Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. III. SECTIO VI. durch vorhaltung der exempel/ andere zu dem abfall zu verleiten. Wassie vor glorirens darüber machen/ und dem zeuge Jsrael darüber hohn- sprechen/ hat noch vor einigen jahren das büchlein Ephemerides intitu- liret vor den tag gelegt. Es werden manche schwache unter uns geärgert/ ihnen allerhand scrupeln deswegen gemacht/ ob sie wol müsten recht daran seyn/ da sie sehen/ daß so viel hohe nach einander den weg zur Römischen kirchen wieder zurück nehmen. Welches offters einem und anderm ein an- laß zu einem gleichen gefährlichen sturtz wird. Es werden geärgert einer solchen person nahe anverwandte/ da gemeiniglich nur erstlich durch die nun- mehr vertrauliche stäte umgehung mit den aliirten päpstischen so viel zu wege gebracht wird/ daß sie an dem Papstthum keinen greuel mehr haben/ fan- gen an gelinde davon zu halten/ damit ist der nächste weg gebahnet/ daß vollends ein und andere nachfelgen. Also daß die päpstische auf solche art nicht leicht jemals eine seele allein zu sich bekommen/ sondern gemeiniglich bey solcher gelegenheit ihre garn also auszuspannen wissen/ daß sie immer mehr darein ziehen und bestricken. Alles solches ärgernüß und daher entste- hende weitere sünden kommen gleichwol von einem solchen menschen und sei- nem abfall her: Und solle nun dabey billich die donner-stimme schrecken/ wann unser HErr spricht Matth. 18/ 6. 7. Wer da ärgert dieser gering- sten einen/ die an mich gläuben/ dem wäre besser/ daß ein mühl- stein an seinen hals gehängt würde/ und ersäufft würde im meer/ da es am tieffsten ist. Wehe der welt der ärgernüß halben. Es muß ja ärgernüß kommen/ doch wehe dem menschen/ durch wel- chen ärgernüß komt. So wird warhafftig der gerechte richter an jenem tage von solcher person/ welche wissentlich einen solchen abfall gethan hat/ alle die schuld/ ja alle die seelen fordern/ welche sie/ ob sie es schon nicht gedacht/ aber vorsehen hätte können/ mit sich in den irrthum und verder- ben gestürtzet hat. Welcher sünde schwere nicht genug ausgedacht werden kan/ und also ja freylich bey beharrung in derselben keine seligkeit übrig bleibet. 7. Zu allen diesen considerationen komt noch diese/ daß es mit dem ab- fall zu der päpstischen kirchen noch viel eine andere bewandnüß und mehrere gefahr hat/ als zu einigen andern irrigen religionen. Dann ob wol alle sol- che abfälle höchst seelen-gefährlich sind/ und die oben angezogenen gründe eben so wol gegen dieselbige gelten/ so ists doch hierin etwas besonders/ daß die päpstische kirche vor allen am allermeisten verdorben ist. Es ist einmal in derselben der grosse abfall und der mensch der sünden/ davon der Apostel 2 Thess. 2. geweissaget hat: Es ist eine kirche/ die sich/ man trähe sich y y 3
ARTIC. III. SECTIO VI. durch vorhaltung der exempel/ andere zu dem abfall zu verleiten. Wasſie vor glorirens daruͤber machen/ und dem zeuge Jſrael daruͤber hohn- ſprechen/ hat noch vor einigen jahren das buͤchlein Ephemerides intitu- liret vor den tag gelegt. Es werden manche ſchwache unter uns geaͤrgert/ ihnen allerhand ſcrupeln deswegen gemacht/ ob ſie wol muͤſten recht daran ſeyn/ da ſie ſehen/ daß ſo viel hohe nach einander den weg zur Roͤmiſchen kirchen wieder zuruͤck nehmen. Welches offters einem und anderm ein an- laß zu einem gleichen gefaͤhrlichen ſturtz wird. Es werden geaͤrgert einer ſolchen perſon nahe anverwandte/ da gemeiniglich nur erſtlich durch die nun- mehr vertrauliche ſtaͤte umgehung mit den aliirten paͤpſtiſchen ſo viel zu wege gebracht wird/ daß ſie an dem Papſtthum keinen greuel mehr haben/ fan- gen an gelinde davon zu halten/ damit iſt der naͤchſte weg gebahnet/ daß vollends ein und andere nachfelgen. Alſo daß die paͤpſtiſche auf ſolche art nicht leicht jemals eine ſeele allein zu ſich bekommen/ ſondern gemeiniglich bey ſolcher gelegenheit ihre garn alſo auszuſpannen wiſſen/ daß ſie immer mehr darein ziehen und beſtricken. Alles ſolches aͤrgernuͤß und daher entſte- hende weitere ſuͤnden kommen gleichwol von einem ſolchen menſchen und ſei- nem abfall her: Und ſolle nun dabey billich die donner-ſtimme ſchrecken/ wann unſer HErr ſpricht Matth. 18/ 6. 7. Wer da aͤrgert dieſer gering- ſten einen/ die an mich glaͤuben/ dem waͤre beſſer/ daß ein muͤhl- ſtein an ſeinen hals gehaͤngt wuͤrde/ und erſaͤufft wuͤrde im meer/ da es am tieffſten iſt. Wehe der welt der aͤrgernuͤß halben. Es muß ja aͤrgernuͤß kommen/ doch wehe dem menſchen/ durch wel- chen aͤrgernuͤß komt. So wird warhafftig der gerechte richter an jenem tage von ſolcher perſon/ welche wiſſentlich einen ſolchen abfall gethan hat/ alle die ſchuld/ ja alle die ſeelen fordern/ welche ſie/ ob ſie es ſchon nicht gedacht/ aber vorſehen haͤtte koͤnnen/ mit ſich in den irrthum und verder- ben geſtuͤrtzet hat. Welcher ſuͤnde ſchwere nicht genug ausgedacht werden kan/ und alſo ja freylich bey beharrung in derſelben keine ſeligkeit uͤbrig bleibet. 7. Zu allen dieſen conſiderationen komt noch dieſe/ daß es mit dem ab- fall zu der paͤpſtiſchen kirchen noch viel eine andere bewandnuͤß und mehrere gefahr hat/ als zu einigen andern irrigen religionen. Dann ob wol alle ſol- che abfaͤlle hoͤchſt ſeelen-gefaͤhrlich ſind/ und die oben angezogenen gruͤnde eben ſo wol gegen dieſelbige gelten/ ſo iſts doch hierin etwas beſonders/ daß die paͤpſtiſche kirche vor allen am allermeiſten verdorben iſt. Es iſt einmal in derſelben der groſſe abfall und der menſch der ſuͤnden/ davon der Apoſtel 2 Theſſ. 2. geweiſſaget hat: Es iſt eine kirche/ die ſich/ man traͤhe ſich y y 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f0369" n="357"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. III. SECTIO VI.</hi></hi></fw><lb/> durch vorhaltung der exempel/ andere zu dem abfall zu verleiten. Was<lb/> ſie vor <hi rendition="#aq">glorir</hi>ens daruͤber machen/ und dem zeuge Jſrael daruͤber hohn-<lb/> ſprechen/ hat noch vor einigen jahren das buͤchlein <hi rendition="#aq">Ephemerides intitu-<lb/> lir</hi>et vor den tag gelegt. Es werden manche ſchwache unter uns geaͤrgert/<lb/> ihnen allerhand ſcrupeln deswegen gemacht/ ob ſie wol muͤſten recht daran<lb/> ſeyn/ da ſie ſehen/ daß ſo viel hohe nach einander den weg zur Roͤmiſchen<lb/> kirchen wieder zuruͤck nehmen. Welches offters einem und anderm ein an-<lb/> laß zu einem gleichen gefaͤhrlichen ſturtz wird. Es werden geaͤrgert einer<lb/> ſolchen perſon nahe anverwandte/ da gemeiniglich nur erſtlich durch die nun-<lb/> mehr vertrauliche ſtaͤte umgehung mit den <hi rendition="#aq">aliirt</hi>en paͤpſtiſchen ſo viel zu wege<lb/> gebracht wird/ daß ſie an dem Papſtthum keinen greuel mehr haben/ fan-<lb/> gen an gelinde davon zu halten/ damit iſt der naͤchſte weg gebahnet/ daß<lb/> vollends ein und andere nachfelgen. Alſo daß die paͤpſtiſche auf ſolche art<lb/> nicht leicht jemals eine ſeele allein zu ſich bekommen/ ſondern gemeiniglich<lb/> bey ſolcher gelegenheit ihre garn alſo auszuſpannen wiſſen/ daß ſie immer<lb/> mehr darein ziehen und beſtricken. Alles ſolches aͤrgernuͤß und daher entſte-<lb/> hende weitere ſuͤnden kommen gleichwol von einem ſolchen menſchen und ſei-<lb/> nem abfall her: Und ſolle nun dabey billich die donner-ſtimme ſchrecken/<lb/> wann unſer HErr ſpricht Matth. 18/ 6. 7. <hi rendition="#fr">Wer da aͤrgert dieſer gering-<lb/> ſten einen/ die an mich glaͤuben/ dem waͤre beſſer/ daß ein muͤhl-<lb/> ſtein an ſeinen hals gehaͤngt wuͤrde/ und erſaͤufft wuͤrde im meer/<lb/> da es am tieffſten iſt. Wehe der welt der aͤrgernuͤß halben. Es<lb/> muß ja aͤrgernuͤß kommen/ doch wehe dem menſchen/ durch wel-<lb/> chen aͤrgernuͤß komt.</hi> So wird warhafftig der gerechte richter an jenem<lb/> tage von ſolcher perſon/ welche wiſſentlich einen ſolchen abfall gethan hat/<lb/> alle die ſchuld/ ja alle die ſeelen fordern/ welche ſie/ ob ſie es ſchon nicht<lb/> gedacht/ aber vorſehen haͤtte koͤnnen/ mit ſich in den irrthum und verder-<lb/> ben geſtuͤrtzet hat. Welcher ſuͤnde ſchwere nicht genug ausgedacht<lb/> werden kan/ und alſo ja freylich bey beharrung in derſelben keine ſeligkeit<lb/> uͤbrig bleibet.</item><lb/> <item>7. Zu allen dieſen <hi rendition="#aq">conſideration</hi>en komt noch dieſe/ daß es mit dem ab-<lb/> fall zu der paͤpſtiſchen kirchen noch viel eine andere bewandnuͤß und mehrere<lb/> gefahr hat/ als zu einigen andern irrigen religionen. Dann ob wol alle ſol-<lb/> che abfaͤlle hoͤchſt ſeelen-gefaͤhrlich ſind/ und die oben angezogenen gruͤnde<lb/> eben ſo wol gegen dieſelbige gelten/ ſo iſts doch hierin etwas beſonders/ daß<lb/> die paͤpſtiſche kirche vor allen am allermeiſten verdorben iſt. Es iſt einmal<lb/> in derſelben <hi rendition="#fr">der groſſe abfall und der menſch der ſuͤnden/</hi> davon der<lb/> Apoſtel 2 <hi rendition="#fr">Theſſ. 2.</hi> geweiſſaget hat: Es iſt eine kirche/ die ſich/ man traͤhe<lb/> <fw place="bottom" type="sig">y y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ſich</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [357/0369]
ARTIC. III. SECTIO VI.
durch vorhaltung der exempel/ andere zu dem abfall zu verleiten. Was
ſie vor glorirens daruͤber machen/ und dem zeuge Jſrael daruͤber hohn-
ſprechen/ hat noch vor einigen jahren das buͤchlein Ephemerides intitu-
liret vor den tag gelegt. Es werden manche ſchwache unter uns geaͤrgert/
ihnen allerhand ſcrupeln deswegen gemacht/ ob ſie wol muͤſten recht daran
ſeyn/ da ſie ſehen/ daß ſo viel hohe nach einander den weg zur Roͤmiſchen
kirchen wieder zuruͤck nehmen. Welches offters einem und anderm ein an-
laß zu einem gleichen gefaͤhrlichen ſturtz wird. Es werden geaͤrgert einer
ſolchen perſon nahe anverwandte/ da gemeiniglich nur erſtlich durch die nun-
mehr vertrauliche ſtaͤte umgehung mit den aliirten paͤpſtiſchen ſo viel zu wege
gebracht wird/ daß ſie an dem Papſtthum keinen greuel mehr haben/ fan-
gen an gelinde davon zu halten/ damit iſt der naͤchſte weg gebahnet/ daß
vollends ein und andere nachfelgen. Alſo daß die paͤpſtiſche auf ſolche art
nicht leicht jemals eine ſeele allein zu ſich bekommen/ ſondern gemeiniglich
bey ſolcher gelegenheit ihre garn alſo auszuſpannen wiſſen/ daß ſie immer
mehr darein ziehen und beſtricken. Alles ſolches aͤrgernuͤß und daher entſte-
hende weitere ſuͤnden kommen gleichwol von einem ſolchen menſchen und ſei-
nem abfall her: Und ſolle nun dabey billich die donner-ſtimme ſchrecken/
wann unſer HErr ſpricht Matth. 18/ 6. 7. Wer da aͤrgert dieſer gering-
ſten einen/ die an mich glaͤuben/ dem waͤre beſſer/ daß ein muͤhl-
ſtein an ſeinen hals gehaͤngt wuͤrde/ und erſaͤufft wuͤrde im meer/
da es am tieffſten iſt. Wehe der welt der aͤrgernuͤß halben. Es
muß ja aͤrgernuͤß kommen/ doch wehe dem menſchen/ durch wel-
chen aͤrgernuͤß komt. So wird warhafftig der gerechte richter an jenem
tage von ſolcher perſon/ welche wiſſentlich einen ſolchen abfall gethan hat/
alle die ſchuld/ ja alle die ſeelen fordern/ welche ſie/ ob ſie es ſchon nicht
gedacht/ aber vorſehen haͤtte koͤnnen/ mit ſich in den irrthum und verder-
ben geſtuͤrtzet hat. Welcher ſuͤnde ſchwere nicht genug ausgedacht
werden kan/ und alſo ja freylich bey beharrung in derſelben keine ſeligkeit
uͤbrig bleibet.
7. Zu allen dieſen conſiderationen komt noch dieſe/ daß es mit dem ab-
fall zu der paͤpſtiſchen kirchen noch viel eine andere bewandnuͤß und mehrere
gefahr hat/ als zu einigen andern irrigen religionen. Dann ob wol alle ſol-
che abfaͤlle hoͤchſt ſeelen-gefaͤhrlich ſind/ und die oben angezogenen gruͤnde
eben ſo wol gegen dieſelbige gelten/ ſo iſts doch hierin etwas beſonders/ daß
die paͤpſtiſche kirche vor allen am allermeiſten verdorben iſt. Es iſt einmal
in derſelben der groſſe abfall und der menſch der ſuͤnden/ davon der
Apoſtel 2 Theſſ. 2. geweiſſaget hat: Es iſt eine kirche/ die ſich/ man traͤhe
ſich
y y 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/369 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/369>, abgerufen am 23.07.2024. |