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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
le auch leiblichenaufenthalts ermangelen/ dadurch sie gemeiniglich in seel und leib
verderbliches betteln gerathen/ sondern wo auch noch viele durch gewisse anstal-
ten dem leib nach nothdürftig versorget/ sie dannoch an den seelen erbärmlich ver-
säumet werden/ und wie das viehe aufwachsen. Daher es auch ein heiliges
werck ist/ an derselben barmhertzigkeit zu erzeigen/ ja so viel wichtiger/ weil an
dero guten oder schlimmen erziehung ein grosses dessen liget was man von künffti-
ger zeit zu hoffen hat. Wie aber der sachen zu helffen seye/ da bedarf es rath.
Zwar wo die beyden oberstände das ihrige treulich thun/ und darinnen zusammen
setzen/ ists nicht allein kein bloß unmügliches sondern gar nicht allzuschweres werck:
aber eben solches zu wege zu bringen/ ist schwer gnug/ und wo man der zeiten be-
wandnüß erweget/ wenig hoffnung darzu. Daher was ein privat-mann dabey
zuthun vermöge/ oder wie er die sache anzustellen habe/ bedarf reiffe berathschla-
gung. Der richtigste und ordentlichste weg wäre sonsten/ was man vor krancke
bestimmet/ gleich in einige hospitäle oder dergleichen öffentliche anstalten zu legen/
damit wohin das bisherige nicht reichet/ ersetzet würde. Wann ich aber beden-
cke/ so viele klagen mein lebtage über solche anstalten meister orten gehöret zu ha-
ben/ daß nemlich nicht mit aller Christlichen sorgfalt/ treue und klugheit/ wie sichs
geziemet/ alles verwaltet/ sondern wo nicht manches in privat-nutzen verwandt/
doch sonsten die nöthige liebe und erbarmen offt hindangesetzet/ und wol zu wei-
len an statt der krancken verpflegung/ capitalia zu vermehren fleiß angewendet
werde: so machte mich solches selbs furchtsam/ was ich vor arme bestimmete/
dahin zu legen. Das meiste wird also daran ligen/ wo eines orts ein gottseliges
und mit wahrer liebe erfülletes Ministerium/ oder doch etliche also gesinnete des-
sen glieder/ sich befinden. Jndem wo solches vorhanden/ sich vor alles übrige
leicht rath finden möchte: manglets aber da/ so wüste ferner keinen gnugsamen
rath. Jn jenem fall riethe/ das capital erst sicher anzulegen/ entweder an ein li-
gendes gut/ oder an einen auch wol [darmit die einheimische nicht leicht hand
drein schlagen können] fremden versicherden ort/ ob auch die zinsen üm mehrer ge-
wißheit willen unter das ordentlich gesetzte etwas geringer bedungen würden; als-
denn möchte die verwaltung einem Christlichen treugesinnten prediger und noch
andern gottseligen mann weltlichen standes/ die der stifter zeitlebens allemal zu
ernennen und nach befinden zu ändern hätte/ auf dem fall aber seines abbleibens ei-
ne gewisse verordnung/ wie es nach demselben darmit gehalten werden könte/ zu ma-
chen hätte/ aufgetragen werden. So könte nun der dritte oder vierte theil der
jährlichen einkünffte angewandt werden/ zu verpflegung und cur solcher armen
krancken/ welche von anderer liebreicher hülffe entblösset stehen/ als viel es reichen
möchte. Der rest aber möchte angewendet werden grösten theils an einen Gott-
seligen Studiosum Theologiae/ der selbsten des wahren Christenthums wol er-

fahren/

Das ſiebende Capitel.
le auch leiblichenaufenthalts ermangelen/ dadurch ſie gemeiniglich in ſeel und leib
verderbliches betteln gerathen/ ſondern wo auch noch viele durch gewiſſe anſtal-
ten dem leib nach nothduͤrftig verſorget/ ſie dannoch an den ſeelen erbaͤrmlich ver-
ſaͤumet werden/ und wie das viehe aufwachſen. Daher es auch ein heiliges
werck iſt/ an derſelben barmhertzigkeit zu erzeigen/ ja ſo viel wichtiger/ weil an
dero guten oder ſchlimmen erziehung ein groſſes deſſen liget was man von kuͤnffti-
ger zeit zu hoffen hat. Wie aber der ſachen zu helffen ſeye/ da bedarf es rath.
Zwar wo die beyden oberſtaͤnde das ihrige treulich thun/ und darinnen zuſammen
ſetzen/ iſts nicht allein kein bloß unmuͤgliches ſondern gar nicht allzuſchweres werck:
aber eben ſolches zu wege zu bringen/ iſt ſchwer gnug/ und wo man der zeiten be-
wandnuͤß erweget/ wenig hoffnung darzu. Daher was ein privat-mann dabey
zuthun vermoͤge/ oder wie er die ſache anzuſtellen habe/ bedarf reiffe berathſchla-
gung. Der richtigſte und ordentlichſte weg waͤre ſonſten/ was man vor krancke
beſtimmet/ gleich in einige hoſpitaͤle oder dergleichen oͤffentliche anſtalten zu legen/
damit wohin das bisherige nicht reichet/ erſetzet wuͤrde. Wann ich aber beden-
cke/ ſo viele klagen mein lebtage uͤber ſolche anſtalten meiſter orten gehoͤret zu ha-
ben/ daß nemlich nicht mit aller Chriſtlichen ſorgfalt/ treue und klugheit/ wie ſichs
geziemet/ alles verwaltet/ ſondern wo nicht manches in privat-nutzen verwandt/
doch ſonſten die noͤthige liebe und erbarmen offt hindangeſetzet/ und wol zu wei-
len an ſtatt der krancken verpflegung/ capitalia zu vermehren fleiß angewendet
werde: ſo machte mich ſolches ſelbs furchtſam/ was ich vor arme beſtimmete/
dahin zu legen. Das meiſte wird alſo daran ligen/ wo eines orts ein gottſeliges
und mit wahrer liebe erfuͤlletes Miniſterium/ oder doch etliche alſo geſinnete deſ-
ſen glieder/ ſich befinden. Jndem wo ſolches vorhanden/ ſich vor alles uͤbrige
leicht rath finden moͤchte: manglets aber da/ ſo wuͤſte ferner keinen gnugſamen
rath. Jn jenem fall riethe/ das capital erſt ſicher anzulegen/ entweder an ein li-
gendes gut/ oder an einen auch wol [darmit die einheimiſche nicht leicht hand
drein ſchlagen koͤnnen] fremden verſicherden ort/ ob auch die zinſen uͤm mehrer ge-
wißheit willen unter das ordentlich geſetzte etwas geringer bedungen wuͤrden; als-
denn moͤchte die verwaltung einem Chriſtlichen treugeſinnten prediger und noch
andern gottſeligen mann weltlichen ſtandes/ die der ſtifter zeitlebens allemal zu
ernennen und nach befinden zu aͤndern haͤtte/ auf dem fall aber ſeines abbleibens ei-
ne gewiſſe verordnung/ wie es nach demſelben darmit gehalten werden koͤnte/ zu ma-
chen haͤtte/ aufgetragen werden. So koͤnte nun der dritte oder vierte theil der
jaͤhrlichen einkuͤnffte angewandt werden/ zu verpflegung und cur ſolcher armen
krancken/ welche von anderer liebreicher huͤlffe entbloͤſſet ſtehen/ als viel es reichen
moͤchte. Der reſt aber moͤchte angewendet werden groͤſten theils an einen Gott-
ſeligen Studioſum Theologiæ/ der ſelbſten des wahren Chriſtenthums wol er-

fahren/
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[408/0420] Das ſiebende Capitel. le auch leiblichenaufenthalts ermangelen/ dadurch ſie gemeiniglich in ſeel und leib verderbliches betteln gerathen/ ſondern wo auch noch viele durch gewiſſe anſtal- ten dem leib nach nothduͤrftig verſorget/ ſie dannoch an den ſeelen erbaͤrmlich ver- ſaͤumet werden/ und wie das viehe aufwachſen. Daher es auch ein heiliges werck iſt/ an derſelben barmhertzigkeit zu erzeigen/ ja ſo viel wichtiger/ weil an dero guten oder ſchlimmen erziehung ein groſſes deſſen liget was man von kuͤnffti- ger zeit zu hoffen hat. Wie aber der ſachen zu helffen ſeye/ da bedarf es rath. Zwar wo die beyden oberſtaͤnde das ihrige treulich thun/ und darinnen zuſammen ſetzen/ iſts nicht allein kein bloß unmuͤgliches ſondern gar nicht allzuſchweres werck: aber eben ſolches zu wege zu bringen/ iſt ſchwer gnug/ und wo man der zeiten be- wandnuͤß erweget/ wenig hoffnung darzu. Daher was ein privat-mann dabey zuthun vermoͤge/ oder wie er die ſache anzuſtellen habe/ bedarf reiffe berathſchla- gung. Der richtigſte und ordentlichſte weg waͤre ſonſten/ was man vor krancke beſtimmet/ gleich in einige hoſpitaͤle oder dergleichen oͤffentliche anſtalten zu legen/ damit wohin das bisherige nicht reichet/ erſetzet wuͤrde. Wann ich aber beden- cke/ ſo viele klagen mein lebtage uͤber ſolche anſtalten meiſter orten gehoͤret zu ha- ben/ daß nemlich nicht mit aller Chriſtlichen ſorgfalt/ treue und klugheit/ wie ſichs geziemet/ alles verwaltet/ ſondern wo nicht manches in privat-nutzen verwandt/ doch ſonſten die noͤthige liebe und erbarmen offt hindangeſetzet/ und wol zu wei- len an ſtatt der krancken verpflegung/ capitalia zu vermehren fleiß angewendet werde: ſo machte mich ſolches ſelbs furchtſam/ was ich vor arme beſtimmete/ dahin zu legen. Das meiſte wird alſo daran ligen/ wo eines orts ein gottſeliges und mit wahrer liebe erfuͤlletes Miniſterium/ oder doch etliche alſo geſinnete deſ- ſen glieder/ ſich befinden. Jndem wo ſolches vorhanden/ ſich vor alles uͤbrige leicht rath finden moͤchte: manglets aber da/ ſo wuͤſte ferner keinen gnugſamen rath. Jn jenem fall riethe/ das capital erſt ſicher anzulegen/ entweder an ein li- gendes gut/ oder an einen auch wol [darmit die einheimiſche nicht leicht hand drein ſchlagen koͤnnen] fremden verſicherden ort/ ob auch die zinſen uͤm mehrer ge- wißheit willen unter das ordentlich geſetzte etwas geringer bedungen wuͤrden; als- denn moͤchte die verwaltung einem Chriſtlichen treugeſinnten prediger und noch andern gottſeligen mann weltlichen ſtandes/ die der ſtifter zeitlebens allemal zu ernennen und nach befinden zu aͤndern haͤtte/ auf dem fall aber ſeines abbleibens ei- ne gewiſſe verordnung/ wie es nach demſelben darmit gehalten werden koͤnte/ zu ma- chen haͤtte/ aufgetragen werden. So koͤnte nun der dritte oder vierte theil der jaͤhrlichen einkuͤnffte angewandt werden/ zu verpflegung und cur ſolcher armen krancken/ welche von anderer liebreicher huͤlffe entbloͤſſet ſtehen/ als viel es reichen moͤchte. Der reſt aber moͤchte angewendet werden groͤſten theils an einen Gott- ſeligen Studioſum Theologiæ/ der ſelbſten des wahren Chriſtenthums wol er- fahren/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/420>, abgerufen am 25.11.2024.