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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. III. SECTIO I.
chen verlangen näher zu treten. Da bemercke ich nun 1. daß ich nicht zweifle/
daß sie zu benennter zeit warhafftig und kräfftig von GOTT gezogen wor-
den seye/ daher die unbetrügliche zeugnüssen der wiedergeburt und des glau-
bens sich damal bey ihr gefunden. Es sind aber dieselbige/ wie ich sie aus
der schrifft zusammen fassen möchte/ folgende. (1.) Das einige vertrauen
auf CHristum/ seine gerechtigkeit und verdienst/ aus denselben die seligkeit
zu erlangen/ mit alles andern vertrauens/ so auf einige creatur oder ande-
re gerechtigkeit sich gründen möchte/ warhafftiger verläugnung: wozu auch
gehöret die hochhaltung und vorziehung solcher seligkeit und geistlicher gü-
ter in CHristo vor allen andern gütern dieser welt. Welches kennzeichen
seinen grund hat Galat. 2/ 20. Phil. 3/ 7. 8. 9. (2) Die reinigung des her-
tzens/ sowol in vergebung der sünden/ als kräfftiger schwächung deroselben
herrschafft/ Ap. Gesch. 15/ 9. von dero jener ein etwa einige mal empfunde-
ner trost über solche vergebung/ von dieser aber die erfahrung zeugen kan/ da
sie sich gegen die vorige sünde damal stärcker befunden. (3) Die hertzliche
liebe gegen GOTT/ um sein selbs und der von ihm empfangenen liebe willen;
da dieselbe eine quelle angefangen zu werden des damaligen lebens/ und also
der glaube durch die liebe thätig worden/ Galat. 5/ 6. Diese liebe ge-
gen den vater ist eine empfindliche probe unsrer geburt aus ihm/ 1. Joh. 4/
7. Wer lieb hat/ der ist aus GOtt geboren/ und kennet GOtt.
(4) Der
daraus fliessende hertzliche gehorsam/ begierde/ eyffer und fleiß nach GOttes
geboten das leben anzustellen. Welches aus den sprüchen erhellet. Joh.
14/ 21. 15/ 9. 10. 1. Joh. 1/ 6. 7.
sonderlich 1. Joh. 2/ 3. wo deutlich stehet/ daß
wir daran mercken/ daß wir ihn kennen/ nemlich mit einer lebendigen
glaubens-erkäntnüß/ so wir seine gebot halten. (5) Der trieb und wir-
ckung des heiligen Geistes/ deme folge geleistet wird/ und die daher ent-
stehende früchten des geistes/ Rom. 8/ 14. Ephes. 5/ 8. mit stäter begierde
an dem innerlichen zu wachsen/ 1. Thess. 4/ 1. (6) Eine hertzliche liebe zu al-
len menschen/ auch denjenigen/ von denen wir beleidigt worden/ und sonsten
keine natürliche ursach zu ihrer liebe haben/ vornemlich da solche liebe immer
hauptsächlich auf ihr geistliches und ewiges heil gehet/ daß wir solches ihnen
gönnen/ davor beten/ nach vermögen dahin arbeiten/ über den erscheinen-
den mangel hertzliches erbarmen tragen/ Matth. 5/ 44. 45. 48. 1. Joh. 3/
10. 4/ 7.
Solche zeiget/ daß wir dem vater gleich gesinnet seyen. (7) Eine
sonderliche liebe und zuneigung zu den kindern GOTTes/ wo wir sie kennen
lernen oder von einigen hören/ daß so bald das hertz sich deswegen zu ihnen
mehr als zu andern neige/ wie sonsten eine natürliche blut-neigung ist gegen
die bluts-freunde/ Joh. 5/ 1. Daher wie diese weiset/ daß wir von einem

blut
IV. Theil. u u

ARTIC. III. SECTIO I.
chen verlangen naͤher zu treten. Da bemercke ich nun 1. daß ich nicht zweifle/
daß ſie zu benennter zeit warhafftig und kraͤfftig von GOTT gezogen wor-
den ſeye/ daher die unbetruͤgliche zeugnuͤſſen der wiedergeburt und des glau-
bens ſich damal bey ihr gefunden. Es ſind aber dieſelbige/ wie ich ſie aus
der ſchrifft zuſammen faſſen moͤchte/ folgende. (1.) Das einige vertrauen
auf CHriſtum/ ſeine gerechtigkeit und verdienſt/ aus denſelben die ſeligkeit
zu erlangen/ mit alles andern vertrauens/ ſo auf einige creatur oder ande-
re gerechtigkeit ſich gruͤnden moͤchte/ warhafftiger verlaͤugnung: wozu auch
gehoͤret die hochhaltung und vorziehung ſolcher ſeligkeit und geiſtlicher guͤ-
ter in CHriſto vor allen andern guͤtern dieſer welt. Welches kennzeichen
ſeinen grund hat Galat. 2/ 20. Phil. 3/ 7. 8. 9. (2) Die reinigung des her-
tzens/ ſowol in vergebung der ſuͤnden/ als kraͤfftiger ſchwaͤchung deroſelben
herrſchafft/ Ap. Geſch. 15/ 9. von dero jener ein etwa einige mal empfunde-
ner troſt uͤber ſolche vergebung/ von dieſer aber die erfahrung zeugen kan/ da
ſie ſich gegen die vorige ſuͤnde damal ſtaͤrcker befunden. (3) Die hertzliche
liebe gegen GOTT/ um ſein ſelbs und der von ihm empfangenen liebe willen;
da dieſelbe eine quelle angefangen zu werden des damaligen lebens/ und alſo
der glaube durch die liebe thaͤtig worden/ Galat. 5/ 6. Dieſe liebe ge-
gen den vater iſt eine empfindliche probe unſrer geburt aus ihm/ 1. Joh. 4/
7. Wer lieb hat/ der iſt aus GOtt geboren/ und kennet GOtt.
(4) Der
daraus flieſſende hertzliche gehorſam/ begierde/ eyffer und fleiß nach GOttes
geboten das leben anzuſtellen. Welches aus den ſpruͤchen erhellet. Joh.
14/ 21. 15/ 9. 10. 1. Joh. 1/ 6. 7.
ſonderlich 1. Joh. 2/ 3. wo deutlich ſtehet/ daß
wir daran mercken/ daß wir ihn kennen/ nemlich mit einer lebendigen
glaubens-erkaͤntnuͤß/ ſo wir ſeine gebot halten. (5) Der trieb und wir-
ckung des heiligen Geiſtes/ deme folge geleiſtet wird/ und die daher ent-
ſtehende fruͤchten des geiſtes/ Rom. 8/ 14. Epheſ. 5/ 8. mit ſtaͤter begierde
an dem innerlichen zu wachſen/ 1. Theſſ. 4/ 1. (6) Eine hertzliche liebe zu al-
len menſchen/ auch denjenigen/ von denen wir beleidigt worden/ und ſonſten
keine natuͤrliche urſach zu ihrer liebe haben/ vornemlich da ſolche liebe immer
hauptſaͤchlich auf ihr geiſtliches und ewiges heil gehet/ daß wir ſolches ihnen
goͤnnen/ davor beten/ nach vermoͤgen dahin arbeiten/ uͤber den erſcheinen-
den mangel hertzliches erbarmen tragen/ Matth. 5/ 44. 45. 48. 1. Joh. 3/
10. 4/ 7.
Solche zeiget/ daß wir dem vater gleich geſinnet ſeyen. (7) Eine
ſonderliche liebe und zuneigung zu den kindern GOTTes/ wo wir ſie kennen
lernen oder von einigen hoͤren/ daß ſo bald das hertz ſich deswegen zu ihnen
mehr als zu andern neige/ wie ſonſten eine natuͤrliche blut-neigung iſt gegen
die bluts-freunde/ Joh. 5/ 1. Daher wie dieſe weiſet/ daß wir von einem

blut
IV. Theil. u u
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[337/0349] ARTIC. III. SECTIO I. chen verlangen naͤher zu treten. Da bemercke ich nun 1. daß ich nicht zweifle/ daß ſie zu benennter zeit warhafftig und kraͤfftig von GOTT gezogen wor- den ſeye/ daher die unbetruͤgliche zeugnuͤſſen der wiedergeburt und des glau- bens ſich damal bey ihr gefunden. Es ſind aber dieſelbige/ wie ich ſie aus der ſchrifft zuſammen faſſen moͤchte/ folgende. (1.) Das einige vertrauen auf CHriſtum/ ſeine gerechtigkeit und verdienſt/ aus denſelben die ſeligkeit zu erlangen/ mit alles andern vertrauens/ ſo auf einige creatur oder ande- re gerechtigkeit ſich gruͤnden moͤchte/ warhafftiger verlaͤugnung: wozu auch gehoͤret die hochhaltung und vorziehung ſolcher ſeligkeit und geiſtlicher guͤ- ter in CHriſto vor allen andern guͤtern dieſer welt. Welches kennzeichen ſeinen grund hat Galat. 2/ 20. Phil. 3/ 7. 8. 9. (2) Die reinigung des her- tzens/ ſowol in vergebung der ſuͤnden/ als kraͤfftiger ſchwaͤchung deroſelben herrſchafft/ Ap. Geſch. 15/ 9. von dero jener ein etwa einige mal empfunde- ner troſt uͤber ſolche vergebung/ von dieſer aber die erfahrung zeugen kan/ da ſie ſich gegen die vorige ſuͤnde damal ſtaͤrcker befunden. (3) Die hertzliche liebe gegen GOTT/ um ſein ſelbs und der von ihm empfangenen liebe willen; da dieſelbe eine quelle angefangen zu werden des damaligen lebens/ und alſo der glaube durch die liebe thaͤtig worden/ Galat. 5/ 6. Dieſe liebe ge- gen den vater iſt eine empfindliche probe unſrer geburt aus ihm/ 1. Joh. 4/ 7. Wer lieb hat/ der iſt aus GOtt geboren/ und kennet GOtt. (4) Der daraus flieſſende hertzliche gehorſam/ begierde/ eyffer und fleiß nach GOttes geboten das leben anzuſtellen. Welches aus den ſpruͤchen erhellet. Joh. 14/ 21. 15/ 9. 10. 1. Joh. 1/ 6. 7. ſonderlich 1. Joh. 2/ 3. wo deutlich ſtehet/ daß wir daran mercken/ daß wir ihn kennen/ nemlich mit einer lebendigen glaubens-erkaͤntnuͤß/ ſo wir ſeine gebot halten. (5) Der trieb und wir- ckung des heiligen Geiſtes/ deme folge geleiſtet wird/ und die daher ent- ſtehende fruͤchten des geiſtes/ Rom. 8/ 14. Epheſ. 5/ 8. mit ſtaͤter begierde an dem innerlichen zu wachſen/ 1. Theſſ. 4/ 1. (6) Eine hertzliche liebe zu al- len menſchen/ auch denjenigen/ von denen wir beleidigt worden/ und ſonſten keine natuͤrliche urſach zu ihrer liebe haben/ vornemlich da ſolche liebe immer hauptſaͤchlich auf ihr geiſtliches und ewiges heil gehet/ daß wir ſolches ihnen goͤnnen/ davor beten/ nach vermoͤgen dahin arbeiten/ uͤber den erſcheinen- den mangel hertzliches erbarmen tragen/ Matth. 5/ 44. 45. 48. 1. Joh. 3/ 10. 4/ 7. Solche zeiget/ daß wir dem vater gleich geſinnet ſeyen. (7) Eine ſonderliche liebe und zuneigung zu den kindern GOTTes/ wo wir ſie kennen lernen oder von einigen hoͤren/ daß ſo bald das hertz ſich deswegen zu ihnen mehr als zu andern neige/ wie ſonſten eine natuͤrliche blut-neigung iſt gegen die bluts-freunde/ Joh. 5/ 1. Daher wie dieſe weiſet/ daß wir von einem blut IV. Theil. u u

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/349>, abgerufen am 22.11.2024.