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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XXXI.
weltgesinnte hertzen in unglücklichen zeiten betreffen/ befreyt und in einen stand
gesetzet worden/ wo wir uns davor nicht mehr zu förchten ursache haben. Daß
also wahrhafftig an uns erfüllet worden/ worzu Christus nach des apostels aus-
fage gekommen/ Heb. 2/ 15. daß er diejenigen erlösete/ und in eine rechtschaffe-
ne freyheit setzte/ welche sonst aus furcht des todes/ und also jeglichen verlustes ei-
ner sache/ darinne der fleischliche mensch ein leben fuchet/ das gantze lebenlang
knechte seyn musten. Je elender nun dieser leute zustand ist/ je grösser ist die wol-
that des HERRN/ und frommer christen edle freyheit. Und was sind noch vor
mehr herrliche güter/ die unser Heyland weiter allen seinen liebhabern verspricht
und schencket/ da er neben der gerechtigkeit/ so er als seine eigene gerechtigkeit ih-
nen zurechnet/ sie immer weiter ausziehret mit früchten der gerechtigkeit/ mit hei-
ligkeit/ mit allmähliger erstattung des göttlichen ebenbildes/ in deme er durch
seinen geist täglich an ihnen arbeitet/ mit allerhand gaben seines geistes/ mit le-
bendiger erkäntnüß der dinge die man glaubet/ mit trost/ mit freudigkeit/ mit zu-
weilen sich zeigenden vorgeschmack der ewigen güter/ und also freylich in der that
weiset/ wie gut es diejenigen haben sollen und haben/ welche ihm nachfolgen.
Zu geschweigen noch ferner der künfftigen güter/ dero majestät uns auch noch zu
fassen unmüglich ist. Also ists ja wol der mühe werth/ daß wir die eitele lust die-
ser welt/ und womit dieselbe uns locken wil/ verleugnen/ die uns sonst so theurer
güter berauben würde. So lasset uns also/ mein geliebtester/ nicht nur dem gros-
sen GOTT demüthig danck sagen vor die gnade/ die er uns gethan/ und zu sol-
chen theuren gütern beruffen hat/ welches ja eine unaussprechliche wolthat ist/ son-
dern auch unserm Heyland getreu werden in dem/ was er uns gegeben. Ach lasset
uns fortfahren in dem lauff/ darin wir eingetreten/ und nicht mit des Loths weib wie-
der zurück sehen. Lasset uns noch ferner ablegen die sünde/ die uns immer anklebet/
und träge macht/ und lasset uns lauffen durch gedult in dem kampf/ der uns verord-
net ist/ und aufsehen auf JEsum den anfänger und vollender des glaubens/welcher
da er wol hätte mögen freude haben/ erdultet er das creutz/ und achtet der schande
nicht/ und ist gesessen zur rechten auf dem stuhl GOttes. Lasset uns auch in unserem
muth nicht matt werden noch ablassen/ auch nicht unser vertrauen wegwerffen/ wel-
ches eine grosse belohnung hat. Sonderlich aber lasset uns desto mehr fleiß thun/ un-
seren beruff und erwehlung fest zu machen. Auf daß wo wir solches thun/ wir nicht
mögen straucheln/ und also uns reichlich dargereichet werde der eingang zum ewigen
reich unseres HErrn und Heylandes JEsu Christi. Hierzu wird gehören/ daß
wir fleißig auch vor einander und mit einander kämpffen mit beten und flehen zu dem
liebreichen Vater/ welcher uns mit seinem geist regieren/ vollbereiten/ kräfftigen/
stärcken/ gründen wolle zu seinem preiß. Jst es GOTTES heiliger wille/ daß

wir
s s s 2

ARTIC. IV. SECTIO XXXI.
weltgeſinnte hertzen in ungluͤcklichen zeiten betreffen/ befreyt und in einen ſtand
geſetzet worden/ wo wir uns davor nicht mehr zu foͤrchten urſache haben. Daß
alſo wahrhafftig an uns erfuͤllet worden/ worzu Chriſtus nach des apoſtels aus-
fage gekommen/ Heb. 2/ 15. daß er diejenigen erloͤſete/ und in eine rechtſchaffe-
ne freyheit ſetzte/ welche ſonſt aus furcht des todes/ und alſo jeglichen verluſtes ei-
ner ſache/ darinne der fleiſchliche menſch ein leben fuchet/ das gantze lebenlang
knechte ſeyn muſten. Je elender nun dieſer leute zuſtand iſt/ je groͤſſer iſt die wol-
that des HERRN/ und frommer chriſten edle freyheit. Und was ſind noch vor
mehr herrliche guͤter/ die unſer Heyland weiter allen ſeinen liebhabern verſpricht
und ſchencket/ da er neben der gerechtigkeit/ ſo er als ſeine eigene gerechtigkeit ih-
nen zurechnet/ ſie immer weiter ausziehret mit fruͤchten der gerechtigkeit/ mit hei-
ligkeit/ mit allmaͤhliger erſtattung des goͤttlichen ebenbildes/ in deme er durch
ſeinen geiſt taͤglich an ihnen arbeitet/ mit allerhand gaben ſeines geiſtes/ mit le-
bendiger erkaͤntnuͤß der dinge die man glaubet/ mit troſt/ mit freudigkeit/ mit zu-
weilen ſich zeigenden vorgeſchmack der ewigen guͤter/ und alſo freylich in der that
weiſet/ wie gut es diejenigen haben ſollen und haben/ welche ihm nachfolgen.
Zu geſchweigen noch ferner der kuͤnfftigen guͤter/ dero majeſtaͤt uns auch noch zu
faſſen unmuͤglich iſt. Alſo iſts ja wol der muͤhe werth/ daß wir die eitele luſt die-
ſer welt/ und womit dieſelbe uns locken wil/ verleugnen/ die uns ſonſt ſo theurer
guͤter berauben wuͤrde. So laſſet uns alſo/ mein geliebteſter/ nicht nur dem groſ-
ſen GOTT demuͤthig danck ſagen vor die gnade/ die er uns gethan/ und zu ſol-
chen theuren guͤtern beruffen hat/ welches ja eine unausſprechliche wolthat iſt/ ſon-
dern auch unſerm Heyland getreu werden in dem/ was er uns gegeben. Ach laſſet
uns fortfahren in dem lauff/ darin wir eingetreten/ und nicht mit des Loths weib wie-
der zuruͤck ſehen. Laſſet uns noch ferner ablegen die ſuͤnde/ die uns immer anklebet/
und traͤge macht/ und laſſet uns lauffen durch gedult in dem kampf/ der uns verord-
net iſt/ und aufſehen auf JEſum den anfaͤnger und vollender des glaubens/welcher
da er wol haͤtte moͤgen freude haben/ erdultet er das creutz/ und achtet der ſchande
nicht/ und iſt geſeſſen zur rechten auf dem ſtuhl GOttes. Laſſet uns auch in unſerem
muth nicht matt werden noch ablaſſen/ auch nicht unſer vertrauen wegwerffen/ wel-
ches eine groſſe belohnung hat. Sonderlich aber laſſet uns deſto mehr fleiß thun/ un-
ſeren beruff und erwehlung feſt zu machen. Auf daß wo wir ſolches thun/ wir nicht
moͤgen ſtraucheln/ und alſo uns reichlich dargereichet werde der eingang zum ewigen
reich unſeres HErrn und Heylandes JEſu Chriſti. Hierzu wird gehoͤren/ daß
wir fleißig auch vor einander und mit einander kaͤmpffen mit beten und flehen zu dem
liebreichen Vater/ welcher uns mit ſeinem geiſt regieren/ vollbereiten/ kraͤfftigen/
ſtaͤrcken/ gruͤnden wolle zu ſeinem preiß. Jſt es GOTTES heiliger wille/ daß

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[507/0519] ARTIC. IV. SECTIO XXXI. weltgeſinnte hertzen in ungluͤcklichen zeiten betreffen/ befreyt und in einen ſtand geſetzet worden/ wo wir uns davor nicht mehr zu foͤrchten urſache haben. Daß alſo wahrhafftig an uns erfuͤllet worden/ worzu Chriſtus nach des apoſtels aus- fage gekommen/ Heb. 2/ 15. daß er diejenigen erloͤſete/ und in eine rechtſchaffe- ne freyheit ſetzte/ welche ſonſt aus furcht des todes/ und alſo jeglichen verluſtes ei- ner ſache/ darinne der fleiſchliche menſch ein leben fuchet/ das gantze lebenlang knechte ſeyn muſten. Je elender nun dieſer leute zuſtand iſt/ je groͤſſer iſt die wol- that des HERRN/ und frommer chriſten edle freyheit. Und was ſind noch vor mehr herrliche guͤter/ die unſer Heyland weiter allen ſeinen liebhabern verſpricht und ſchencket/ da er neben der gerechtigkeit/ ſo er als ſeine eigene gerechtigkeit ih- nen zurechnet/ ſie immer weiter ausziehret mit fruͤchten der gerechtigkeit/ mit hei- ligkeit/ mit allmaͤhliger erſtattung des goͤttlichen ebenbildes/ in deme er durch ſeinen geiſt taͤglich an ihnen arbeitet/ mit allerhand gaben ſeines geiſtes/ mit le- bendiger erkaͤntnuͤß der dinge die man glaubet/ mit troſt/ mit freudigkeit/ mit zu- weilen ſich zeigenden vorgeſchmack der ewigen guͤter/ und alſo freylich in der that weiſet/ wie gut es diejenigen haben ſollen und haben/ welche ihm nachfolgen. Zu geſchweigen noch ferner der kuͤnfftigen guͤter/ dero majeſtaͤt uns auch noch zu faſſen unmuͤglich iſt. Alſo iſts ja wol der muͤhe werth/ daß wir die eitele luſt die- ſer welt/ und womit dieſelbe uns locken wil/ verleugnen/ die uns ſonſt ſo theurer guͤter berauben wuͤrde. So laſſet uns alſo/ mein geliebteſter/ nicht nur dem groſ- ſen GOTT demuͤthig danck ſagen vor die gnade/ die er uns gethan/ und zu ſol- chen theuren guͤtern beruffen hat/ welches ja eine unausſprechliche wolthat iſt/ ſon- dern auch unſerm Heyland getreu werden in dem/ was er uns gegeben. Ach laſſet uns fortfahren in dem lauff/ darin wir eingetreten/ und nicht mit des Loths weib wie- der zuruͤck ſehen. Laſſet uns noch ferner ablegen die ſuͤnde/ die uns immer anklebet/ und traͤge macht/ und laſſet uns lauffen durch gedult in dem kampf/ der uns verord- net iſt/ und aufſehen auf JEſum den anfaͤnger und vollender des glaubens/welcher da er wol haͤtte moͤgen freude haben/ erdultet er das creutz/ und achtet der ſchande nicht/ und iſt geſeſſen zur rechten auf dem ſtuhl GOttes. Laſſet uns auch in unſerem muth nicht matt werden noch ablaſſen/ auch nicht unſer vertrauen wegwerffen/ wel- ches eine groſſe belohnung hat. Sonderlich aber laſſet uns deſto mehr fleiß thun/ un- ſeren beruff und erwehlung feſt zu machen. Auf daß wo wir ſolches thun/ wir nicht moͤgen ſtraucheln/ und alſo uns reichlich dargereichet werde der eingang zum ewigen reich unſeres HErrn und Heylandes JEſu Chriſti. Hierzu wird gehoͤren/ daß wir fleißig auch vor einander und mit einander kaͤmpffen mit beten und flehen zu dem liebreichen Vater/ welcher uns mit ſeinem geiſt regieren/ vollbereiten/ kraͤfftigen/ ſtaͤrcken/ gruͤnden wolle zu ſeinem preiß. Jſt es GOTTES heiliger wille/ daß wir s s s 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/519>, abgerufen am 24.11.2024.