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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECT. XLI.
stehung dessen unter abwesenden vermittels schrifftlicher unterredung/ recht ge-
nau kennen lernen/ daß je einer des andern gemüth und absichten/ welches in solchen
communicationen geschiehet/ ein sihet/ und also die hertzen immer enger sich mit
einander verbinden/ oder aber vielmehr solches band/ welches zwischen allen seyn soll/
glücklicher und leichter bey den selben fest gemacht wird. Daher ich wünschete/
nach dem es unserer kirchen zustand nicht zu geben will/ daß ich und andere zuweilen
eine reise an fremde ort anstelleten/ viele kirchen besuchten/ und mit andern mit-ar-
beitern in gegenwart freundschafft machten/ ja auch dergleichen unter den jenigen
stiffteten/ die sie hie und dort angetroffen hätten (welcherley reisen sonsten zu vielen
gutem/ vereinigung der gemüther/ zusammen tragung heilsamer vorschläge und
anderen dergleichen sehr dienlich seyn würden) daß aufs wenigste jeder diener des
HERREN/ da ers nicht mit allen kan/ aufs wenigste mit einigen oder vielen (je
nach dem ihm GOTT selbs die anlaß gibt) durch schrifftliche correspondenz ei-
ne geheiligte und dahin allein ziehlende kundschafft machte/ sich untereinander zu er-
muntern/ und im glauben und liebe mit einander gestärcket zu werden. Als wo-
durch geschiehet/ daß je einer an deß andern exempel bekräfftiget und weiter erwe-
cket/ oder durch dessen rath unter richtet/ und also die gemeinschafft der heiligen
auch in diesem stück sehr nützlich geübet wird. Und was wollen wir sagen von dem
gebet/ welches so viel brünstiger vor einander geschiehet/ als hertzlicher die gemüther
durch wahre liebe sich unter einander verbunden/ und einer des anderen treuer in-
tention
vor GOttes ehre und empfangener gnade versichert ist? Nun aber in sol-
chem gebet stecket gewiß ein mehrers alß wir insgemein gedencken. Mich haben
hertzlich bewegt die wort eines gottseligen Theologi, der neulich an mich schriebe:
O si Christiani frequentius robur nostrum, quod in Christo uniti habe-
mus, pensitaremus, eoque uteremur in fide, essemus sane invicti. No-
vit hoc Satanas, hinc vel a precibus nos avertit, vel Spiritus unionem va-
riis suggestionibus & suspicionibus divellit, ut singulos & sibi fidentes
facilius evertat. Sapiamus itaque & utamur remediis, quae Amicvs no-
ster ex sinu Patris veniens, ceu arcana nobis suggessit Luc. XI. & XIIX.
utamur, inquam, iis in fide, eventum patienter expectemus, & omnia
salva sunt. Ipse profecto Deus est, Ipse pro se contendet:
sunthrupsei ton
Satanan upo tou`s podas emon en takhei. Und so ists gewiß/ daß wir mit solchem
gebet von dem HErrn alles erhalten; und gleich wie zwey oder drey dem leibe nach
versamlet mit vereinigtem gebet nach der verheissung des HErren alles erlangen/
so ist die krafft des gebets nicht geringer bey den jenigen/ welche ob sie von einander
entfernet/ dem Geist nach aber mit einander vereinigt sind/ in solcher Geistes einig-
keit vor einander beten und seuffzen. Welches einige die arbeit genug ersetzet/ wel-
che etwa zu unterhaltung solcher kundt- und freundschafft erfordert wird. Daher

ich
Oo

ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECT. XLI.
ſtehung deſſen unter abweſenden vermittels ſchrifftlicheꝛ unterredung/ recht ge-
nau kennen lernen/ daß je einer des andern gemuͤth und abſichten/ welches in ſolchen
communicationen geſchiehet/ ein ſihet/ und alſo die hertzen immer enger ſich mit
einander verbinden/ oder aber vielmehr ſolches band/ welches zwiſchen allen ſeyn ſoll/
gluͤcklicher und leichter bey den ſelben feſt gemacht wird. Daher ich wuͤnſchete/
nach dem es unſerer kirchen zuſtand nicht zu geben will/ daß ich und andere zuweilen
eine reiſe an fremde ort anſtelleten/ viele kirchen beſuchten/ und mit andern mit-ar-
beitern in gegenwart freundſchafft machten/ ja auch dergleichen unter den jenigen
ſtiffteten/ die ſie hie und dort angetroffen haͤtten (welcherley reiſen ſonſten zu vielen
gutem/ vereinigung der gemuͤther/ zuſammen tragung heilſamer vorſchlaͤge und
anderen dergleichen ſehr dienlich ſeyn wuͤrden) daß aufs wenigſte jeder diener des
HERREN/ da ers nicht mit allen kan/ aufs wenigſte mit einigen oder vielen (je
nach dem ihm GOTT ſelbs die anlaß gibt) durch ſchrifftliche correſpondenz ei-
ne geheiligte und dahin allein ziehlende kundſchafft machte/ ſich untereinander zu er-
muntern/ und im glauben und liebe mit einander geſtaͤrcket zu werden. Als wo-
durch geſchiehet/ daß je einer an deß andern exempel bekraͤfftiget und weiter erwe-
cket/ oder durch deſſen rath unter richtet/ und alſo die gemeinſchafft der heiligen
auch in dieſem ſtuͤck ſehr nuͤtzlich geuͤbet wird. Und was wollen wir ſagen von dem
gebet/ welches ſo viel bruͤnſtiger vor einander geſchiehet/ als hertzlicher die gemuͤther
durch wahre liebe ſich unter einander verbunden/ und einer des anderen treuer in-
tention
vor GOttes ehre und empfangener gnade verſichert iſt? Nun aber in ſol-
chem gebet ſtecket gewiß ein mehrers alß wir insgemein gedencken. Mich haben
hertzlich bewegt die wort eines gottſeligen Theologi, der neulich an mich ſchriebe:
O ſi Chriſtiani frequentius robur noſtrum, quod in Chriſto uniti habe-
mus, penſitaremus, eoque uteremur in fide, eſſemus ſane invicti. No-
vit hoc Satanas, hinc vel à precibus nos avertit, vel Spiritus unionem va-
riis ſuggeſtionibus & ſuſpicionibus divellit, ut ſingulos & ſibi fidentes
facilius evertat. Sapiamus itaque & utamur remediis, quæ Amicvs no-
ſter ex ſinu Patris veniens, ceu arcana nobis ſuggeſſit Luc. XI. & XIIX.
utamur, inquam, iis in fide, eventum patienter expectemus, & omnia
ſalva ſunt. Ipse profecto Deus eſt, Ipſe pro ſe contendet:
συνϑρύψει τὸν
Σατανᾶν ὑπὸ του`ς πόδας ἡμῶν ἐν τάχει. Und ſo iſts gewiß/ daß wir mit ſolchem
gebet von dem HErrn alles erhalten; und gleich wie zwey oder drey dem leibe nach
verſamlet mit vereinigtem gebet nach der verheiſſung des HErren alles erlangen/
ſo iſt die krafft des gebets nicht geringer bey den jenigen/ welche ob ſie von einander
entfernet/ dem Geiſt nach aber mit einander vereinigt ſind/ in ſolcher Geiſtes einig-
keit vor einander beten und ſeuffzen. Welches einige die arbeit genug erſetzet/ wel-
che etwa zu unterhaltung ſolcher kundt- und freundſchafft erfordert wird. Daher

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[287[289]/0307] ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECT. XLI. ſtehung deſſen unter abweſenden vermittels ſchrifftlicheꝛ unterredung/ recht ge- nau kennen lernen/ daß je einer des andern gemuͤth und abſichten/ welches in ſolchen communicationen geſchiehet/ ein ſihet/ und alſo die hertzen immer enger ſich mit einander verbinden/ oder aber vielmehr ſolches band/ welches zwiſchen allen ſeyn ſoll/ gluͤcklicher und leichter bey den ſelben feſt gemacht wird. Daher ich wuͤnſchete/ nach dem es unſerer kirchen zuſtand nicht zu geben will/ daß ich und andere zuweilen eine reiſe an fremde ort anſtelleten/ viele kirchen beſuchten/ und mit andern mit-ar- beitern in gegenwart freundſchafft machten/ ja auch dergleichen unter den jenigen ſtiffteten/ die ſie hie und dort angetroffen haͤtten (welcherley reiſen ſonſten zu vielen gutem/ vereinigung der gemuͤther/ zuſammen tragung heilſamer vorſchlaͤge und anderen dergleichen ſehr dienlich ſeyn wuͤrden) daß aufs wenigſte jeder diener des HERREN/ da ers nicht mit allen kan/ aufs wenigſte mit einigen oder vielen (je nach dem ihm GOTT ſelbs die anlaß gibt) durch ſchrifftliche correſpondenz ei- ne geheiligte und dahin allein ziehlende kundſchafft machte/ ſich untereinander zu er- muntern/ und im glauben und liebe mit einander geſtaͤrcket zu werden. Als wo- durch geſchiehet/ daß je einer an deß andern exempel bekraͤfftiget und weiter erwe- cket/ oder durch deſſen rath unter richtet/ und alſo die gemeinſchafft der heiligen auch in dieſem ſtuͤck ſehr nuͤtzlich geuͤbet wird. Und was wollen wir ſagen von dem gebet/ welches ſo viel bruͤnſtiger vor einander geſchiehet/ als hertzlicher die gemuͤther durch wahre liebe ſich unter einander verbunden/ und einer des anderen treuer in- tention vor GOttes ehre und empfangener gnade verſichert iſt? Nun aber in ſol- chem gebet ſtecket gewiß ein mehrers alß wir insgemein gedencken. Mich haben hertzlich bewegt die wort eines gottſeligen Theologi, der neulich an mich ſchriebe: O ſi Chriſtiani frequentius robur noſtrum, quod in Chriſto uniti habe- mus, penſitaremus, eoque uteremur in fide, eſſemus ſane invicti. No- vit hoc Satanas, hinc vel à precibus nos avertit, vel Spiritus unionem va- riis ſuggeſtionibus & ſuſpicionibus divellit, ut ſingulos & ſibi fidentes facilius evertat. Sapiamus itaque & utamur remediis, quæ Amicvs no- ſter ex ſinu Patris veniens, ceu arcana nobis ſuggeſſit Luc. XI. & XIIX. utamur, inquam, iis in fide, eventum patienter expectemus, & omnia ſalva ſunt. Ipse profecto Deus eſt, Ipſe pro ſe contendet: συνϑρύψει τὸν Σατανᾶν ὑπὸ του`ς πόδας ἡμῶν ἐν τάχει. Und ſo iſts gewiß/ daß wir mit ſolchem gebet von dem HErrn alles erhalten; und gleich wie zwey oder drey dem leibe nach verſamlet mit vereinigtem gebet nach der verheiſſung des HErren alles erlangen/ ſo iſt die krafft des gebets nicht geringer bey den jenigen/ welche ob ſie von einander entfernet/ dem Geiſt nach aber mit einander vereinigt ſind/ in ſolcher Geiſtes einig- keit vor einander beten und ſeuffzen. Welches einige die arbeit genug erſetzet/ wel- che etwa zu unterhaltung ſolcher kundt- und freundſchafft erfordert wird. Daher ich Oo

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 287[289]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/307>, abgerufen am 24.11.2024.