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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
griffthun wolten/ welches unrecht wäre/ aber aus gleicher ursach das unrecht/
wo hinwieder die andere mitgenossen ausgeschlossen würden/ und dessen
schwehre zu verstehen giebet.

§. 10. Wie nun das recht der ältesten hiemit in göttlicher ordnung
gegründet ist/ so mercke ich billich/ wie in allen verordnungen unsers Heylands/
als der selbsständigen weißheit/ eine treffliche weißheit sich zeiget/ wo dieselbe
tieffer eingesehen werden/ daß man wol sagen mag Psalm. 111/ 2. 3. Groß
sind die wercke des HERRN/ wer ihr achtet/ der hat eitel lust
daran. Was er ordnet das ist löblich und herrlich:
Also seye auch in
dieser anordnung unsers Heylands eine göttliche weißheit/ und dieses die aller-
bequemste art/ wie dieses wichtigste werck zum besten der gemeinden angeord-
net werden könne. Wir wissen/ daß an rechtmäßiger verwaltung dieses
wercks der kirchen ein sehr grosses gelegen ist/ denn es betrifft das heil und die
seligkeit derjenigen/ mit denen mans zu thun hat/ und auch auf ander seiten
stecket darinnen/ entweder die erbauung oder das ärgernüß der andern.
Wird recht und nach Christi einsetzung darinnen verfahren/ so werden man-
che seelen gerettet/ welche sonsten aus dem schlaff ihrer sicherheit/ wo nicht ge-
bührender ernst gebrauchet wird/ sich nicht aufwecken liessen/ und darinnen
verlohren giengen/ ja es werden auch andere von sünden kräfftig abgeschrecket/
und hingegen zu einem rechtschaffenen ernst in ihrem christenthum aufgemun-
tert. Das gegentheil aber folget gewiß/ wo nicht recht mit solchem werck ver-
fahren wird. Schliesset man einige von dem genuß der ihnen zukommen-
den göttlichen güter mit unrecht und aus passionen aus/ die auf andere art an-
noch mit sanfftmuth solten gewonnen werden (wie denn nicht mit allen auf ei-
nerley art zu vorfahren ist nach Jud. v. 22. 23.) so folgen daraus betrübte
dinge. Andere die die sache unpartheyisch ansehen/ werden nicht nur damit
betrübet/ sondern hefftig geärgert/ so dann bey denjenigen/ welche zu hart tra-
etiret werden/ entstehet das gröste ärgernüß/ und weil sich nicht alle überwin-
den können/ solches mit gedult über sich ergehen zu lassen/ lauffets etwa auf
verzweiffelung oder gefährliche trennung aus/ wie mehrmal die exempel gezei-
get/ und verliehret also die kirche thätlich und unwiederbringlich ein glied/ das
noch gesund/ oder doch auf andere art heilbar/ gewesen/ weil es zur unzeit ab-
gestossen wird/ gemeiniglich aber ziehet es mehrere mit sich. Wird hingegen
solche ausschliessung/ wo sie bloß als das eusserste mittel nöthig gewesen/ unter-
lassen/ so gehet gemeiniglich der mensch in seiner sicherheit und boßheit verloh-
ren/ der etwa noch durch weisen gebrauch der göttlichen ordnung aus dem ver-
derben und feuer gerissen werden können/ die ärgernüssen nehmen ebenfals ü-
berhand/ ja verursachen offt bey auch sonsten guten gemüthern gefährliche reso-

lutio-

Das ſiebende Capitel.
griffthun wolten/ welches unrecht waͤre/ aber aus gleicher urſach das unrecht/
wo hinwieder die andere mitgenoſſen ausgeſchloſſen wuͤrden/ und deſſen
ſchwehre zu verſtehen giebet.

§. 10. Wie nun das recht der aͤlteſten hiemit in goͤttlicher ordnung
gegruͤndet iſt/ ſo mercke ich billich/ wie in allen verordnungen unſers Heylands/
als der ſelbsſtaͤndigen weißheit/ eine treffliche weißheit ſich zeiget/ wo dieſelbe
tieffer eingeſehen werden/ daß man wol ſagen mag Pſalm. 111/ 2. 3. Groß
ſind die wercke des HERRN/ wer ihr achtet/ der hat eitel luſt
daran. Was er ordnet das iſt loͤblich und herrlich:
Alſo ſeye auch in
dieſer anordnung unſers Heylands eine goͤttliche weißheit/ und dieſes die aller-
bequemſte art/ wie dieſes wichtigſte werck zum beſten der gemeinden angeord-
net werden koͤnne. Wir wiſſen/ daß an rechtmaͤßiger verwaltung dieſes
wercks der kirchen ein ſehr groſſes gelegen iſt/ denn es betrifft das heil und die
ſeligkeit derjenigen/ mit denen mans zu thun hat/ und auch auf ander ſeiten
ſtecket darinnen/ entweder die erbauung oder das aͤrgernuͤß der andern.
Wird recht und nach Chriſti einſetzung darinnen verfahren/ ſo werden man-
che ſeelen gerettet/ welche ſonſten aus dem ſchlaff ihrer ſicherheit/ wo nicht ge-
buͤhrender ernſt gebrauchet wird/ ſich nicht aufwecken lieſſen/ und darinnen
verlohren giengen/ ja es werden auch andere von ſuͤnden kꝛaͤfftig abgeſchrecket/
und hingegen zu einem rechtſchaffenen ernſt in ihrem chriſtenthum aufgemun-
tert. Das gegentheil aber folget gewiß/ wo nicht recht mit ſolchem werck ver-
fahren wird. Schlieſſet man einige von dem genuß der ihnen zukommen-
den goͤttlichen guͤter mit unrecht und aus paſſionen aus/ die auf andere art an-
noch mit ſanfftmuth ſolten gewonnen werden (wie denn nicht mit allen auf ei-
nerley art zu vorfahren iſt nach Jud. v. 22. 23.) ſo folgen daraus betruͤbte
dinge. Andere die die ſache unpartheyiſch anſehen/ werden nicht nur damit
betruͤbet/ ſondern hefftig geaͤrgert/ ſo dann bey denjenigen/ welche zu hart tra-
etiret werden/ entſtehet das groͤſte aͤrgernuͤß/ und weil ſich nicht alle uͤberwin-
den koͤnnen/ ſolches mit gedult uͤber ſich ergehen zu laſſen/ lauffets etwa auf
verzweiffelung oder gefaͤhrliche trennung aus/ wie mehrmal die exempel gezei-
get/ und verliehret alſo die kirche thaͤtlich und unwiederbringlich ein glied/ das
noch geſund/ oder doch auf andere art heilbar/ geweſen/ weil es zur unzeit ab-
geſtoſſen wird/ gemeiniglich aber ziehet es mehrere mit ſich. Wird hingegen
ſolche ausſchlieſſung/ wo ſie bloß als das euſſerſte mittel noͤthig geweſen/ unter-
laſſen/ ſo gehet gemeiniglich der menſch in ſeiner ſicherheit und boßheit verloh-
ren/ der etwa noch durch weiſen gebrauch der goͤttlichen ordnung aus dem ver-
derben und feuer geriſſen werden koͤnnen/ die aͤrgernuͤſſen nehmen ebenfals uͤ-
berhand/ ja verurſachen offt bey auch ſonſten guten gemuͤthern gefaͤhrliche reſo-

lutio-
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[284/0296] Das ſiebende Capitel. griffthun wolten/ welches unrecht waͤre/ aber aus gleicher urſach das unrecht/ wo hinwieder die andere mitgenoſſen ausgeſchloſſen wuͤrden/ und deſſen ſchwehre zu verſtehen giebet. §. 10. Wie nun das recht der aͤlteſten hiemit in goͤttlicher ordnung gegruͤndet iſt/ ſo mercke ich billich/ wie in allen verordnungen unſers Heylands/ als der ſelbsſtaͤndigen weißheit/ eine treffliche weißheit ſich zeiget/ wo dieſelbe tieffer eingeſehen werden/ daß man wol ſagen mag Pſalm. 111/ 2. 3. Groß ſind die wercke des HERRN/ wer ihr achtet/ der hat eitel luſt daran. Was er ordnet das iſt loͤblich und herrlich: Alſo ſeye auch in dieſer anordnung unſers Heylands eine goͤttliche weißheit/ und dieſes die aller- bequemſte art/ wie dieſes wichtigſte werck zum beſten der gemeinden angeord- net werden koͤnne. Wir wiſſen/ daß an rechtmaͤßiger verwaltung dieſes wercks der kirchen ein ſehr groſſes gelegen iſt/ denn es betrifft das heil und die ſeligkeit derjenigen/ mit denen mans zu thun hat/ und auch auf ander ſeiten ſtecket darinnen/ entweder die erbauung oder das aͤrgernuͤß der andern. Wird recht und nach Chriſti einſetzung darinnen verfahren/ ſo werden man- che ſeelen gerettet/ welche ſonſten aus dem ſchlaff ihrer ſicherheit/ wo nicht ge- buͤhrender ernſt gebrauchet wird/ ſich nicht aufwecken lieſſen/ und darinnen verlohren giengen/ ja es werden auch andere von ſuͤnden kꝛaͤfftig abgeſchrecket/ und hingegen zu einem rechtſchaffenen ernſt in ihrem chriſtenthum aufgemun- tert. Das gegentheil aber folget gewiß/ wo nicht recht mit ſolchem werck ver- fahren wird. Schlieſſet man einige von dem genuß der ihnen zukommen- den goͤttlichen guͤter mit unrecht und aus paſſionen aus/ die auf andere art an- noch mit ſanfftmuth ſolten gewonnen werden (wie denn nicht mit allen auf ei- nerley art zu vorfahren iſt nach Jud. v. 22. 23.) ſo folgen daraus betruͤbte dinge. Andere die die ſache unpartheyiſch anſehen/ werden nicht nur damit betruͤbet/ ſondern hefftig geaͤrgert/ ſo dann bey denjenigen/ welche zu hart tra- etiret werden/ entſtehet das groͤſte aͤrgernuͤß/ und weil ſich nicht alle uͤberwin- den koͤnnen/ ſolches mit gedult uͤber ſich ergehen zu laſſen/ lauffets etwa auf verzweiffelung oder gefaͤhrliche trennung aus/ wie mehrmal die exempel gezei- get/ und verliehret alſo die kirche thaͤtlich und unwiederbringlich ein glied/ das noch geſund/ oder doch auf andere art heilbar/ geweſen/ weil es zur unzeit ab- geſtoſſen wird/ gemeiniglich aber ziehet es mehrere mit ſich. Wird hingegen ſolche ausſchlieſſung/ wo ſie bloß als das euſſerſte mittel noͤthig geweſen/ unter- laſſen/ ſo gehet gemeiniglich der menſch in ſeiner ſicherheit und boßheit verloh- ren/ der etwa noch durch weiſen gebrauch der goͤttlichen ordnung aus dem ver- derben und feuer geriſſen werden koͤnnen/ die aͤrgernuͤſſen nehmen ebenfals uͤ- berhand/ ja verurſachen offt bey auch ſonſten guten gemuͤthern gefaͤhrliche reſo- lutio-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/296>, abgerufen am 22.11.2024.