiſſend, Herr D. N. daruͤber keinen anſtoß gehabt. Herr D. Schmidt ſolle auch eine voͤllige refutation fertig

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/602>, abgerufen am 22.11.2024.