Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. angehöret wird/ ist eine vielleicht gewissere wahrheit als viele gedencken/ und in dieharre sich wird zurück halten lassen. Ach daß der HErr uns mehr und mehr heilige in der wahrheit/ sein wort ist ja die wahrheit/ daß wir nichts aus denselben aus- mustern/ welches durch menschliche autorität etwa lang verdächtig ist gemacht worden/ noch auch unsere eigene einbildung in dasselbige mischen. Neulich ist in einer disputat. inaugural. zu Giessen de Chiliasmo fast alle hoffnung der künffti- gen besseren zeit dem verworffenen Chiliasmo zugesellet worden. Von Coc- cejo werden alle unpartheyische bekennen müssen/ daß er eine ungemeine gabe ge- habt habe/ in vielen stücken die Schrifft zu erklähren; ist mir auch so viel liebes von dem mann erzehlet worden: sonderlich mit was bewegung seiner und der audito- rum er bey aller gelegenheit diese zu der übung des allein nothwendigen zu vermeh- ren gepflegt/ und nicht nur doctos sondern pios studiosos haben wollen. De Sabbatho gehet mirs wie mein liebster bruder von sich zeugt/ daß ich nach lesung unterschiedlicherautorum fast mehr irre geworden/ wolte auch lieber in mündlicher besprächung/ welche etwa Gott noch dermahleins fügen wolle/ von demselben lernen/ als auchviel zu lehren ausgeben. Jch sende ein Manuscriptuneines anonymi, so ich die- sem versprochen einigen eruditis zu comuniciren/ ob jemand die gabe und zeit hät- te/ auff einige der hauptgründe zu antworten/ daß des guten manns gewissen gera- then würde/ welcher bezeugt/ daß er ihm gern wolte helffen lassen/ wo er in einem irr- thum solte stecken/ ja daß solches geschehen möchte/ verlangt/ als der bißhero viele ge- wissens-angst ausgestanden/ und alle von GOtt ihm verhängte unglücke/ als eine straff der vermeinten und seiner einbildung noch in ungerechtigkeit auffgehaltenen wahrheit/ angesehen. Er traut aber damit nicht aus zu brechen/ als der sich seines officii, so er an einer schule trägt/ besorget. Konte es jemanden/ der in diesen stu- diis versirt wäre/ communiciret und für den mann hülffe gefunden werden/ wird mirs lieb seyn/ ich aber mein exemplar künfftig etwa wiederum einmahl erwarten. Zur nachricht melde nur/ daß Herr D. Kortholtz zu Kiel es schon gehabt. Ob in ihrem Gymnasio die erledigte stelle durch Herrn N. N. oder durch einen andern GOTT hertzlich suchenden seye ersetzet worden/ wird mir lieb zu vernehmen seye. Ach daß der HERR in seine ernde/ welche in schul und kirche groß ist/ und sich bey vielen alten und jungen eine mehrere begierde nach dem rechtschaffenen wesen fin- det/ recht treue arbeiter sende. Lasset uns nicht auffhören darum zu beten/ biß der liebste Vater darein sehe/ und sich der kirchen und darinnen seufftzenden erbarme. 24. Apr. 1679. SECT.
Das ſechſte Capitel. angehoͤret wird/ iſt eine vielleicht gewiſſere wahrheit als viele gedencken/ und in dieharre ſich wird zuruͤck halten laſſen. Ach daß der HErr uns mehr und mehr heilige in der wahrheit/ ſein wort iſt ja die wahrheit/ daß wir nichts aus denſelben aus- muſtern/ welches durch menſchliche autoritaͤt etwa lang verdaͤchtig iſt gemacht worden/ noch auch unſere eigene einbildung in daſſelbige miſchen. Neulich iſt in einer diſputat. inaugural. zu Gieſſen de Chiliasmo faſt alle hoffnung der kuͤnffti- gen beſſeren zeit dem verworffenen Chiliasmo zugeſellet worden. Von Coc- cejo werden alle unpartheyiſche bekennen muͤſſen/ daß er eine ungemeine gabe ge- habt habe/ in vielen ſtuͤcken die Schrifft zu erklaͤhren; iſt mir auch ſo viel liebes von dem mann erzehlet worden: ſonderlich mit was bewegung ſeiner und der audito- rum er bey aller gelegenheit dieſe zu der uͤbung des allein nothwendigen zu vermeh- ren gepflegt/ und nicht nur doctos ſondern pios ſtudioſos haben wollen. De Sabbatho gehet mirs wie mein liebſter bruder von ſich zeugt/ daß ich nach leſung unterſchiedlicherautorum faſt mehr irre geworden/ wolte auch lieber in muͤndlicher beſpꝛaͤchung/ welche etwa Gott noch dermahleins fuͤgen wolle/ von demſelben leꝛnen/ als auchviel zu lehrẽ ausgebẽ. Jch ſende ein Manuſcriptũeines anonymi, ſo ich die- ſem verſprochen einigen eruditis zu comuniciren/ ob jemand die gabe und zeit haͤt- te/ auff einige der hauptgruͤnde zu antworten/ daß des guten manns gewiſſen gera- then wuͤrde/ welcher bezeugt/ daß er ihm gern wolte helffen laſſen/ wo er in einem irr- thum ſolte ſtecken/ ja daß ſolches geſchehen moͤchte/ verlangt/ als der bißhero viele ge- wiſſens-angſt ausgeſtanden/ und alle von GOtt ihm verhaͤngte ungluͤcke/ als eine ſtraff der vermeinten und ſeiner einbildung noch in ungerechtigkeit auffgehaltenen wahrheit/ angeſehen. Er traut aber damit nicht aus zu brechen/ als der ſich ſeines officii, ſo er an einer ſchule traͤgt/ beſorget. Konte es jemanden/ der in dieſen ſtu- diis verſirt waͤre/ communiciret und fuͤr den mann huͤlffe gefunden werden/ wird mirs lieb ſeyn/ ich aber mein exemplar kuͤnfftig etwa wiederum einmahl erwarten. Zur nachricht melde nur/ daß Herr D. Kortholtz zu Kiel es ſchon gehabt. Ob in ihrem Gymnaſio die erledigte ſtelle durch Herrn N. N. oder durch einen andern GOTT hertzlich ſuchenden ſeye erſetzet worden/ wird mir lieb zu vernehmen ſeye. Ach daß der HERR in ſeine ernde/ welche in ſchul und kirche groß iſt/ und ſich bey vielen alten und jungen eine mehrere begierde nach dem rechtſchaffenen weſen fin- det/ recht treue arbeiter ſende. Laſſet uns nicht auffhoͤren darum zu beten/ biß der liebſte Vater darein ſehe/ und ſich der kirchen und darinnen ſeufftzenden erbarme. 24. Apr. 1679. SECT.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0330" n="310[312]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das ſechſte Capitel.</hi></fw><lb/> angehoͤret wird/ iſt eine vielleicht gewiſſere wahrheit als viele gedencken/ und in die<lb/> harre ſich wird zuruͤck halten laſſen. Ach daß der HErr uns mehr und mehr heilige<lb/> in der wahrheit/ ſein wort iſt ja die wahrheit/ daß wir nichts aus denſelben aus-<lb/> muſtern/ welches durch menſchliche <hi rendition="#aq">autori</hi>taͤt etwa lang verdaͤchtig iſt gemacht<lb/> worden/ noch auch unſere eigene einbildung in daſſelbige miſchen. Neulich iſt in<lb/> einer <hi rendition="#aq">diſputat. inaugural.</hi> zu Gieſſen <hi rendition="#aq">de Chiliasmo</hi> faſt alle hoffnung der kuͤnffti-<lb/> gen beſſeren zeit dem verworffenen <hi rendition="#aq">Chiliasmo</hi> zugeſellet worden. Von <hi rendition="#aq">Coc-<lb/> cejo</hi> werden alle unpartheyiſche bekennen muͤſſen/ daß er eine ungemeine gabe ge-<lb/> habt habe/ in vielen ſtuͤcken die Schrifft zu erklaͤhren; iſt mir auch ſo viel liebes von<lb/> dem mann erzehlet worden: ſonderlich mit was bewegung ſeiner und der <hi rendition="#aq">audito-<lb/> rum</hi> er bey aller gelegenheit dieſe zu der uͤbung des allein nothwendigen zu vermeh-<lb/> ren gepflegt/ und nicht nur <hi rendition="#aq">doctos</hi> ſondern <hi rendition="#aq">pios ſtudioſos</hi> haben wollen. <hi rendition="#aq">De<lb/> Sabbatho</hi> gehet mirs wie mein liebſter bruder von ſich zeugt/ daß ich nach leſung<lb/> unterſchiedlicher<hi rendition="#aq">autorum</hi> faſt mehr irre geworden/ wolte auch lieber in muͤndlicher<lb/> beſpꝛaͤchung/ welche etwa Gott noch dermahleins fuͤgen wolle/ von demſelben leꝛnen/<lb/> als auchviel zu lehrẽ ausgebẽ. Jch ſende ein <hi rendition="#aq">Manuſcriptũ</hi>eines <hi rendition="#aq">anonymi,</hi> ſo ich die-<lb/> ſem verſprochen einigen <hi rendition="#aq">eruditis</hi> zu <hi rendition="#aq">comunici</hi>ren/ ob jemand die gabe und zeit haͤt-<lb/> te/ auff einige der hauptgruͤnde zu antworten/ daß des guten manns gewiſſen gera-<lb/> then wuͤrde/ welcher bezeugt/ daß er ihm gern wolte helffen laſſen/ wo er in einem irr-<lb/> thum ſolte ſtecken/ ja daß ſolches geſchehen moͤchte/ verlangt/ als der bißhero viele ge-<lb/> wiſſens-angſt ausgeſtanden/ und alle von GOtt ihm verhaͤngte ungluͤcke/ als eine<lb/> ſtraff der vermeinten und ſeiner einbildung noch in ungerechtigkeit auffgehaltenen<lb/> wahrheit/ angeſehen. Er traut aber damit nicht aus zu brechen/ als der ſich ſeines<lb/><hi rendition="#aq">officii,</hi> ſo er an einer ſchule traͤgt/ beſorget. Konte es jemanden/ der in dieſen <hi rendition="#aq">ſtu-<lb/> diis verſirt</hi> waͤre/ <hi rendition="#aq">communici</hi>ret und fuͤr den mann huͤlffe gefunden werden/ wird<lb/> mirs lieb ſeyn/ ich aber mein exemplar kuͤnfftig etwa wiederum einmahl erwarten.<lb/> Zur nachricht melde nur/ daß Herr <hi rendition="#aq">D.</hi> Kortholtz zu Kiel es ſchon gehabt. Ob in<lb/> ihrem <hi rendition="#aq">Gymnaſio</hi> die erledigte ſtelle durch Herrn <hi rendition="#aq">N. N.</hi> oder durch einen andern<lb/> GOTT hertzlich ſuchenden ſeye erſetzet worden/ wird mir lieb zu vernehmen ſeye.<lb/> Ach daß der HERR in ſeine ernde/ welche in ſchul und kirche groß iſt/ und ſich bey<lb/> vielen alten und jungen eine mehrere begierde nach dem rechtſchaffenen weſen fin-<lb/> det/ recht treue arbeiter ſende. Laſſet uns nicht auffhoͤren darum zu beten/ biß der<lb/> liebſte Vater darein ſehe/ und ſich der kirchen und darinnen ſeufftzenden erbarme.<lb/> 24. Apr. 1679.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECT</hi>.</hi> </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310[312]/0330]
Das ſechſte Capitel.
angehoͤret wird/ iſt eine vielleicht gewiſſere wahrheit als viele gedencken/ und in die
harre ſich wird zuruͤck halten laſſen. Ach daß der HErr uns mehr und mehr heilige
in der wahrheit/ ſein wort iſt ja die wahrheit/ daß wir nichts aus denſelben aus-
muſtern/ welches durch menſchliche autoritaͤt etwa lang verdaͤchtig iſt gemacht
worden/ noch auch unſere eigene einbildung in daſſelbige miſchen. Neulich iſt in
einer diſputat. inaugural. zu Gieſſen de Chiliasmo faſt alle hoffnung der kuͤnffti-
gen beſſeren zeit dem verworffenen Chiliasmo zugeſellet worden. Von Coc-
cejo werden alle unpartheyiſche bekennen muͤſſen/ daß er eine ungemeine gabe ge-
habt habe/ in vielen ſtuͤcken die Schrifft zu erklaͤhren; iſt mir auch ſo viel liebes von
dem mann erzehlet worden: ſonderlich mit was bewegung ſeiner und der audito-
rum er bey aller gelegenheit dieſe zu der uͤbung des allein nothwendigen zu vermeh-
ren gepflegt/ und nicht nur doctos ſondern pios ſtudioſos haben wollen. De
Sabbatho gehet mirs wie mein liebſter bruder von ſich zeugt/ daß ich nach leſung
unterſchiedlicherautorum faſt mehr irre geworden/ wolte auch lieber in muͤndlicher
beſpꝛaͤchung/ welche etwa Gott noch dermahleins fuͤgen wolle/ von demſelben leꝛnen/
als auchviel zu lehrẽ ausgebẽ. Jch ſende ein Manuſcriptũeines anonymi, ſo ich die-
ſem verſprochen einigen eruditis zu comuniciren/ ob jemand die gabe und zeit haͤt-
te/ auff einige der hauptgruͤnde zu antworten/ daß des guten manns gewiſſen gera-
then wuͤrde/ welcher bezeugt/ daß er ihm gern wolte helffen laſſen/ wo er in einem irr-
thum ſolte ſtecken/ ja daß ſolches geſchehen moͤchte/ verlangt/ als der bißhero viele ge-
wiſſens-angſt ausgeſtanden/ und alle von GOtt ihm verhaͤngte ungluͤcke/ als eine
ſtraff der vermeinten und ſeiner einbildung noch in ungerechtigkeit auffgehaltenen
wahrheit/ angeſehen. Er traut aber damit nicht aus zu brechen/ als der ſich ſeines
officii, ſo er an einer ſchule traͤgt/ beſorget. Konte es jemanden/ der in dieſen ſtu-
diis verſirt waͤre/ communiciret und fuͤr den mann huͤlffe gefunden werden/ wird
mirs lieb ſeyn/ ich aber mein exemplar kuͤnfftig etwa wiederum einmahl erwarten.
Zur nachricht melde nur/ daß Herr D. Kortholtz zu Kiel es ſchon gehabt. Ob in
ihrem Gymnaſio die erledigte ſtelle durch Herrn N. N. oder durch einen andern
GOTT hertzlich ſuchenden ſeye erſetzet worden/ wird mir lieb zu vernehmen ſeye.
Ach daß der HERR in ſeine ernde/ welche in ſchul und kirche groß iſt/ und ſich bey
vielen alten und jungen eine mehrere begierde nach dem rechtſchaffenen weſen fin-
det/ recht treue arbeiter ſende. Laſſet uns nicht auffhoͤren darum zu beten/ biß der
liebſte Vater darein ſehe/ und ſich der kirchen und darinnen ſeufftzenden erbarme.
24. Apr. 1679.
SECT.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/330 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 310[312]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/330>, abgerufen am 22.07.2024. |