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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
einige mißheligkeit sollten entstanden seyn/ wie das schreiben fast lauten wollen/ so
ich aber nicht hoffen will. Dann da solche pflicht eines hertzlichen gehorsams be-
reits aus der verbindung der natur kommet/ so haben diejenige/ welche von gantzem
hertzen sich Christen bezeugen wollen/ desto weniger einiges an sich sehen zu
lassen/ welches nur scheinen möchte/ sothaner ehrerbietung entgegen seyen/ aus
aus genommen des einigen falls/ wo uns die eltern wider das gewissen etwas zu-
mutheten/ da dann der himmlische Vater den vorzug behält. Jn übrigen wie ich
hoffe/ daß eben dessen väterliche güte denselben mit einer solchen ehegattin begabt
werde haben/ welche wie in der haußhaltung also auch in der übung des Christen-
thums eine gehülffin seye: also ruffe auch solchen geber einer solchen theuern gabe
hertzlich an/ daß er sie nicht nur in diesen leiblichen leben lange bey guter gesundheit
bey sammen lassen/ sondern vornehmlich den jenigen segen zu ihrer ehe verleihen wol-
le/ daß sie diese vor seinem angesicht gottseelig und Christlich führen/ daß ihnen die-
selbe eine tägliche gelegenheit sich an und mit einander zu erbauen/ eine auffmunte-
rung zur andacht und eine vorbildung der geistlichen vermählung Christi mit de[n]
seelen werde. Er erfülle sie mit weißheit und seines H. Geistes gaben/ daß sie mit
einander eine feine haußkirche anstellen/ ihr haußgesinde göttlig regiren/ und da sie
der HErr mit leibesfrucht segenen wird/ solche ihm/ mit aufferziehung nicht nach
eigenern noch der welt wohlgefallen/ sondern nach seiner regek/ auffopffern mögen;
er lasse ihre hertzliche liebe unter einander ihnen seyn eine stätig[e] erneuerung der gött-
lichen liebe/ eine ursach stündlichen dancks/ eine versüssung der übrigen dieses lebens
verdrießlichkeiten/ ein gesegnetes tugend-exempel anderer und an die ihrige selbst/ eine
erleichterung der sonsten einem allein all zu schwer fallender last. Er segne auch
ihre in seiner forcht führende haußhaltung in dem leiblichen also/ daß sie von seinem
segen leben/ und allezeit überiges haben/ daß sie zu seinen ehren und liebes wercken
anwenden. Er erleichtere ihnen alles creutz/ welches sie in solchem ihren stand be-
treffen mag/ mit seinen trost/ kräfftig in ihnen: biß er sie seines segens in diesem le-
ben satt zu der hochzeit des lams beruffe/ und in die seelige ewigkeit versetze. Der
HErr Herr erfülle diesen in seinen namen thuenden wunsch von seinem hohen
himmels thron: wie ich auch noch ferner nicht unterlassen werde/ vor sie zu ihme
hertzlich zu seuffzen: Was die vorgehabte reise hieher belanget/ wollen wir des
himmlischen Vaters willen gerne erkennen/ welcher dieselbige selbst gehindert hat.
Es würde mein herr etwa weniges hie zu seiner erbauung angetroffen haben/ wel-
ches er nicht eben so wohl an ihrem ort und sonderlich in fleißiger behandelung der
H. Schrifft ohne solche kosten haben kan: Der HERR ist aller orten nahe de-
nen jenigen/ welche ihn suchen/ und ist sein wort nirgend ohne krafft/ wo wir ihm nur
platz bey uns lassen. Meine gedancken von dem gegenwärtigen zustand unserer
zeit/ und was etwa nechstens uns vorstehen möchte/ belangend: so kan ich nicht an-
ders/ als daß euserste verderben unserer Evangelischen kirchen bejammern/ in dero

inwen-

Das ſechſte Capitel.
einige mißheligkeit ſollten entſtanden ſeyn/ wie das ſchreiben faſt lauten wollen/ ſo
ich aber nicht hoffen will. Dann da ſolche pflicht eines hertzlichen gehorſams be-
reits aus der verbindung der natur kommet/ ſo haben diejenige/ welche von gantzem
hertzen ſich Chriſten bezeugen wollen/ deſto weniger einiges an ſich ſehen zu
laſſen/ welches nur ſcheinen moͤchte/ ſothaner ehrerbietung entgegen ſeyen/ aus
aus genommen des einigen falls/ wo uns die eltern wider das gewiſſen etwas zu-
mutheten/ da dann der himmliſche Vater den vorzug behaͤlt. Jn uͤbrigen wie ich
hoffe/ daß eben deſſen vaͤterliche guͤte denſelben mit einer ſolchen ehegattin begabt
werde haben/ welche wie in der haußhaltung alſo auch in der uͤbung des Chriſten-
thums eine gehuͤlffin ſeye: alſo ruffe auch ſolchen geber einer ſolchen theuern gabe
hertzlich an/ daß er ſie nicht nur in dieſen leiblichen leben lange bey guter geſundheit
bey ſammen laſſen/ ſondern vornehmlich den jenigen ſegen zu ihrer ehe verleihen wol-
le/ daß ſie dieſe vor ſeinem angeſicht gottſeelig und Chriſtlich fuͤhren/ daß ihnen die-
ſelbe eine taͤgliche gelegenheit ſich an und mit einander zu erbauen/ eine auffmunte-
rung zur andacht und eine vorbildung der geiſtlichen vermaͤhlung Chriſti mit de[n]
ſeelen werde. Er erfuͤlle ſie mit weißheit und ſeines H. Geiſtes gaben/ daß ſie mit
einander eine feine haußkirche anſtellen/ ihr haußgeſinde goͤttlig regiren/ und da ſie
der HErr mit leibesfrucht ſegenen wird/ ſolche ihm/ mit aufferziehung nicht nach
eigenern noch der welt wohlgefallen/ ſondern nach ſeiner regek/ auffopffern moͤgen;
er laſſe ihre hertzliche liebe unter einander ihnen ſeyn eine ſtaͤtig[e] erneuerung der goͤtt-
lichen liebe/ eine urſach ſtuͤndlichen dancks/ eine verſuͤſſung der uͤbrigen dieſes lebens
verdrießlichkeiten/ ein geſegnetes tugend-exempel anderer und an die ihrige ſelbſt/ eine
erleichterung der ſonſten einem allein all zu ſchwer fallender laſt. Er ſegne auch
ihre in ſeiner forcht fuͤhrende haußhaltung in dem leiblichen alſo/ daß ſie von ſeinem
ſegen leben/ und allezeit uͤberiges haben/ daß ſie zu ſeinen ehren und liebes wercken
anwenden. Er erleichtere ihnen alles creutz/ welches ſie in ſolchem ihren ſtand be-
treffen mag/ mit ſeinen troſt/ kraͤfftig in ihnen: biß er ſie ſeines ſegens in dieſem le-
ben ſatt zu der hochzeit des lams beruffe/ und in die ſeelige ewigkeit verſetze. Der
HErr Herr erfuͤlle dieſen in ſeinen namen thuenden wunſch von ſeinem hohen
himmels thron: wie ich auch noch ferner nicht unterlaſſen werde/ vor ſie zu ihme
hertzlich zu ſeuffzen: Was die vorgehabte reiſe hieher belanget/ wollen wir des
himmliſchen Vaters willen gerne erkennen/ welcher dieſelbige ſelbſt gehindert hat.
Es wuͤrde mein herr etwa weniges hie zu ſeiner erbauung angetroffen haben/ wel-
ches er nicht eben ſo wohl an ihrem ort und ſonderlich in fleißiger behandelung der
H. Schrifft ohne ſolche koſten haben kan: Der HERR iſt aller orten nahe de-
nen jenigen/ welche ihn ſuchen/ und iſt ſein wort nirgend ohne krafft/ wo wir ihm nur
platz bey uns laſſen. Meine gedancken von dem gegenwaͤrtigen zuſtand unſerer
zeit/ und was etwa nechſtens uns vorſtehen moͤchte/ belangend: ſo kan ich nicht an-
ders/ als daß euſerſte verderben unſerer Evangeliſchen kirchen bejammern/ in dero

inwen-
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[578/0596] Das ſechſte Capitel. einige mißheligkeit ſollten entſtanden ſeyn/ wie das ſchreiben faſt lauten wollen/ ſo ich aber nicht hoffen will. Dann da ſolche pflicht eines hertzlichen gehorſams be- reits aus der verbindung der natur kommet/ ſo haben diejenige/ welche von gantzem hertzen ſich Chriſten bezeugen wollen/ deſto weniger einiges an ſich ſehen zu laſſen/ welches nur ſcheinen moͤchte/ ſothaner ehrerbietung entgegen ſeyen/ aus aus genommen des einigen falls/ wo uns die eltern wider das gewiſſen etwas zu- mutheten/ da dann der himmliſche Vater den vorzug behaͤlt. Jn uͤbrigen wie ich hoffe/ daß eben deſſen vaͤterliche guͤte denſelben mit einer ſolchen ehegattin begabt werde haben/ welche wie in der haußhaltung alſo auch in der uͤbung des Chriſten- thums eine gehuͤlffin ſeye: alſo ruffe auch ſolchen geber einer ſolchen theuern gabe hertzlich an/ daß er ſie nicht nur in dieſen leiblichen leben lange bey guter geſundheit bey ſammen laſſen/ ſondern vornehmlich den jenigen ſegen zu ihrer ehe verleihen wol- le/ daß ſie dieſe vor ſeinem angeſicht gottſeelig und Chriſtlich fuͤhren/ daß ihnen die- ſelbe eine taͤgliche gelegenheit ſich an und mit einander zu erbauen/ eine auffmunte- rung zur andacht und eine vorbildung der geiſtlichen vermaͤhlung Chriſti mit den ſeelen werde. Er erfuͤlle ſie mit weißheit und ſeines H. Geiſtes gaben/ daß ſie mit einander eine feine haußkirche anſtellen/ ihr haußgeſinde goͤttlig regiren/ und da ſie der HErr mit leibesfrucht ſegenen wird/ ſolche ihm/ mit aufferziehung nicht nach eigenern noch der welt wohlgefallen/ ſondern nach ſeiner regek/ auffopffern moͤgen; er laſſe ihre hertzliche liebe unter einander ihnen ſeyn eine ſtaͤtige erneuerung der goͤtt- lichen liebe/ eine urſach ſtuͤndlichen dancks/ eine verſuͤſſung der uͤbrigen dieſes lebens verdrießlichkeiten/ ein geſegnetes tugend-exempel anderer und an die ihrige ſelbſt/ eine erleichterung der ſonſten einem allein all zu ſchwer fallender laſt. Er ſegne auch ihre in ſeiner forcht fuͤhrende haußhaltung in dem leiblichen alſo/ daß ſie von ſeinem ſegen leben/ und allezeit uͤberiges haben/ daß ſie zu ſeinen ehren und liebes wercken anwenden. Er erleichtere ihnen alles creutz/ welches ſie in ſolchem ihren ſtand be- treffen mag/ mit ſeinen troſt/ kraͤfftig in ihnen: biß er ſie ſeines ſegens in dieſem le- ben ſatt zu der hochzeit des lams beruffe/ und in die ſeelige ewigkeit verſetze. Der HErr Herr erfuͤlle dieſen in ſeinen namen thuenden wunſch von ſeinem hohen himmels thron: wie ich auch noch ferner nicht unterlaſſen werde/ vor ſie zu ihme hertzlich zu ſeuffzen: Was die vorgehabte reiſe hieher belanget/ wollen wir des himmliſchen Vaters willen gerne erkennen/ welcher dieſelbige ſelbſt gehindert hat. Es wuͤrde mein herr etwa weniges hie zu ſeiner erbauung angetroffen haben/ wel- ches er nicht eben ſo wohl an ihrem ort und ſonderlich in fleißiger behandelung der H. Schrifft ohne ſolche koſten haben kan: Der HERR iſt aller orten nahe de- nen jenigen/ welche ihn ſuchen/ und iſt ſein wort nirgend ohne krafft/ wo wir ihm nur platz bey uns laſſen. Meine gedancken von dem gegenwaͤrtigen zuſtand unſerer zeit/ und was etwa nechſtens uns vorſtehen moͤchte/ belangend: ſo kan ich nicht an- ders/ als daß euſerſte verderben unſerer Evangeliſchen kirchen bejammern/ in dero inwen-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/596>, abgerufen am 22.11.2024.