Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. I. SECTIO XXIII.
nen auch so gebraucht werden, wie in dem hebreischen das wort brk von
GOTT und gegen GOTT gebraucht wird. Nachdem aber unser Luthe-
rus, wo das wort brk gegen GOTT gebraucht wird, in dem teutschen
das wort loben an die stelle gesetzt hat, so nun allein im gebrauch geblieben,
so liesse sich jenes nicht wol einführen. 4. Das härteste ist, wann es heis-
set, Christus habe das fleisch angenommen zu erlösen alle auser-
wehlte menschen,
da doch das lateinische solches nicht hat. Und weil in
dem obgedachten böhmischen auch dieses stehet: Daß du erlösest alle aus-
erwehlten
(in welchem auch darnach folget: Du wollest nun allen denen
hülffe thun, die du mit deinem blut theuer erkaufft hast: Da in dem latei-
nischen stehet, famulis tuis, dadurch die gläubige verstanden werden, hinge-
gen hie alle die, die erkaufft sind, da dann scheinet, daß auch daselbs die er-
kauffung allein auf solche gläubige gezogen werde) so meine ich nicht ohne
ursach dafür zu halten: Daß erstlich eine Böhmische version des Te De-
um laudamus
werde gemacht seyn worden unter den Hußiten, die sich
ziemlichen theils nachmal zu den Reformirten geschlagen, und auch frühe
von ihnen einiges so mit diesen übereinkommet, geheget war worden: Aus
dieser mag nun ein älterer die eine übersetzung in schlechterem teutschen ver-
sucht haben, die nachmal obgedachter Valentin Schultz in eine reinere
sprach gebracht, welche version folgends bey ihren kirchen scheint behalten
worden zu seyn. So viel weniger ist also zu zweifflen, daß wol unter
solchen worten die meinung des absolutismi stecken werde, und zwar selbs
aus der absicht der verfasser. Wie wir dann nicht eigentlich sagen können,
daß unser Heyland die auserwehlte zu erlösen gekommen seye, als welches
weniger gesagt wäre, als die wahrheit ist, in dem der nechste zweck der
menschwerdung Christi gehöret zu dem articul der erwerbung des heils, die
allgemein ist, und das heil erst auf wenige restringiret wird, durch die
verstossung der gnade, welche von den mehrern geschihet. Und ob man
ausnehmen wolte, daß gleichwol nicht dabey stehe, allein die auserwehlte,
sodann daß die schrifft auch also rede, er wird sein volck selig machen,
er läßt sein leben für die schaafe
u. s. f. welche art wir selbs also erklä-
ren, daß wir nicht lassen ein allein darzwischen setzen: So machet doch die-
ses lied und die stelle in demselben verdächtig, weil in dem lateinischen ho-
minem
stehet, so das gantze menschliche geschlecht bedeutet, da der überse-
tzer die redens-art nicht vergebens also geändert haben wird. 5. Was a-
ber die folgende stelle anlangt, ist allen auserwehlten geöffnet das
reich der himmel,
liesse sich darmit entschuldigen, weil in dem lateinischen
auch stehet credentibus, und in Lutheri version allen Christen. 6. Aus allem

aber
q 3

ARTIC. I. SECTIO XXIII.
nen auch ſo gebraucht werden, wie in dem hebreiſchen das wort ברך von
GOTT und gegen GOTT gebraucht wird. Nachdem aber unſer Luthe-
rus, wo das wort ברך gegen GOTT gebraucht wird, in dem teutſchen
das wort loben an die ſtelle geſetzt hat, ſo nun allein im gebrauch geblieben,
ſo lieſſe ſich jenes nicht wol einfuͤhren. 4. Das haͤrteſte iſt, wann es heiſ-
ſet, Chriſtus habe das fleiſch angenommen zu erloͤſen alle auser-
wehlte menſchen,
da doch das lateiniſche ſolches nicht hat. Und weil in
dem obgedachten boͤhmiſchen auch dieſes ſtehet: Daß du erloͤſeſt alle aus-
erwehlten
(in welchem auch darnach folget: Du wolleſt nun allen denen
huͤlffe thun, die du mit deinem blut theuer erkaufft haſt: Da in dem latei-
niſchen ſtehet, famulis tuis, dadurch die glaͤubige verſtanden werden, hinge-
gen hie alle die, die erkaufft ſind, da dann ſcheinet, daß auch daſelbs die er-
kauffung allein auf ſolche glaͤubige gezogen werde) ſo meine ich nicht ohne
urſach dafuͤr zu halten: Daß erſtlich eine Boͤhmiſche verſion des Te De-
um laudamus
werde gemacht ſeyn worden unter den Hußiten, die ſich
ziemlichen theils nachmal zu den Reformirten geſchlagen, und auch fruͤhe
von ihnen einiges ſo mit dieſen uͤbereinkommet, geheget war worden: Aus
dieſer mag nun ein aͤlterer die eine uͤberſetzung in ſchlechterem teutſchen ver-
ſucht haben, die nachmal obgedachter Valentin Schultz in eine reinere
ſprach gebracht, welche verſion folgends bey ihren kirchen ſcheint behalten
worden zu ſeyn. So viel weniger iſt alſo zu zweifflen, daß wol unter
ſolchen worten die meinung des abſolutismi ſtecken werde, und zwar ſelbs
aus der abſicht der verfaſſer. Wie wir dann nicht eigentlich ſagen koͤnnen,
daß unſer Heyland die auserwehlte zu erloͤſen gekommen ſeye, als welches
weniger geſagt waͤre, als die wahrheit iſt, in dem der nechſte zweck der
menſchwerdung Chriſti gehoͤret zu dem articul der erwerbung des heils, die
allgemein iſt, und das heil erſt auf wenige reſtringiret wird, durch die
verſtoſſung der gnade, welche von den mehrern geſchihet. Und ob man
ausnehmen wolte, daß gleichwol nicht dabey ſtehe, allein die auserwehlte,
ſodann daß die ſchrifft auch alſo rede, er wird ſein volck ſelig machen,
er laͤßt ſein leben fuͤr die ſchaafe
u. ſ. f. welche art wir ſelbs alſo erklaͤ-
ren, daß wir nicht laſſen ein allein darzwiſchen ſetzen: So machet doch die-
ſes lied und die ſtelle in demſelben verdaͤchtig, weil in dem lateiniſchen ho-
minem
ſtehet, ſo das gantze menſchliche geſchlecht bedeutet, da der uͤberſe-
tzer die redens-art nicht vergebens alſo geaͤndert haben wird. 5. Was a-
ber die folgende ſtelle anlangt, iſt allen auserwehlten geoͤffnet das
reich der himmel,
lieſſe ſich darmit entſchuldigen, weil in dem lateiniſchen
auch ſtehet credentibus, und in Lutheri verſion allen Chriſten. 6. Aus allem

aber
q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0137" n="125"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. I. SECTIO XXIII.</hi></hi></fw><lb/>
nen auch &#x017F;o gebraucht werden, wie in dem hebrei&#x017F;chen das wort &#x05D1;&#x05E8;&#x05DA; von<lb/>
GOTT und gegen GOTT gebraucht wird. Nachdem aber un&#x017F;er Luthe-<lb/>
rus, wo das wort &#x05D1;&#x05E8;&#x05DA; gegen GOTT gebraucht wird, in dem teut&#x017F;chen<lb/>
das wort <hi rendition="#fr">loben</hi> an die &#x017F;telle ge&#x017F;etzt hat, &#x017F;o nun allein im gebrauch geblieben,<lb/>
&#x017F;o lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich jenes nicht wol einfu&#x0364;hren. 4. Das ha&#x0364;rte&#x017F;te i&#x017F;t, wann es hei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et, <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus habe das flei&#x017F;ch angenommen zu erlo&#x0364;&#x017F;en alle auser-<lb/>
wehlte men&#x017F;chen,</hi> da doch das lateini&#x017F;che &#x017F;olches nicht hat. Und weil in<lb/>
dem obgedachten bo&#x0364;hmi&#x017F;chen auch die&#x017F;es &#x017F;tehet: <hi rendition="#fr">Daß du erlo&#x0364;&#x017F;e&#x017F;t alle aus-<lb/>
erwehlten</hi> (in welchem auch darnach folget: Du wolle&#x017F;t nun allen denen<lb/>
hu&#x0364;lffe thun, die du mit deinem blut theuer erkaufft ha&#x017F;t: Da in dem latei-<lb/>
ni&#x017F;chen &#x017F;tehet, <hi rendition="#aq">famulis tuis,</hi> dadurch die gla&#x0364;ubige ver&#x017F;tanden werden, hinge-<lb/>
gen hie alle die, die erkaufft &#x017F;ind, da dann &#x017F;cheinet, daß auch da&#x017F;elbs die er-<lb/>
kauffung allein auf &#x017F;olche gla&#x0364;ubige gezogen werde) &#x017F;o meine ich nicht ohne<lb/>
ur&#x017F;ach dafu&#x0364;r zu halten: Daß er&#x017F;tlich eine Bo&#x0364;hmi&#x017F;che <hi rendition="#aq">ver&#x017F;ion</hi> des <hi rendition="#aq">Te De-<lb/>
um laudamus</hi> werde gemacht &#x017F;eyn worden unter den Hußiten, die &#x017F;ich<lb/>
ziemlichen theils nachmal zu den Reformirten ge&#x017F;chlagen, und auch fru&#x0364;he<lb/>
von ihnen einiges &#x017F;o mit die&#x017F;en u&#x0364;bereinkommet, geheget war worden: Aus<lb/>
die&#x017F;er mag nun ein a&#x0364;lterer die eine u&#x0364;ber&#x017F;etzung in &#x017F;chlechterem teut&#x017F;chen ver-<lb/>
&#x017F;ucht haben, die nachmal obgedachter <hi rendition="#fr">Valentin Schultz</hi> in eine reinere<lb/>
&#x017F;prach gebracht, welche <hi rendition="#aq">ver&#x017F;ion</hi> folgends bey ihren kirchen &#x017F;cheint behalten<lb/>
worden zu &#x017F;eyn. So viel weniger i&#x017F;t al&#x017F;o zu zweifflen, daß wol unter<lb/>
&#x017F;olchen worten die meinung des <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olutismi</hi> &#x017F;tecken werde, und zwar &#x017F;elbs<lb/>
aus der ab&#x017F;icht der verfa&#x017F;&#x017F;er. Wie wir dann nicht eigentlich &#x017F;agen ko&#x0364;nnen,<lb/>
daß un&#x017F;er Heyland <hi rendition="#fr">die auserwehlte</hi> zu erlo&#x0364;&#x017F;en gekommen &#x017F;eye, als welches<lb/>
weniger ge&#x017F;agt wa&#x0364;re, als die wahrheit i&#x017F;t, in dem der nech&#x017F;te zweck der<lb/>
men&#x017F;chwerdung Chri&#x017F;ti geho&#x0364;ret zu dem articul der erwerbung des heils, die<lb/>
allgemein i&#x017F;t, und das heil er&#x017F;t auf wenige <hi rendition="#aq">re&#x017F;tringir</hi>et wird, durch die<lb/>
ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ung der gnade, welche von den mehrern ge&#x017F;chihet. Und ob man<lb/>
ausnehmen wolte, daß gleichwol nicht dabey &#x017F;tehe, allein die auserwehlte,<lb/>
&#x017F;odann daß die &#x017F;chrifft auch al&#x017F;o rede, <hi rendition="#fr">er wird &#x017F;ein volck &#x017F;elig machen,<lb/>
er la&#x0364;ßt &#x017F;ein leben fu&#x0364;r die &#x017F;chaafe</hi> u. &#x017F;. f. welche art wir &#x017F;elbs al&#x017F;o erkla&#x0364;-<lb/>
ren, daß wir nicht la&#x017F;&#x017F;en ein <hi rendition="#fr">allein</hi> darzwi&#x017F;chen &#x017F;etzen: So machet doch die-<lb/>
&#x017F;es lied und die &#x017F;telle in dem&#x017F;elben verda&#x0364;chtig, weil in dem lateini&#x017F;chen <hi rendition="#aq">ho-<lb/>
minem</hi> &#x017F;tehet, &#x017F;o das gantze men&#x017F;chliche ge&#x017F;chlecht bedeutet, da der u&#x0364;ber&#x017F;e-<lb/>
tzer die redens-art nicht vergebens al&#x017F;o gea&#x0364;ndert haben wird. 5. Was a-<lb/>
ber die folgende &#x017F;telle anlangt, <hi rendition="#fr">i&#x017F;t allen auserwehlten geo&#x0364;ffnet das<lb/>
reich der himmel,</hi> lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich darmit ent&#x017F;chuldigen, weil in dem lateini&#x017F;chen<lb/>
auch &#x017F;tehet <hi rendition="#aq">credentibus,</hi> und in Lutheri <hi rendition="#aq">ver&#x017F;ion</hi> allen Chri&#x017F;ten. 6. Aus allem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">q 3</fw><fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0137] ARTIC. I. SECTIO XXIII. nen auch ſo gebraucht werden, wie in dem hebreiſchen das wort ברך von GOTT und gegen GOTT gebraucht wird. Nachdem aber unſer Luthe- rus, wo das wort ברך gegen GOTT gebraucht wird, in dem teutſchen das wort loben an die ſtelle geſetzt hat, ſo nun allein im gebrauch geblieben, ſo lieſſe ſich jenes nicht wol einfuͤhren. 4. Das haͤrteſte iſt, wann es heiſ- ſet, Chriſtus habe das fleiſch angenommen zu erloͤſen alle auser- wehlte menſchen, da doch das lateiniſche ſolches nicht hat. Und weil in dem obgedachten boͤhmiſchen auch dieſes ſtehet: Daß du erloͤſeſt alle aus- erwehlten (in welchem auch darnach folget: Du wolleſt nun allen denen huͤlffe thun, die du mit deinem blut theuer erkaufft haſt: Da in dem latei- niſchen ſtehet, famulis tuis, dadurch die glaͤubige verſtanden werden, hinge- gen hie alle die, die erkaufft ſind, da dann ſcheinet, daß auch daſelbs die er- kauffung allein auf ſolche glaͤubige gezogen werde) ſo meine ich nicht ohne urſach dafuͤr zu halten: Daß erſtlich eine Boͤhmiſche verſion des Te De- um laudamus werde gemacht ſeyn worden unter den Hußiten, die ſich ziemlichen theils nachmal zu den Reformirten geſchlagen, und auch fruͤhe von ihnen einiges ſo mit dieſen uͤbereinkommet, geheget war worden: Aus dieſer mag nun ein aͤlterer die eine uͤberſetzung in ſchlechterem teutſchen ver- ſucht haben, die nachmal obgedachter Valentin Schultz in eine reinere ſprach gebracht, welche verſion folgends bey ihren kirchen ſcheint behalten worden zu ſeyn. So viel weniger iſt alſo zu zweifflen, daß wol unter ſolchen worten die meinung des abſolutismi ſtecken werde, und zwar ſelbs aus der abſicht der verfaſſer. Wie wir dann nicht eigentlich ſagen koͤnnen, daß unſer Heyland die auserwehlte zu erloͤſen gekommen ſeye, als welches weniger geſagt waͤre, als die wahrheit iſt, in dem der nechſte zweck der menſchwerdung Chriſti gehoͤret zu dem articul der erwerbung des heils, die allgemein iſt, und das heil erſt auf wenige reſtringiret wird, durch die verſtoſſung der gnade, welche von den mehrern geſchihet. Und ob man ausnehmen wolte, daß gleichwol nicht dabey ſtehe, allein die auserwehlte, ſodann daß die ſchrifft auch alſo rede, er wird ſein volck ſelig machen, er laͤßt ſein leben fuͤr die ſchaafe u. ſ. f. welche art wir ſelbs alſo erklaͤ- ren, daß wir nicht laſſen ein allein darzwiſchen ſetzen: So machet doch die- ſes lied und die ſtelle in demſelben verdaͤchtig, weil in dem lateiniſchen ho- minem ſtehet, ſo das gantze menſchliche geſchlecht bedeutet, da der uͤberſe- tzer die redens-art nicht vergebens alſo geaͤndert haben wird. 5. Was a- ber die folgende ſtelle anlangt, iſt allen auserwehlten geoͤffnet das reich der himmel, lieſſe ſich darmit entſchuldigen, weil in dem lateiniſchen auch ſtehet credentibus, und in Lutheri verſion allen Chriſten. 6. Aus allem aber q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/137
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/137>, abgerufen am 04.05.2024.