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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
mögen/ nachdem in dieser zeit des gerichts/ und bey gegenwärtiger befchaffen-
heit/ sonderlich der beyden obern stände/ annoch nicht zu hoffen ist/ daß durch of-
fentliche anstalten eine allgemeine besserung zu werck gerichtet werde. Hin-
gegen lasset uns neben dem fleiß/ den so wohl ein jeglicher an erhaltung seiner
eigenen seele und rettung einiger seiner brüder/ so viel ihm der HErr gnade
und gelegenheit giebet/ anzuwenden hat/ und in solchen nicht müde werden muß/
tag und nacht den himmlischen Vater mit imbrünstigen seuffzen anruffen/ daß
er sich doch selbsten seiner sache annehmen/ das elend so vieler tausend seelen/
die aus eigner schuld und anderer versäumnüß verlohren gehen/ zuhertzen neh-
men/ die hindernüssen des guten auf ihm bekante weise wegräumen/ und hinge-
gen seiner Propheten verheissungen/ daß es an dem abend liecht werden solle/
samt so vielen andern/ dermahleins erfüllen/ also sein reich mit gewalt endlich
gegen dasjenige/ was sich biß daher demselben widersetzet hat/ durchbrechen las-
sen wolle; Wo wir hiemit treulich unausgesetzt anhalten/ so muß gewiß auch
erfüllet werden was der HErr meldet Luc. 18, 7. 8. Solte GOtt nicht ret-
ten seine auserwehlte/ die zu ihm tag und nacht ruffen/ und solte gedult
darüber haben? Jch sage euch/ er wird sie erretten in einer kürtze.
Und zwar
etwa mit solcher geschwindigkeit/ daß wann er kommen und erscheinen wird mit
seiner hülffe/ er nicht glauben bey dem seinigen finden wird/ sondern sie we-
gen ihrer angst die schon vor augenstehende hülffe eine weile nicht glauben wer-
den. Nechst dem gebeth lasset uns an solcher hoffnung fest halten/ und uns
darmit gegen alle trübsalen und kummer/ die uns betrifft/ wapnen/ als versi-
chert/ daß kein wörtlein von dem/ was der HErr je seinen kindern verheissen
hat/ auf die erde fallen/ sondern alles warhafftig in zeit und ewigkeit erfüllet
werden solle und müsse. Nun der HErr gebe uns hierzu den geist der gna-
den und des gebeths/ damit unsere seuffzer für ihm tügen/ den geist der weiß-
heit/ daß wir verstehen/ wie wir uns in diese böse zeiten schicken sollen/ und was
in allen stücken zu thun seye/ als lange wir noch unter diesen unschlachtigen und
verkehrten geschlecht leben sollen/ den geist der krafft und gedult/ zu thun was
ihm gefällig ist/ und auszustehen/ woran er an uns gepriesen werden will/ den
geist des glaubens und der hoffnung/ mit jenem unser heil zu ergreiffen/ und
zubehalten/ mit dieser seiner verheissung zu erwarten/ endlich den geist des glau-
bens und der liebe/ darmit wir alles überwünden. Nun/ er wirds thun/ wa-
rum ihn seine kinder bitten! 30. May 1692.

SECTIO

Das ſechſte Capitel.
moͤgen/ nachdem in dieſer zeit des gerichts/ und bey gegenwaͤrtiger befchaffen-
heit/ ſonderlich der beyden obern ſtaͤnde/ annoch nicht zu hoffen iſt/ daß durch of-
fentliche anſtalten eine allgemeine beſſerung zu werck gerichtet werde. Hin-
gegen laſſet uns neben dem fleiß/ den ſo wohl ein jeglicher an erhaltung ſeiner
eigenen ſeele und rettung einiger ſeiner bruͤder/ ſo viel ihm der HErr gnade
und gelegenheit giebet/ anzuwenden hat/ und in ſolchen nicht muͤde werden muß/
tag und nacht den himmliſchen Vater mit imbruͤnſtigen ſeuffzen anruffen/ daß
er ſich doch ſelbſten ſeiner ſache annehmen/ das elend ſo vieler tauſend ſeelen/
die aus eigner ſchuld und anderer verſaͤumnuͤß verlohren gehen/ zuhertzen neh-
men/ die hindernuͤſſen des guten auf ihm bekante weiſe wegraͤumen/ und hinge-
gen ſeiner Propheten verheiſſungen/ daß es an dem abend liecht werden ſolle/
ſamt ſo vielen andern/ dermahleins erfuͤllen/ alſo ſein reich mit gewalt endlich
gegen dasjenige/ was ſich biß daher demſelben widerſetzet hat/ durchbrechen laſ-
ſen wolle; Wo wir hiemit treulich unausgeſetzt anhalten/ ſo muß gewiß auch
erfuͤllet werden was der HErr meldet Luc. 18, 7. 8. Solte GOtt nicht ret-
ten ſeine auſerwehlte/ die zu ihm tag und nacht ruffen/ und ſolte gedult
daruͤber haben? Jch ſage euch/ er wird ſie erretten in einer kuͤrtze.
Und zwar
etwa mit ſolcher geſchwindigkeit/ daß wann er kommen und erſcheinen wird mit
ſeiner huͤlffe/ er nicht glauben bey dem ſeinigen finden wird/ ſondern ſie we-
gen ihrer angſt die ſchon vor augenſtehende huͤlffe eine weile nicht glauben wer-
den. Nechſt dem gebeth laſſet uns an ſolcher hoffnung feſt halten/ und uns
darmit gegen alle truͤbſalen und kummer/ die uns betrifft/ wapnen/ als verſi-
chert/ daß kein woͤrtlein von dem/ was der HErr je ſeinen kindern verheiſſen
hat/ auf die erde fallen/ ſondern alles warhafftig in zeit und ewigkeit erfuͤllet
werden ſolle und muͤſſe. Nun der HErr gebe uns hierzu den geiſt der gna-
den und des gebeths/ damit unſere ſeuffzer fuͤr ihm tuͤgen/ den geiſt der weiß-
heit/ daß wir verſtehen/ wie wir uns in dieſe boͤſe zeiten ſchicken ſollen/ und was
in allen ſtuͤcken zu thun ſeye/ als lange wir noch unter dieſen unſchlachtigen und
verkehrten geſchlecht leben ſollen/ den geiſt der krafft und gedult/ zu thun was
ihm gefaͤllig iſt/ und auszuſtehen/ woran er an uns geprieſen werden will/ den
geiſt des glaubens und der hoffnung/ mit jenem unſer heil zu ergreiffen/ und
zubehalten/ mit dieſer ſeiner verheiſſung zu erwarten/ endlich den geiſt des glau-
bens und der liebe/ darmit wir alles uͤberwuͤnden. Nun/ er wirds thun/ wa-
rum ihn ſeine kinder bitten! 30. May 1692.

SECTIO
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[928/0946] Das ſechſte Capitel. moͤgen/ nachdem in dieſer zeit des gerichts/ und bey gegenwaͤrtiger befchaffen- heit/ ſonderlich der beyden obern ſtaͤnde/ annoch nicht zu hoffen iſt/ daß durch of- fentliche anſtalten eine allgemeine beſſerung zu werck gerichtet werde. Hin- gegen laſſet uns neben dem fleiß/ den ſo wohl ein jeglicher an erhaltung ſeiner eigenen ſeele und rettung einiger ſeiner bruͤder/ ſo viel ihm der HErr gnade und gelegenheit giebet/ anzuwenden hat/ und in ſolchen nicht muͤde werden muß/ tag und nacht den himmliſchen Vater mit imbruͤnſtigen ſeuffzen anruffen/ daß er ſich doch ſelbſten ſeiner ſache annehmen/ das elend ſo vieler tauſend ſeelen/ die aus eigner ſchuld und anderer verſaͤumnuͤß verlohren gehen/ zuhertzen neh- men/ die hindernuͤſſen des guten auf ihm bekante weiſe wegraͤumen/ und hinge- gen ſeiner Propheten verheiſſungen/ daß es an dem abend liecht werden ſolle/ ſamt ſo vielen andern/ dermahleins erfuͤllen/ alſo ſein reich mit gewalt endlich gegen dasjenige/ was ſich biß daher demſelben widerſetzet hat/ durchbrechen laſ- ſen wolle; Wo wir hiemit treulich unausgeſetzt anhalten/ ſo muß gewiß auch erfuͤllet werden was der HErr meldet Luc. 18, 7. 8. Solte GOtt nicht ret- ten ſeine auſerwehlte/ die zu ihm tag und nacht ruffen/ und ſolte gedult daruͤber haben? Jch ſage euch/ er wird ſie erretten in einer kuͤrtze. Und zwar etwa mit ſolcher geſchwindigkeit/ daß wann er kommen und erſcheinen wird mit ſeiner huͤlffe/ er nicht glauben bey dem ſeinigen finden wird/ ſondern ſie we- gen ihrer angſt die ſchon vor augenſtehende huͤlffe eine weile nicht glauben wer- den. Nechſt dem gebeth laſſet uns an ſolcher hoffnung feſt halten/ und uns darmit gegen alle truͤbſalen und kummer/ die uns betrifft/ wapnen/ als verſi- chert/ daß kein woͤrtlein von dem/ was der HErr je ſeinen kindern verheiſſen hat/ auf die erde fallen/ ſondern alles warhafftig in zeit und ewigkeit erfuͤllet werden ſolle und muͤſſe. Nun der HErr gebe uns hierzu den geiſt der gna- den und des gebeths/ damit unſere ſeuffzer fuͤr ihm tuͤgen/ den geiſt der weiß- heit/ daß wir verſtehen/ wie wir uns in dieſe boͤſe zeiten ſchicken ſollen/ und was in allen ſtuͤcken zu thun ſeye/ als lange wir noch unter dieſen unſchlachtigen und verkehrten geſchlecht leben ſollen/ den geiſt der krafft und gedult/ zu thun was ihm gefaͤllig iſt/ und auszuſtehen/ woran er an uns geprieſen werden will/ den geiſt des glaubens und der hoffnung/ mit jenem unſer heil zu ergreiffen/ und zubehalten/ mit dieſer ſeiner verheiſſung zu erwarten/ endlich den geiſt des glau- bens und der liebe/ darmit wir alles uͤberwuͤnden. Nun/ er wirds thun/ wa- rum ihn ſeine kinder bitten! 30. May 1692. SECTIO

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 928. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/946>, abgerufen am 21.11.2024.