Am lieben sontage suche sonderlich die zeit, so viel dir dessen werden mag, zum geistlichen anzuwenden, und thue dich jemehr und mehr ab von der gemeinen ge- wohnheit, da man den sontag ansiehet vor den tag der lust und frölichkeit; suche du aber lieber deine lust in GOtt und in dem geistlichen, als versichert, daß dieselbe die vergnüglichste seye: was du also ohne den öffentlichen Gottesdienst vor zeit erlan- gen kanst, so wende sie an zu dem geistlichen, beten, lesen, singen und nachdencken, was dir GOtt die vorige woche gutes gethan, oder vor bösem bewahret hat, daß du ihm danckest vor alle solche wohlthat, ihn um vergebung bittest, wo du gesündiget hast, und dir auf die nächste woche einen hertzlichen vorsatz in GOTT nimmest. Wo du dich also den sontag zu heiligen befleissest, so wirstu allezeit eine recht gesegne- te woche bekommen, und in deinem christenthum zunehmen, daß dichs ewig nicht reuen solte. Gedencke aber ferner, daß die gottseligkeit nicht nur bestehe in lesen, hören, oder beten, sondern auch in der übung selbst. Ach mein kind, gewehne dich bald daran, daß, wann du morgends aufstehest, du bey deinem gebet dir gleich vornimmest, du wollest dich den tag treulich vor allen sünden hüten, hingegen alles, was du den tag thun werdest, GOtt zu gefallen thun, weil es dein lieber himmlischer vater also haben wolle, und dich in den stand, worin du stehest, gesetzethabe: da- mit du lernest aus deinem gantzen leben einen rechten Gottesdienst machen, wann du nemlich alles deswegen thust, daß du GOtt darin zu dienen begehrest, und dich über nichts mehr freuest, als wo du abends nachdenckest, was du gethan, und fin- dest, daß du was gutes gethan habest, hingegen über nichts mehr betrübest, als wann du gewahr wirst, etwas gutes versäumet, oder böses gethan zu haben.
Dencke immer, alle zeit in der welt sey verlohren, da man sich GOtt nicht vor augen stellet, und was ihm zu gefallen thut. Damit aber also immerfort ihm treulich dienen mögest, so lasse dir auch dieses unaufhörlich vor augen stehen, daß, wo du bist, GOtt bey dir und also zugegen sey, daß er alles sehe und höre, was du gedenckest, redest oder thust. Wo du fleißig hieran gedenckest, wird dichs von vielem bösen abziehen, und zu dem guten eifriger machen, ja ein grund seyn alles übrigen guten, was du thust. Nächst GOtt hastu an deine Eltern zu gedencken, daß du so wol fleißig vor sie betest, und der treue dich erinnerst, die sie an dir thun, um deinem GOtt davor allezeit zu dancken, als auch daß du dich befleißigest, derer stäts gethanen vermahnung treulich nachzukommen, und dich also zu halten, daß sie keine betrübnüß oder schande von dir haben, sondern sich deiner freuen, und GOtt über dich preisen. Dieses ist die fürnehmste danckbarkeit, die du ihnen erzeigen kanst und sollest.
Nachdem dich aber nunmehr der himmlische Vater aus deiner Eltern hause zu einem andern Herrn geführet hat, so gedencke, daß du solchem deinem Herrn und Frauen alle diejenige pflicht auch schuldig seyest, wel- che du deinen Eltern schuldig bist: Du hast sie von grund deiner seelen
zu
Das ſiebende Capitel.
Am lieben ſontage ſuche ſonderlich die zeit, ſo viel dir deſſen werden mag, zum geiſtlichen anzuwenden, und thue dich jemehr und mehr ab von der gemeinen ge- wohnheit, da man den ſontag anſiehet vor den tag der luſt und froͤlichkeit; ſuche du aber lieber deine luſt in GOtt und in dem geiſtlichen, als verſichert, daß dieſelbe die vergnuͤglichſte ſeye: was du alſo ohne den oͤffentlichen Gottesdienſt vor zeit erlan- gen kanſt, ſo wende ſie an zu dem geiſtlichen, beten, leſen, ſingen und nachdencken, was dir GOtt die vorige woche gutes gethan, oder vor boͤſem bewahret hat, daß du ihm danckeſt vor alle ſolche wohlthat, ihn um vergebung bitteſt, wo du geſuͤndiget haſt, und dir auf die naͤchſte woche einen hertzlichen vorſatz in GOTT nimmeſt. Wo du dich alſo den ſontag zu heiligen befleiſſeſt, ſo wirſtu allezeit eine recht geſegne- te woche bekommen, und in deinem chriſtenthum zunehmen, daß dichs ewig nicht reuen ſolte. Gedencke aber ferner, daß die gottſeligkeit nicht nur beſtehe in leſen, hoͤren, oder beten, ſondern auch in der uͤbung ſelbſt. Ach mein kind, gewehne dich bald daran, daß, wann du morgends aufſteheſt, du bey deinem gebet dir gleich vornimmeſt, du wolleſt dich den tag treulich vor allen ſuͤnden huͤten, hingegen alles, was du den tag thun werdeſt, GOtt zu gefallen thun, weil es dein lieber himmliſcher vater alſo haben wolle, und dich in den ſtand, worin du ſteheſt, geſetzethabe: da- mit du lerneſt aus deinem gantzen leben einen rechten Gottesdienſt machen, wann du nemlich alles deswegen thuſt, daß du GOtt darin zu dienen begehreſt, und dich uͤber nichts mehr freueſt, als wo du abends nachdenckeſt, was du gethan, und fin- deſt, daß du was gutes gethan habeſt, hingegen uͤber nichts mehr betruͤbeſt, als wann du gewahr wirſt, etwas gutes verſaͤumet, oder boͤſes gethan zu haben.
Dencke immer, alle zeit in der welt ſey verlohren, da man ſich GOtt nicht vor augen ſtellet, und was ihm zu gefallen thut. Damit aber alſo immerfort ihm treulich dienen moͤgeſt, ſo laſſe dir auch dieſes unaufhoͤrlich vor augen ſtehen, daß, wo du biſt, GOtt bey dir und alſo zugegen ſey, daß er alles ſehe und hoͤre, was du gedenckeſt, redeſt oder thuſt. Wo du fleißig hieran gedenckeſt, wird dichs von vielem boͤſen abziehen, und zu dem guten eifriger machen, ja ein grund ſeyn alles uͤbrigen guten, was du thuſt. Naͤchſt GOtt haſtu an deine Eltern zu gedencken, daß du ſo wol fleißig vor ſie beteſt, und der treue dich erinnerſt, die ſie an dir thun, um deinem GOtt davor allezeit zu dancken, als auch daß du dich befleißigeſt, derer ſtaͤts gethanen vermahnung treulich nachzukommen, und dich alſo zu halten, daß ſie keine betruͤbnuͤß oder ſchande von dir haben, ſondern ſich deiner freuen, und GOtt uͤber dich preiſen. Dieſes iſt die fuͤrnehmſte danckbarkeit, die du ihnen erzeigen kanſt und ſolleſt.
Nachdem dich aber nunmehr der himmliſche Vater aus deiner Eltern hauſe zu einem andern Herrn gefuͤhret hat, ſo gedencke, daß du ſolchem deinem Herrn und Frauen alle diejenige pflicht auch ſchuldig ſeyeſt, wel- che du deinen Eltern ſchuldig biſt: Du haſt ſie von grund deiner ſeelen
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Das ſiebende Capitel.
Am lieben ſontage ſuche ſonderlich die zeit, ſo viel dir deſſen werden mag, zum
geiſtlichen anzuwenden, und thue dich jemehr und mehr ab von der gemeinen ge-
wohnheit, da man den ſontag anſiehet vor den tag der luſt und froͤlichkeit; ſuche du
aber lieber deine luſt in GOtt und in dem geiſtlichen, als verſichert, daß dieſelbe die
vergnuͤglichſte ſeye: was du alſo ohne den oͤffentlichen Gottesdienſt vor zeit erlan-
gen kanſt, ſo wende ſie an zu dem geiſtlichen, beten, leſen, ſingen und nachdencken,
was dir GOtt die vorige woche gutes gethan, oder vor boͤſem bewahret hat, daß du
ihm danckeſt vor alle ſolche wohlthat, ihn um vergebung bitteſt, wo du geſuͤndiget
haſt, und dir auf die naͤchſte woche einen hertzlichen vorſatz in GOTT nimmeſt.
Wo du dich alſo den ſontag zu heiligen befleiſſeſt, ſo wirſtu allezeit eine recht geſegne-
te woche bekommen, und in deinem chriſtenthum zunehmen, daß dichs ewig nicht
reuen ſolte. Gedencke aber ferner, daß die gottſeligkeit nicht nur beſtehe in leſen,
hoͤren, oder beten, ſondern auch in der uͤbung ſelbſt. Ach mein kind, gewehne dich
bald daran, daß, wann du morgends aufſteheſt, du bey deinem gebet dir gleich
vornimmeſt, du wolleſt dich den tag treulich vor allen ſuͤnden huͤten, hingegen alles,
was du den tag thun werdeſt, GOtt zu gefallen thun, weil es dein lieber himmliſcher
vater alſo haben wolle, und dich in den ſtand, worin du ſteheſt, geſetzethabe: da-
mit du lerneſt aus deinem gantzen leben einen rechten Gottesdienſt machen, wann
du nemlich alles deswegen thuſt, daß du GOtt darin zu dienen begehreſt, und dich
uͤber nichts mehr freueſt, als wo du abends nachdenckeſt, was du gethan, und fin-
deſt, daß du was gutes gethan habeſt, hingegen uͤber nichts mehr betruͤbeſt, als
wann du gewahr wirſt, etwas gutes verſaͤumet, oder boͤſes gethan zu haben.
Dencke immer, alle zeit in der welt ſey verlohren, da man ſich GOtt nicht
vor augen ſtellet, und was ihm zu gefallen thut. Damit aber alſo immerfort
ihm treulich dienen moͤgeſt, ſo laſſe dir auch dieſes unaufhoͤrlich vor augen ſtehen,
daß, wo du biſt, GOtt bey dir und alſo zugegen ſey, daß er alles ſehe und hoͤre, was
du gedenckeſt, redeſt oder thuſt. Wo du fleißig hieran gedenckeſt, wird dichs von
vielem boͤſen abziehen, und zu dem guten eifriger machen, ja ein grund ſeyn alles
uͤbrigen guten, was du thuſt. Naͤchſt GOtt haſtu an deine Eltern zu gedencken,
daß du ſo wol fleißig vor ſie beteſt, und der treue dich erinnerſt, die ſie an dir thun,
um deinem GOtt davor allezeit zu dancken, als auch daß du dich befleißigeſt, derer
ſtaͤts gethanen vermahnung treulich nachzukommen, und dich alſo zu halten, daß
ſie keine betruͤbnuͤß oder ſchande von dir haben, ſondern ſich deiner freuen, und GOtt
uͤber dich preiſen. Dieſes iſt die fuͤrnehmſte danckbarkeit, die du ihnen erzeigen
kanſt und ſolleſt.
Nachdem dich aber nunmehr der himmliſche Vater aus deiner
Eltern hauſe zu einem andern Herrn gefuͤhret hat, ſo gedencke, daß du ſolchem
deinem Herrn und Frauen alle diejenige pflicht auch ſchuldig ſeyeſt, wel-
che du deinen Eltern ſchuldig biſt: Du haſt ſie von grund deiner ſeelen
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/572>, abgerufen am 22.11.2024.
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