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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
zeit beten sollen/ so wird auch dieses äusserst nöthig seyen/ sich zugewöhnen/ ausser
der gewöhnlichen betzeit/ zum öfftern des tages unter allen andern geschäfften das
hertz zu GOtt mit einem blick oder seufftzen zuerheben/ und mit wenig worten/ oder
gar ohne wort/ seine gnade und beystand zu erbitten. Wie diese stück/ die betrach-
tung göttlichen worts und das gebet/ zu dem jenigen pflichten gehöre/ welche unmit-
telbar dem allerhöchsten Gott E. Churpr. Durchl. schuldig sind/ und alle tage gewisse
zeit/ vornehmlich aber der liebe Sontag (dessen eyffrige und völlige heiligung nicht
nur durch den offentlichen sondern eben so wol besondern GOttes dienst billich mit
äusserster angelegenheit recommendire, hingegen wo solche in acht genommen
werden wird/ unendlichen segen in geistlichem/ ja auch gewisser maaß leiblichen/ von
dem grossen GOTT davor zu zusagen getraue) dazu gewidmet werden müssen/
so wird E. Churpr. Durchl. nicht weniger sich angelegen seyn lassen

3. Die früchten des göttlichen worts und dessen wirckung in allen stücken
bey sich zu zeigen. Da hat sie mit allen andern hohen in der welt gewiß zuglauben
und sich vorzustellen/ je auff eine höhere stuffe in der zeit sie der Allerhöchste gesetzet
hat/ so viel näher habe er sie ihm selbs gemacht/ hingegen sehe er auch so viel genau-
er vor andern menschen auff alles ihr thun und lassen/ ja er fordere von ihnen nichts
weniger als von gemeinen leuten/ nach dem sie ihm vor mehrere empfangene wohl-
thaten auch vor andern mehr zum gehorsam verbunden seyen: da seye also keine ei-
nige lebens-pflicht von Gottesfurcht/ andacht/ demuth/ zufriedenheit in allem/
gedult/ sanfftmuth/ nüchterkeit/ keuschheit/ warheit/ fleiß/ und wie sie alle heissen
mögen/ welche die grösseste in der welt nicht mit gleicher verbindlichkeit angehe/ wie
sie von den geringern erfordert werden; weswegen sie ihr stand in nichts von sol-
cher schuldigkeit befreye/ sondern diese vielmehr nachschärffe: sonderlich nach dem
gresser Herren gantzes leben nach allen seinen stücken jederman in die augen leuchtet/
und weder gutes noch böses an denselben verborgen seyen kan/ daher ihr gutes exem-
pel alsdann so viel mehrere zu treuer und löblicher nachfolge treibet/ hingegen jede
begehende sünde so viel schwerer ärgernüß und schaden bringet/ deswegen aber von
GOtt so viel hefftiger gestraffet wird. Sie tragen das göttliche bild an sich/ da
ihnen der grosse GOTT einen theil seiner gewalt und ehre anvertrauet hat/ daher
aber auch fordert/ daß sie dasselbe auch also ziehren/ sein bild in allen Christ- und
Fürstlichen tugenden an sich mehr und mehr leuchtende zu bekommen: Dann wo
dieses nicht geschiehet/ sondern grosse Herrn den sünden freventlich dienen/ schän-
den sie zu schwerster verantwortung solches bilde an sich selbsten/ und verunehren
GOTT/ der es nicht ungerochen lässet. Hingegen ist es das ziehmlichste/ daß der
jenige/ so in einem lande der vornehmste an stand und würde ist/ auch der vornehm-
ste an wahren tugenden seye.

Hierzu gehöret 4. auch diese betrachtung/ daß der von Gott verordneter

Für-

Das ſechſte Capitel.
zeit beten ſollen/ ſo wird auch dieſes aͤuſſerſt noͤthig ſeyen/ ſich zugewoͤhnen/ auſſer
der gewoͤhnlichen betzeit/ zum oͤfftern des tages unter allen andern geſchaͤfften das
hertz zu GOtt mit einem blick oder ſeufftzen zuerheben/ und mit wenig worten/ oder
gar ohne wort/ ſeine gnade und beyſtand zu erbitten. Wie dieſe ſtuͤck/ die betrach-
tung goͤttlichen worts und das gebet/ zu dem jenigen pflichten gehoͤre/ welche unmit-
telbar dem allerhoͤchſten Gott E. Churpr. Durchl. ſchuldig ſind/ und alle tage gewiſſe
zeit/ vornehmlich aber der liebe Sontag (deſſen eyffrige und voͤllige heiligung nicht
nur durch den offentlichen ſondern eben ſo wol beſondern GOttes dienſt billich mit
aͤuſſerſter angelegenheit recommendire, hingegen wo ſolche in acht genommen
werden wird/ unendlichen ſegen in geiſtlichem/ ja auch gewiſſer maaß leiblichen/ von
dem groſſen GOTT davor zu zuſagen getraue) dazu gewidmet werden muͤſſen/
ſo wird E. Churpr. Durchl. nicht weniger ſich angelegen ſeyn laſſen

3. Die fruͤchten des goͤttlichen worts und deſſen wirckung in allen ſtuͤcken
bey ſich zu zeigen. Da hat ſie mit allen andern hohen in der welt gewiß zuglauben
und ſich vorzuſtellen/ je auff eine hoͤhere ſtuffe in der zeit ſie der Allerhoͤchſte geſetzet
hat/ ſo viel naͤher habe er ſie ihm ſelbs gemacht/ hingegen ſehe er auch ſo viel genau-
er vor andern menſchen auff alles ihr thun und laſſen/ ja er fordere von ihnen nichts
weniger als von gemeinen leuten/ nach dem ſie ihm vor mehrere empfangene wohl-
thaten auch vor andern mehr zum gehorſam verbunden ſeyen: da ſeye alſo keine ei-
nige lebens-pflicht von Gottesfurcht/ andacht/ demuth/ zufriedenheit in allem/
gedult/ ſanfftmuth/ nuͤchterkeit/ keuſchheit/ warheit/ fleiß/ und wie ſie alle heiſſen
moͤgen/ welche die groͤſſeſte in der welt nicht mit gleicher verbindlichkeit angehe/ wie
ſie von den geringern erfordert werden; weswegen ſie ihr ſtand in nichts von ſol-
cher ſchuldigkeit befreye/ ſondern dieſe vielmehr nachſchaͤrffe: ſonderlich nach dem
greſſer Herren gantzes leben nach allen ſeinen ſtuͤcken jederman in die augen leuchtet/
und weder gutes noch boͤſes an denſelben verborgen ſeyen kan/ daher ihr gutes exem-
pel alsdann ſo viel mehrere zu treuer und loͤblicher nachfolge treibet/ hingegen jede
begehende ſuͤnde ſo viel ſchwerer aͤrgernuͤß und ſchaden bringet/ deswegen aber von
GOtt ſo viel hefftiger geſtraffet wird. Sie tragen das goͤttliche bild an ſich/ da
ihnen der groſſe GOTT einen theil ſeiner gewalt und ehre anvertrauet hat/ daher
aber auch fordert/ daß ſie daſſelbe auch alſo ziehren/ ſein bild in allen Chriſt- und
Fuͤrſtlichen tugenden an ſich mehr und mehr leuchtende zu bekommen: Dann wo
dieſes nicht geſchiehet/ ſondern groſſe Herrn den ſuͤnden freventlich dienen/ ſchaͤn-
den ſie zu ſchwerſter verantwortung ſolches bilde an ſich ſelbſten/ und verunehren
GOTT/ der es nicht ungerochen laͤſſet. Hingegen iſt es das ziehmlichſte/ daß der
jenige/ ſo in einem lande der vornehmſte an ſtand und wuͤrde iſt/ auch der vornehm-
ſte an wahren tugenden ſeye.

Hierzu gehoͤret 4. auch dieſe betrachtung/ daß der von Gott verordneter

Fuͤr-
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[860/0878] Das ſechſte Capitel. zeit beten ſollen/ ſo wird auch dieſes aͤuſſerſt noͤthig ſeyen/ ſich zugewoͤhnen/ auſſer der gewoͤhnlichen betzeit/ zum oͤfftern des tages unter allen andern geſchaͤfften das hertz zu GOtt mit einem blick oder ſeufftzen zuerheben/ und mit wenig worten/ oder gar ohne wort/ ſeine gnade und beyſtand zu erbitten. Wie dieſe ſtuͤck/ die betrach- tung goͤttlichen worts und das gebet/ zu dem jenigen pflichten gehoͤre/ welche unmit- telbar dem allerhoͤchſten Gott E. Churpr. Durchl. ſchuldig ſind/ und alle tage gewiſſe zeit/ vornehmlich aber der liebe Sontag (deſſen eyffrige und voͤllige heiligung nicht nur durch den offentlichen ſondern eben ſo wol beſondern GOttes dienſt billich mit aͤuſſerſter angelegenheit recommendire, hingegen wo ſolche in acht genommen werden wird/ unendlichen ſegen in geiſtlichem/ ja auch gewiſſer maaß leiblichen/ von dem groſſen GOTT davor zu zuſagen getraue) dazu gewidmet werden muͤſſen/ ſo wird E. Churpr. Durchl. nicht weniger ſich angelegen ſeyn laſſen 3. Die fruͤchten des goͤttlichen worts und deſſen wirckung in allen ſtuͤcken bey ſich zu zeigen. Da hat ſie mit allen andern hohen in der welt gewiß zuglauben und ſich vorzuſtellen/ je auff eine hoͤhere ſtuffe in der zeit ſie der Allerhoͤchſte geſetzet hat/ ſo viel naͤher habe er ſie ihm ſelbs gemacht/ hingegen ſehe er auch ſo viel genau- er vor andern menſchen auff alles ihr thun und laſſen/ ja er fordere von ihnen nichts weniger als von gemeinen leuten/ nach dem ſie ihm vor mehrere empfangene wohl- thaten auch vor andern mehr zum gehorſam verbunden ſeyen: da ſeye alſo keine ei- nige lebens-pflicht von Gottesfurcht/ andacht/ demuth/ zufriedenheit in allem/ gedult/ ſanfftmuth/ nuͤchterkeit/ keuſchheit/ warheit/ fleiß/ und wie ſie alle heiſſen moͤgen/ welche die groͤſſeſte in der welt nicht mit gleicher verbindlichkeit angehe/ wie ſie von den geringern erfordert werden; weswegen ſie ihr ſtand in nichts von ſol- cher ſchuldigkeit befreye/ ſondern dieſe vielmehr nachſchaͤrffe: ſonderlich nach dem greſſer Herren gantzes leben nach allen ſeinen ſtuͤcken jederman in die augen leuchtet/ und weder gutes noch boͤſes an denſelben verborgen ſeyen kan/ daher ihr gutes exem- pel alsdann ſo viel mehrere zu treuer und loͤblicher nachfolge treibet/ hingegen jede begehende ſuͤnde ſo viel ſchwerer aͤrgernuͤß und ſchaden bringet/ deswegen aber von GOtt ſo viel hefftiger geſtraffet wird. Sie tragen das goͤttliche bild an ſich/ da ihnen der groſſe GOTT einen theil ſeiner gewalt und ehre anvertrauet hat/ daher aber auch fordert/ daß ſie daſſelbe auch alſo ziehren/ ſein bild in allen Chriſt- und Fuͤrſtlichen tugenden an ſich mehr und mehr leuchtende zu bekommen: Dann wo dieſes nicht geſchiehet/ ſondern groſſe Herrn den ſuͤnden freventlich dienen/ ſchaͤn- den ſie zu ſchwerſter verantwortung ſolches bilde an ſich ſelbſten/ und verunehren GOTT/ der es nicht ungerochen laͤſſet. Hingegen iſt es das ziehmlichſte/ daß der jenige/ ſo in einem lande der vornehmſte an ſtand und wuͤrde iſt/ auch der vornehm- ſte an wahren tugenden ſeye. Hierzu gehoͤret 4. auch dieſe betrachtung/ daß der von Gott verordneter Fuͤr-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/878>, abgerufen am 23.11.2024.