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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
sträfflich und unrecht/ also kommt noch dazu/ daß sich wircklich andere dran
geärgert. Nicht ist zu zweifflen/ daß gottselige hertzen solches werden mit
betrübnüß angesehen/ und über solche in der kirch einführende weltlichkeit ge-
seuftzet haben/ welches gleichwol auch nicht ein geringes ist/ solche hertzen
zu betrüben. Absonderlich aber wird in der specie facti dieses ärgernüß be-
nennet/ daß andere dardurch bewogen worden/ daß sie jenen nicht zu weichen
gleiches zu thun ihnen vorgenommen. Woraus erhellet/ was gefährliche
und schädliche consequenzien daraus entstehen solten/ wo nicht dem anfang
gewehret würde/ daß es nemlich in der kirchen zu denjenigen aemulationen
kommen würde/ welche mit schande des christlichen namens in dem gemei-
nen leben gesehen werden/ und wo sie endlich auch in die kirche eintringen/
vollends Christum zu seinem tempel hinaus treiben solten. An aller sol-
chen aemulation aber sind nachmal vor GOTT und gottseligen hertzen die
jenige ursach/ welche den ersten anfang gemachet/ ob auch dergleichen dar-
aus entstünde/ was sie selbs nicht vermutheten. Wie auch in der welt/ der
an unzimlichen ort unvorsichtig ein feuer anzündet/ zu dem schaden gehal-
ten ist/ den dasselbe endlich nach sich zeucht/ obs wol weiter um sich gefres-
sen/ als er selbs gewolt oder gedacht. So vielmehr aber wird in göttlichen
gericht jeglichem dasjenige als seine mithabende schuld und sünde beyge-
messen/ was aus seinem ärgernüß entstanden: weil der HERR uns so ernst-
lichen Matth. 18/ 6. 7. 1. Cor. 10/ 32. und anderswo/ vor dem ärgernüß
warnen/ und deswegen auch nicht nur das böse/ sondern gar allen bösen
schein hat meiden heissen. 1. Thess. 5/ 22.
dadurch wir Christen verbunden
sind/ in allem acht zu geben/ nicht nur was wir sonsten etwa zu thun macht
haben/ oder zu haben uns einbilden möchten/ sondern auch allemal/ wie an-
dere davon gebessert oder geärgert werden möchten. Also gar daß auch Pau-
lus Rom. 14. 1. Cor. 8. den gebrauch der christlichen freyheit nach solcher
regel der liebe will eingeschrencket haben: Wie vielmehr ist denn verboten
und unrecht/ wo etwas nicht nur unnöthiges sondern das man aufs wenigste
als einen bösen schein ansehen muß/ verboten/ hingegen derjenige sträfflich/
welcher solches zu thun sich nicht entblödet/ noch seines nechsten mit ärger-
nüß geschonet hat.

Dieses nun alles dermassen betrachtet/ zeiget uns/ daß sothanes
beginnen nicht mag entschuldiget oder recht gesprochen werden/ sondern
bleibt aus unterschiedlichem unrecht und ärgerlich. Hieraus ent-
stehet/ aber entscheidet sich auch selbs/ die andere frage: Ob der Su-
perintendens r
echt gethan/ daß er solches öffentlich gestrafft?
Sünde und unrecht sollen und müssen gestrafft werden: ist nun erwiesen/

daß
Das ſiebende Capitel.
ſtraͤfflich und unrecht/ alſo kommt noch dazu/ daß ſich wircklich andere dran
geaͤrgert. Nicht iſt zu zweifflen/ daß gottſelige hertzen ſolches werden mit
betruͤbnuͤß angeſehen/ und uͤber ſolche in der kirch einfuͤhrende weltlichkeit ge-
ſeuftzet haben/ welches gleichwol auch nicht ein geringes iſt/ ſolche hertzen
zu betruͤben. Abſonderlich aber wird in der ſpecie facti dieſes aͤrgernuͤß be-
nennet/ daß andere dardurch bewogen worden/ daß ſie jenen nicht zu weichen
gleiches zu thun ihnen vorgenommen. Woraus erhellet/ was gefaͤhrliche
und ſchaͤdliche conſequenzien daraus entſtehen ſolten/ wo nicht dem anfang
gewehret wuͤrde/ daß es nemlich in der kirchen zu denjenigen æmulationen
kommen wuͤrde/ welche mit ſchande des chriſtlichen namens in dem gemei-
nen leben geſehen werden/ und wo ſie endlich auch in die kirche eintringen/
vollends Chriſtum zu ſeinem tempel hinaus treiben ſolten. An aller ſol-
chen æmulation aber ſind nachmal vor GOTT und gottſeligen hertzen die
jenige urſach/ welche den erſten anfang gemachet/ ob auch dergleichen dar-
aus entſtuͤnde/ was ſie ſelbs nicht vermutheten. Wie auch in der welt/ der
an unzimlichen ort unvorſichtig ein feuer anzuͤndet/ zu dem ſchaden gehal-
ten iſt/ den daſſelbe endlich nach ſich zeucht/ obs wol weiter um ſich gefreſ-
ſen/ als er ſelbs gewolt oder gedacht. So vielmehr aber wird in goͤttlichen
gericht jeglichem dasjenige als ſeine mithabende ſchuld und ſuͤnde beyge-
meſſen/ was aus ſeinem aͤrgernuͤß entſtanden: weil der HERR uns ſo ernſt-
lichen Matth. 18/ 6. 7. 1. Cor. 10/ 32. und anderswo/ vor dem aͤrgernuͤß
warnen/ und deswegen auch nicht nur das boͤſe/ ſondern gar allen boͤſen
ſchein hat meiden heiſſen. 1. Theſſ. 5/ 22.
dadurch wir Chriſten verbunden
ſind/ in allem acht zu geben/ nicht nur was wir ſonſten etwa zu thun macht
haben/ oder zu haben uns einbilden moͤchten/ ſondern auch allemal/ wie an-
dere davon gebeſſert oder geaͤrgert werden moͤchten. Alſo gar daß auch Pau-
lus Rom. 14. 1. Cor. 8. den gebrauch der chriſtlichen freyheit nach ſolcher
regel der liebe will eingeſchrencket haben: Wie vielmehr iſt denn verboten
und unrecht/ wo etwas nicht nur unnoͤthiges ſondern das man aufs wenigſte
als einen boͤſen ſchein anſehen muß/ verboten/ hingegen derjenige ſtraͤfflich/
welcher ſolches zu thun ſich nicht entbloͤdet/ noch ſeines nechſten mit aͤrger-
nuͤß geſchonet hat.

Dieſes nun alles dermaſſen betrachtet/ zeiget uns/ daß ſothanes
beginnen nicht mag entſchuldiget oder recht geſprochen werden/ ſondern
bleibt aus unterſchiedlichem unrecht und aͤrgerlich. Hieraus ent-
ſtehet/ aber entſcheidet ſich auch ſelbs/ die andere frage: Ob der Su-
perintendens r
echt gethan/ daß er ſolches oͤffentlich geſtrafft?
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daß
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[244/0256] Das ſiebende Capitel. ſtraͤfflich und unrecht/ alſo kommt noch dazu/ daß ſich wircklich andere dran geaͤrgert. Nicht iſt zu zweifflen/ daß gottſelige hertzen ſolches werden mit betruͤbnuͤß angeſehen/ und uͤber ſolche in der kirch einfuͤhrende weltlichkeit ge- ſeuftzet haben/ welches gleichwol auch nicht ein geringes iſt/ ſolche hertzen zu betruͤben. Abſonderlich aber wird in der ſpecie facti dieſes aͤrgernuͤß be- nennet/ daß andere dardurch bewogen worden/ daß ſie jenen nicht zu weichen gleiches zu thun ihnen vorgenommen. Woraus erhellet/ was gefaͤhrliche und ſchaͤdliche conſequenzien daraus entſtehen ſolten/ wo nicht dem anfang gewehret wuͤrde/ daß es nemlich in der kirchen zu denjenigen æmulationen kommen wuͤrde/ welche mit ſchande des chriſtlichen namens in dem gemei- nen leben geſehen werden/ und wo ſie endlich auch in die kirche eintringen/ vollends Chriſtum zu ſeinem tempel hinaus treiben ſolten. An aller ſol- chen æmulation aber ſind nachmal vor GOTT und gottſeligen hertzen die jenige urſach/ welche den erſten anfang gemachet/ ob auch dergleichen dar- aus entſtuͤnde/ was ſie ſelbs nicht vermutheten. Wie auch in der welt/ der an unzimlichen ort unvorſichtig ein feuer anzuͤndet/ zu dem ſchaden gehal- ten iſt/ den daſſelbe endlich nach ſich zeucht/ obs wol weiter um ſich gefreſ- ſen/ als er ſelbs gewolt oder gedacht. So vielmehr aber wird in goͤttlichen gericht jeglichem dasjenige als ſeine mithabende ſchuld und ſuͤnde beyge- meſſen/ was aus ſeinem aͤrgernuͤß entſtanden: weil der HERR uns ſo ernſt- lichen Matth. 18/ 6. 7. 1. Cor. 10/ 32. und anderswo/ vor dem aͤrgernuͤß warnen/ und deswegen auch nicht nur das boͤſe/ ſondern gar allen boͤſen ſchein hat meiden heiſſen. 1. Theſſ. 5/ 22. dadurch wir Chriſten verbunden ſind/ in allem acht zu geben/ nicht nur was wir ſonſten etwa zu thun macht haben/ oder zu haben uns einbilden moͤchten/ ſondern auch allemal/ wie an- dere davon gebeſſert oder geaͤrgert werden moͤchten. Alſo gar daß auch Pau- lus Rom. 14. 1. Cor. 8. den gebrauch der chriſtlichen freyheit nach ſolcher regel der liebe will eingeſchrencket haben: Wie vielmehr iſt denn verboten und unrecht/ wo etwas nicht nur unnoͤthiges ſondern das man aufs wenigſte als einen boͤſen ſchein anſehen muß/ verboten/ hingegen derjenige ſtraͤfflich/ welcher ſolches zu thun ſich nicht entbloͤdet/ noch ſeines nechſten mit aͤrger- nuͤß geſchonet hat. Dieſes nun alles dermaſſen betrachtet/ zeiget uns/ daß ſothanes beginnen nicht mag entſchuldiget oder recht geſprochen werden/ ſondern bleibt aus unterſchiedlichem unrecht und aͤrgerlich. Hieraus ent- ſtehet/ aber entſcheidet ſich auch ſelbs/ die andere frage: Ob der Su- perintendens recht gethan/ daß er ſolches oͤffentlich geſtrafft? Suͤnde und unrecht ſollen und muͤſſen geſtrafft werden: iſt nun erwieſen/ daß

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/256>, abgerufen am 21.11.2024.