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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
aber die in E. Wohl-Ehrw. schreiben mir angedeutete hypotheses solches
autoris belanget, so habe denselben in freundlichem vertrauen, als von dero
darum befragt, nicht zu bergen: daß ich mit demselben nicht gantz einig seyn
könte (1.) daß sensus literalis in allem vortringen solle, deucht mich nicht wol
in allem behauptet werden zu können, in dem nicht allein der locorum so vie-
le sind, die ich zweiffle, daß der autor selbs solche ad literam werde verstehen
wollen, daß aus denselben ein grosses stück des buchs bestehet, sondern auch
die art der prophezeyungen, welche in bildern bestehen, mit sich bringet, daß
die bilder allezeit etwas anders bedeuten müssen. Daher die exempel in dem
alten testament sich gantz häuffig finden werden, aus denen wir gleichwol mit
ziemlichem recht eine regel der prophetischen auslegungen machen mögen.
(2.) Daß die jenige, welche die zeit rechnungen nach der historie der alten zeit
geführet, alle geirret haben, wird schwer zu behaupten werden, vielmehr a-
ber ein fleißiger untersucher dieser weissagung dieses finden, daß der heilige
Geist die gantze historie des neuen testaments zusammen fasse, und zwar
von den letzten zeiten viel offenbahrung thue, der ersten zeiten aber nicht
weniger meldung thue, daß also alles aneinander hänge. Dahin zielen die
wort c. 1. v. 3. Die zeit ist nahe. (3.) Was des autoris meinung seye
wegen 1000. jahre des reichs CHristi, weiß ich nicht. Wo er allein dieses
davor hält, daß noch ein herrlicherer zustand der Christlichen kirchen als bis-
her gewesen, zu erwarten seye vor dem jüngsten tag, ehe Gogs und Magogs
letzter grimm vor diesem vorgehen werde; so möchte er vielleicht so viel wi-
derspruch nicht finden, bey allen denjenigen, welche aus Rom 11. die noch
künfftige bekehrung der Jüden erwarten. (4.) Daß gar nichts von dem
jüngsten tag und dem ewigen leben in diesem buch enthalten, wäre mir ein
schweres paradoxum, und so viel ich fasse, des heiligen Geistes intention
nicht gemäß, ob zwar nicht in abrede bin, daß nicht alle loca, so insgemein
von dem jüngsten tag oder gericht pflegen verstanden zu werden, davon han-
deln. Dahero E. Wohl-Ehrw. sehen, daß in hypothesibus generalibus
wir nicht accordiren, was aber die explication c. 17. antrifft, laß ich mir die
allgemeine application, wie sie mir beschrieben, nicht mißfallen. Aber die
special application kommt mir nicht nur nicht glaubwürdig vor, sondern
zweiffle nicht, daß sie den verstand des heiligen Geistes nicht erreiche. Als
wann die 7. häupter vor 7. Churfürsten ausgegeben werden: Deren 5.
gefallen. Da gleichwol mit keinem grund gesagt werden kan, von den 5.
daß sie gefallen seyen. Mäyntz ist in diesem seculo so mächtig gewesen, als
es jemal war, so mögen wir auch von Cölln sagen. Trier hat auch kei-
nen notablen abgang erlitten. Von den andern jetzo nicht zu gedencken.
Brandenburg ist zwar vor andern heut zu tage mächtig, wegen anderer

Pro-

Das ſiebende Capitel.
aber die in E. Wohl-Ehrw. ſchreiben mir angedeutete hypotheſes ſolches
autoris belanget, ſo habe denſelben in freundlichem vertrauen, als von dero
darum befragt, nicht zu bergen: daß ich mit demſelben nicht gantz einig ſeyn
koͤnte (1.) daß ſenſus literalis in allem vortringen ſolle, deucht mich nicht wol
in allem behauptet werden zu koͤnnen, in dem nicht allein der locorum ſo vie-
le ſind, die ich zweiffle, daß der autor ſelbs ſolche ad literam werde verſtehen
wollen, daß aus denſelben ein groſſes ſtuͤck des buchs beſtehet, ſondern auch
die art der prophezeyungen, welche in bildern beſtehen, mit ſich bringet, daß
die bilder allezeit etwas anders bedeuten muͤſſen. Daher die exempel in dem
alten teſtament ſich gantz haͤuffig finden werden, aus denen wir gleichwol mit
ziemlichem recht eine regel der prophetiſchen auslegungen machen moͤgen.
(2.) Daß die jenige, welche die zeit rechnungen nach der hiſtorie der alten zeit
gefuͤhret, alle geirret haben, wird ſchwer zu behaupten werden, vielmehr a-
ber ein fleißiger unterſucher dieſer weiſſagung dieſes finden, daß der heilige
Geiſt die gantze hiſtorie des neuen teſtaments zuſammen faſſe, und zwar
von den letzten zeiten viel offenbahrung thue, der erſten zeiten aber nicht
weniger meldung thue, daß alſo alles aneinander haͤnge. Dahin zielen die
wort c. 1. v. 3. Die zeit iſt nahe. (3.) Was des autoris meinung ſeye
wegen 1000. jahre des reichs CHriſti, weiß ich nicht. Wo er allein dieſes
davor haͤlt, daß noch ein herrlicherer zuſtand der Chriſtlichen kirchen als bis-
her geweſen, zu erwarten ſeye vor dem juͤngſten tag, ehe Gogs und Magogs
letzter grimm vor dieſem vorgehen werde; ſo moͤchte er vielleicht ſo viel wi-
derſpruch nicht finden, bey allen denjenigen, welche aus Rom 11. die noch
kuͤnfftige bekehrung der Juͤden erwarten. (4.) Daß gar nichts von dem
juͤngſten tag und dem ewigen leben in dieſem buch enthalten, waͤre mir ein
ſchweres paradoxum, und ſo viel ich faſſe, des heiligen Geiſtes intention
nicht gemaͤß, ob zwar nicht in abrede bin, daß nicht alle loca, ſo insgemein
von dem juͤngſten tag oder gericht pflegen verſtanden zu werden, davon han-
deln. Dahero E. Wohl-Ehrw. ſehen, daß in hypotheſibus generalibus
wir nicht accordiren, was aber die explication c. 17. antrifft, laß ich mir die
allgemeine application, wie ſie mir beſchrieben, nicht mißfallen. Aber die
ſpecial application kommt mir nicht nur nicht glaubwuͤrdig vor, ſondern
zweiffle nicht, daß ſie den verſtand des heiligen Geiſtes nicht erreiche. Als
wann die 7. haͤupter vor 7. Churfuͤrſten ausgegeben werden: Deren 5.
gefallen. Da gleichwol mit keinem grund geſagt werden kan, von den 5.
daß ſie gefallen ſeyen. Maͤyntz iſt in dieſem ſeculo ſo maͤchtig geweſen, als
es jemal war, ſo moͤgen wir auch von Coͤlln ſagen. Trier hat auch kei-
nen notablen abgang erlitten. Von den andern jetzo nicht zu gedencken.
Brandenburg iſt zwar vor andern heut zu tage maͤchtig, wegen anderer

Pro-
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[26/0038] Das ſiebende Capitel. aber die in E. Wohl-Ehrw. ſchreiben mir angedeutete hypotheſes ſolches autoris belanget, ſo habe denſelben in freundlichem vertrauen, als von dero darum befragt, nicht zu bergen: daß ich mit demſelben nicht gantz einig ſeyn koͤnte (1.) daß ſenſus literalis in allem vortringen ſolle, deucht mich nicht wol in allem behauptet werden zu koͤnnen, in dem nicht allein der locorum ſo vie- le ſind, die ich zweiffle, daß der autor ſelbs ſolche ad literam werde verſtehen wollen, daß aus denſelben ein groſſes ſtuͤck des buchs beſtehet, ſondern auch die art der prophezeyungen, welche in bildern beſtehen, mit ſich bringet, daß die bilder allezeit etwas anders bedeuten muͤſſen. Daher die exempel in dem alten teſtament ſich gantz haͤuffig finden werden, aus denen wir gleichwol mit ziemlichem recht eine regel der prophetiſchen auslegungen machen moͤgen. (2.) Daß die jenige, welche die zeit rechnungen nach der hiſtorie der alten zeit gefuͤhret, alle geirret haben, wird ſchwer zu behaupten werden, vielmehr a- ber ein fleißiger unterſucher dieſer weiſſagung dieſes finden, daß der heilige Geiſt die gantze hiſtorie des neuen teſtaments zuſammen faſſe, und zwar von den letzten zeiten viel offenbahrung thue, der erſten zeiten aber nicht weniger meldung thue, daß alſo alles aneinander haͤnge. Dahin zielen die wort c. 1. v. 3. Die zeit iſt nahe. (3.) Was des autoris meinung ſeye wegen 1000. jahre des reichs CHriſti, weiß ich nicht. Wo er allein dieſes davor haͤlt, daß noch ein herrlicherer zuſtand der Chriſtlichen kirchen als bis- her geweſen, zu erwarten ſeye vor dem juͤngſten tag, ehe Gogs und Magogs letzter grimm vor dieſem vorgehen werde; ſo moͤchte er vielleicht ſo viel wi- derſpruch nicht finden, bey allen denjenigen, welche aus Rom 11. die noch kuͤnfftige bekehrung der Juͤden erwarten. (4.) Daß gar nichts von dem juͤngſten tag und dem ewigen leben in dieſem buch enthalten, waͤre mir ein ſchweres paradoxum, und ſo viel ich faſſe, des heiligen Geiſtes intention nicht gemaͤß, ob zwar nicht in abrede bin, daß nicht alle loca, ſo insgemein von dem juͤngſten tag oder gericht pflegen verſtanden zu werden, davon han- deln. Dahero E. Wohl-Ehrw. ſehen, daß in hypotheſibus generalibus wir nicht accordiren, was aber die explication c. 17. antrifft, laß ich mir die allgemeine application, wie ſie mir beſchrieben, nicht mißfallen. Aber die ſpecial application kommt mir nicht nur nicht glaubwuͤrdig vor, ſondern zweiffle nicht, daß ſie den verſtand des heiligen Geiſtes nicht erreiche. Als wann die 7. haͤupter vor 7. Churfuͤrſten ausgegeben werden: Deren 5. gefallen. Da gleichwol mit keinem grund geſagt werden kan, von den 5. daß ſie gefallen ſeyen. Maͤyntz iſt in dieſem ſeculo ſo maͤchtig geweſen, als es jemal war, ſo moͤgen wir auch von Coͤlln ſagen. Trier hat auch kei- nen notablen abgang erlitten. Von den andern jetzo nicht zu gedencken. Brandenburg iſt zwar vor andern heut zu tage maͤchtig, wegen anderer Pro-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/38>, abgerufen am 23.11.2024.