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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
sung alsobald dabey bekomt/ was die vornehmste stücke und worte sind/
aufdero nachdruck sie vor anderen zu sehen habe/ und was damit erwiesen
werde/ die vornehmste krafft ieglicher articul und das meiste der gantzen
analogiae fidei fasset/ ehe sie zu einem eigentlichen systemate gebracht wird/
oder gedencket/ was sie gelernet habe: Also lasse ich mir auch gefallen/ daß
wegen heiligung des tages des HERRN auf die discipul fleißig acht ge-
geben werde. Da sonsten fast insgemein die jugend in dem thörichten
wahn/ mit so viel andern unberichteten stehet/ ob wäre der feyertag eigen-
lich zu einem spieltag verordnet/ daß da sie die gantze woche sich mit ihrer
schul-arbeit schleppen müssen/ sie einen tag hätten/ an dem sie sich ergetzen/
das ist/ wie sie gesinnet sind/ ihren eigen lüsten nachleben/ und allerhand
muthwillen oder üppigkeit treiben dörfften: daher sie etwa auch die stunden/
welche sie noch nach den gesetzen und aus furcht der straffe müssen zu dem
eusserlichen GOttesdienst anwenden/ oft mehr mit dem leib allein vorhan-
den/ mit dem gemüth aber mit denjenigen dingen bereits umgehen/ wor-
in sie ihren spaß die übrige zeit suchen wollen. Damit dann geschiehet/ daß
alle frucht desjenigen/ was etwa in der kirchen gutes mit ihnen gehandelt
wird/ und durch ferner nachsinnen in das hertz zur fruchtbringung einge-
drucket werden solte/ nicht nur verlohren gehet/ sondern die hertzen zu ei-
ner so viel schädlichern profanitet sich gewehnen/ als hingegen diejenige/
die an dem gesegneten tag des HErrn sich dessen heiligen wirckungen darstel-
len/ und also den guten geist in sich kräfftig seyn lassen/ dessen vortrefflichen
nutzen und einen statlichen segen auf alles/ was die gantze woche über von
sacris tractiret wird/ gezogen verspüren werden. Weswegen billich da-
hin zu sehen/ daß weilen ja die jugend auch sonst eine zeit haben muß/ da das
gemüthe alles nachsinnens überhoben/ in einer ehrlichen remissione und
ergetzlichkeit sich erholen/ und zu fernerm fleiß wieder tüchtig machen möge/
solches auf einige wochen-stunden verwiesen/ und hingegen der tag des
HERRN davor erkannt werde/ daß an selbigem zwar der leib sei-
ner arbeit befreyet bleibe/ aber das gemüth mit allen seinen kräfften zu
dem GOttes-dienst offentlich und absonderlich gezogen werden müsse:
Welches freylich nicht weniger arbeit ist/ als das wochen-studiren/ ob
zwar die seele/ die sich darin zu schicken und den nutzen zu erschmecken angefan-
gen hat/ darinn bey aller anwendung ihrer kräfften eine wahre ruh spüren
wird/ dazu die jugend/ ob sie schon zu solcher erfahrung so bald nicht kommet/
allgemach anzuweisen ist. Jch dancke meinem GOtt/ der mir von einem
christlichen Theologo, so nachmal nahe mit mir verschwägert worden/ bey
meiner abreiß auf die vniuersität diese haupt-lehre hat lassen mitgegeben wer-
den: (welche dieser auch unterschiedliche mal in briefen an mich wiederholet)

daß

Das ſiebende Capitel.
ſung alſobald dabey bekomt/ was die vornehmſte ſtuͤcke und worte ſind/
aufdero nachdruck ſie vor anderen zu ſehen habe/ und was damit erwieſen
werde/ die vornehmſte krafft ieglicher articul und das meiſte der gantzen
analogiæ fidei faſſet/ ehe ſie zu einem eigentlichen ſyſtemate gebracht wird/
oder gedencket/ was ſie gelernet habe: Alſo laſſe ich mir auch gefallen/ daß
wegen heiligung des tages des HERRN auf die diſcipul fleißig acht ge-
geben werde. Da ſonſten faſt insgemein die jugend in dem thoͤrichten
wahn/ mit ſo viel andern unberichteten ſtehet/ ob waͤre der feyertag eigen-
lich zu einem ſpieltag verordnet/ daß da ſie die gantze woche ſich mit ihrer
ſchul-arbeit ſchleppen muͤſſen/ ſie einen tag haͤtten/ an dem ſie ſich ergetzen/
das iſt/ wie ſie geſinnet ſind/ ihren eigen luͤſten nachleben/ und allerhand
muthwillen oder uͤppigkeit treiben doͤrfften: daher ſie etwa auch die ſtunden/
welche ſie noch nach den geſetzen und aus furcht der ſtraffe muͤſſen zu dem
euſſerlichen GOttesdienſt anwenden/ oft mehr mit dem leib allein vorhan-
den/ mit dem gemuͤth aber mit denjenigen dingen bereits umgehen/ wor-
in ſie ihren ſpaß die uͤbrige zeit ſuchen wollen. Damit dann geſchiehet/ daß
alle frucht desjenigen/ was etwa in der kirchen gutes mit ihnen gehandelt
wird/ und durch ferner nachſinnen in das hertz zur fruchtbringung einge-
drucket werden ſolte/ nicht nur verlohren gehet/ ſondern die hertzen zu ei-
ner ſo viel ſchaͤdlichern profanitet ſich gewehnen/ als hingegen diejenige/
die an dem geſegneten tag des HErrn ſich deſſen heiligen wirckungen darſtel-
len/ und alſo den guten geiſt in ſich kraͤfftig ſeyn laſſen/ deſſen vortrefflichen
nutzen und einen ſtatlichen ſegen auf alles/ was die gantze woche uͤber von
ſacris tractiret wird/ gezogen verſpuͤren werden. Weswegen billich da-
hin zu ſehen/ daß weilen ja die jugend auch ſonſt eine zeit haben muß/ da das
gemuͤthe alles nachſinnens uͤberhoben/ in einer ehrlichen remisſione und
ergetzlichkeit ſich erholen/ und zu fernerm fleiß wieder tuͤchtig machen moͤge/
ſolches auf einige wochen-ſtunden verwieſen/ und hingegen der tag des
HERRN davor erkannt werde/ daß an ſelbigem zwar der leib ſei-
ner arbeit befreyet bleibe/ aber das gemuͤth mit allen ſeinen kraͤfften zu
dem GOttes-dienſt offentlich und abſonderlich gezogen werden muͤſſe:
Welches freylich nicht weniger arbeit iſt/ als das wochen-ſtudiren/ ob
zwar die ſeele/ die ſich darin zu ſchicken und den nutzen zu erſchmecken angefan-
gen hat/ darinn bey aller anwendung ihrer kraͤfften eine wahre ruh ſpuͤren
wird/ dazu die jugend/ ob ſie ſchon zu ſolcher erfahrung ſo bald nicht kommet/
allgemach anzuweiſen iſt. Jch dancke meinem GOtt/ der mir von einem
chriſtlichen Theologo, ſo nachmal nahe mit mir verſchwaͤgert worden/ bey
meiner abreiß auf die vniuerſitaͤt dieſe haupt-lehre hat laſſen mitgegeben wer-
den: (welche dieſer auch unterſchiedliche mal in briefen an mich wiederholet)

daß
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[326/0338] Das ſiebende Capitel. ſung alſobald dabey bekomt/ was die vornehmſte ſtuͤcke und worte ſind/ aufdero nachdruck ſie vor anderen zu ſehen habe/ und was damit erwieſen werde/ die vornehmſte krafft ieglicher articul und das meiſte der gantzen analogiæ fidei faſſet/ ehe ſie zu einem eigentlichen ſyſtemate gebracht wird/ oder gedencket/ was ſie gelernet habe: Alſo laſſe ich mir auch gefallen/ daß wegen heiligung des tages des HERRN auf die diſcipul fleißig acht ge- geben werde. Da ſonſten faſt insgemein die jugend in dem thoͤrichten wahn/ mit ſo viel andern unberichteten ſtehet/ ob waͤre der feyertag eigen- lich zu einem ſpieltag verordnet/ daß da ſie die gantze woche ſich mit ihrer ſchul-arbeit ſchleppen muͤſſen/ ſie einen tag haͤtten/ an dem ſie ſich ergetzen/ das iſt/ wie ſie geſinnet ſind/ ihren eigen luͤſten nachleben/ und allerhand muthwillen oder uͤppigkeit treiben doͤrfften: daher ſie etwa auch die ſtunden/ welche ſie noch nach den geſetzen und aus furcht der ſtraffe muͤſſen zu dem euſſerlichen GOttesdienſt anwenden/ oft mehr mit dem leib allein vorhan- den/ mit dem gemuͤth aber mit denjenigen dingen bereits umgehen/ wor- in ſie ihren ſpaß die uͤbrige zeit ſuchen wollen. Damit dann geſchiehet/ daß alle frucht desjenigen/ was etwa in der kirchen gutes mit ihnen gehandelt wird/ und durch ferner nachſinnen in das hertz zur fruchtbringung einge- drucket werden ſolte/ nicht nur verlohren gehet/ ſondern die hertzen zu ei- ner ſo viel ſchaͤdlichern profanitet ſich gewehnen/ als hingegen diejenige/ die an dem geſegneten tag des HErrn ſich deſſen heiligen wirckungen darſtel- len/ und alſo den guten geiſt in ſich kraͤfftig ſeyn laſſen/ deſſen vortrefflichen nutzen und einen ſtatlichen ſegen auf alles/ was die gantze woche uͤber von ſacris tractiret wird/ gezogen verſpuͤren werden. Weswegen billich da- hin zu ſehen/ daß weilen ja die jugend auch ſonſt eine zeit haben muß/ da das gemuͤthe alles nachſinnens uͤberhoben/ in einer ehrlichen remisſione und ergetzlichkeit ſich erholen/ und zu fernerm fleiß wieder tuͤchtig machen moͤge/ ſolches auf einige wochen-ſtunden verwieſen/ und hingegen der tag des HERRN davor erkannt werde/ daß an ſelbigem zwar der leib ſei- ner arbeit befreyet bleibe/ aber das gemuͤth mit allen ſeinen kraͤfften zu dem GOttes-dienſt offentlich und abſonderlich gezogen werden muͤſſe: Welches freylich nicht weniger arbeit iſt/ als das wochen-ſtudiren/ ob zwar die ſeele/ die ſich darin zu ſchicken und den nutzen zu erſchmecken angefan- gen hat/ darinn bey aller anwendung ihrer kraͤfften eine wahre ruh ſpuͤren wird/ dazu die jugend/ ob ſie ſchon zu ſolcher erfahrung ſo bald nicht kommet/ allgemach anzuweiſen iſt. Jch dancke meinem GOtt/ der mir von einem chriſtlichen Theologo, ſo nachmal nahe mit mir verſchwaͤgert worden/ bey meiner abreiß auf die vniuerſitaͤt dieſe haupt-lehre hat laſſen mitgegeben wer- den: (welche dieſer auch unterſchiedliche mal in briefen an mich wiederholet) daß

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/338>, abgerufen am 25.11.2024.