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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
aber wird geliebter bruder/ als sein seelsorger/ diese sorge mit gebet und zu-
spruch an ihmüben. Der HErr aber selbs gebe darzu nöthige weißheit und
krafft. Jch komme nun auff den punct von der offtern communion/ und er-
klähre mich auff folgende art 1. die offtere communion der Christen/ welche ei-
nen hertzlichen hunger und durst darnach empfinden/ kan ich nicht unbilligen/
sondern loben: jedoch/ daß verhütet werde/ daß eben solches offtere nicht et-
wa allgemach eine verachtung/ geringschätzung oder wol endlich eckel verur-
sache. Jch weiß mich zu erinnern/ daß der alte Sel. D. Johann Schmid in
Straßburg alle monaten zu communiciren pflegte: dergleichen ich auch einen
kauffmann in Franckfurt am Mayn zum beicht-kind gehabt/ dessen mehrma-
ligere communion aber nicht eben grosse früchte gebracht hat. So hatte noch
eine andere beicht-tochter/ so auch sehr vielmal communicirte/ die ich aber
des wegen/ damit es eine gemeinde nicht so leicht gewahr würde/ und sich dar-
an ob wol unbillich stiesse/ in zwey kirchen/ weil ich in beyden mit administrir-
te/ darzu gehen liesse. 2. Wo einer einen scrupel bekäm/ als über unwürdig
genommenes Sacrament/ und er verlangte so bald drauff ihm solches noch-
mal zu reichen/ könte sich auch auff die geistliche niessung nicht bloß verweisen
lassen/ hätte man ihm auch unschwehr zufügen. Wie mich auch erinnere/
daß zu meiner zeit Herr D. Tabor, da er ein mal in eine schwehrmuth geriethe/
in etlichen tagen zwey mal das heilige abendmahl genossen. 3. Wo jemand
sehr offt das heilige abendmahl zu gebrauchen sich vornehme/ hätte der beicht-
vater seine ursachen zu forschen/ und zu prüfen/ ob sie wichtig/ oder nur in ei-
ner singularität und eigensinn bestünden: wäre dieses/ o wäre er fleißig zu er-
innern/ sich nicht an einer heiligen sache/ wo man unbedachtsam damit umgien-
ge/ nicht nur desto mehr zu versündigen: fände man aber die ursachen richtig/
und das verlangen nach geistlicher stärckung zum grund wahrhafftig geleget/
so haben wir Prediger einem solchen unser amt nicht zu versagen/ sondern auch
mehrmals dasselbe Sacrament ihm willig zu reichen: indem uns solche mehr-
malige communion weder in GOttes wort noch auch nur in kirchen-ordnun-
gen verboten ist. 4. Weil aber in allem dahin zu sehen ist/ daß andern kein
anstoß gesetzet werde/ so gar daß wir diesen zu vermeiden nach der Apostoli-
schen lehr wol gar auch unsre eigne freyheit aussetzen sollen/ so muß auch ver-
hütet werden/ daß dieses mehrmalige brauchen des Sacraments niemand
anstößig werde. Daher wo die personen nicht so gar als sonst insgemein an
eine gemeinde gebunden/ wie etwa Studiosi mehr freyheit haben/ möchte viel-
leicht solchen zu rathen seyn/ daß sie solche geistliche speise in etlichen gemein-
den/ zu einer zeit in einer/ zu einer andern zeit in der andern/ geniessen/ so aber
mit vorwissen und belieben beyder Prediger geschehen müste. Sinds aber
leute/ so durch die ordnung an eine gemeinde verwiesen/ hätte ich kein beden-

cken/

Das fuͤnffte Capitel.
aber wird geliebter bruder/ als ſein ſeelſorger/ dieſe ſorge mit gebet und zu-
ſpruch an ihmuͤben. Der HErr aber ſelbs gebe darzu noͤthige weißheit und
krafft. Jch komme nun auff den punct von der offtern communion/ und er-
klaͤhre mich auff folgende art 1. die offtere communion der Chriſten/ welche ei-
nen hertzlichen hunger und durſt darnach empfinden/ kan ich nicht unbilligen/
ſondern loben: jedoch/ daß verhuͤtet werde/ daß eben ſolches offtere nicht et-
wa allgemach eine verachtung/ geringſchaͤtzung oder wol endlich eckel verur-
ſache. Jch weiß mich zu erinnern/ daß der alte Sel. D. Johann Schmid in
Straßburg alle monaten zu communiciren pflegte: dergleichen ich auch einen
kauffmann in Franckfurt am Mayn zum beicht-kind gehabt/ deſſen mehrma-
ligere communion aber nicht eben groſſe fruͤchte gebracht hat. So hatte noch
eine andere beicht-tochter/ ſo auch ſehr vielmal communicirte/ die ich aber
des wegen/ damit es eine gemeinde nicht ſo leicht gewahr wuͤrde/ und ſich dar-
an ob wol unbillich ſtieſſe/ in zwey kirchen/ weil ich in beyden mit adminiſtrir-
te/ darzu gehen lieſſe. 2. Wo einer einen ſcrupel bekaͤm/ als uͤber unwuͤrdig
genommenes Sacrament/ und er verlangte ſo bald drauff ihm ſolches noch-
mal zu reichen/ koͤnte ſich auch auff die geiſtliche nieſſung nicht bloß verweiſen
laſſen/ haͤtte man ihm auch unſchwehr zufuͤgen. Wie mich auch erinnere/
daß zu meiner zeit Herr D. Tabor, da er ein mal in eine ſchwehrmuth geriethe/
in etlichen tagen zwey mal das heilige abendmahl genoſſen. 3. Wo jemand
ſehr offt das heilige abendmahl zu gebrauchen ſich vornehme/ haͤtte der beicht-
vater ſeine urſachen zu forſchen/ und zu pruͤfen/ ob ſie wichtig/ oder nur in ei-
ner ſingularitaͤt und eigenſinn beſtuͤnden: waͤre dieſes/ o waͤre er fleißig zu er-
iñern/ ſich nicht an einer heiligen ſache/ wo man unbedachtſam damit umgien-
ge/ nicht nur deſto mehr zu verſuͤndigen: faͤnde man aber die urſachen richtig/
und das verlangen nach geiſtlicher ſtaͤrckung zum grund wahrhafftig geleget/
ſo haben wir Prediger einem ſolchen unſer amt nicht zu verſagen/ ſondern auch
mehrmals daſſelbe Sacrament ihm willig zu reichen: indem uns ſolche mehr-
malige communion weder in GOttes wort noch auch nur in kirchen-ordnun-
gen verboten iſt. 4. Weil aber in allem dahin zu ſehen iſt/ daß andern kein
anſtoß geſetzet werde/ ſo gar daß wir dieſen zu vermeiden nach der Apoſtoli-
ſchen lehr wol gar auch unſre eigne freyheit ausſetzen ſollen/ ſo muß auch ver-
huͤtet werden/ daß dieſes mehrmalige brauchen des Sacraments niemand
anſtoͤßig werde. Daher wo die perſonen nicht ſo gar als ſonſt insgemein an
eine gemeinde gebunden/ wie etwa Studioſi mehr freyheit haben/ moͤchte viel-
leicht ſolchen zu rathen ſeyn/ daß ſie ſolche geiſtliche ſpeiſe in etlichen gemein-
den/ zu einer zeit in einer/ zu einer andern zeit in der andern/ genieſſen/ ſo aber
mit vorwiſſen und belieben beyder Prediger geſchehen muͤſte. Sinds aber
leute/ ſo durch die ordnung an eine gemeinde verwieſen/ haͤtte ich kein beden-

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[856/0864] Das fuͤnffte Capitel. aber wird geliebter bruder/ als ſein ſeelſorger/ dieſe ſorge mit gebet und zu- ſpruch an ihmuͤben. Der HErr aber ſelbs gebe darzu noͤthige weißheit und krafft. Jch komme nun auff den punct von der offtern communion/ und er- klaͤhre mich auff folgende art 1. die offtere communion der Chriſten/ welche ei- nen hertzlichen hunger und durſt darnach empfinden/ kan ich nicht unbilligen/ ſondern loben: jedoch/ daß verhuͤtet werde/ daß eben ſolches offtere nicht et- wa allgemach eine verachtung/ geringſchaͤtzung oder wol endlich eckel verur- ſache. Jch weiß mich zu erinnern/ daß der alte Sel. D. Johann Schmid in Straßburg alle monaten zu communiciren pflegte: dergleichen ich auch einen kauffmann in Franckfurt am Mayn zum beicht-kind gehabt/ deſſen mehrma- ligere communion aber nicht eben groſſe fruͤchte gebracht hat. So hatte noch eine andere beicht-tochter/ ſo auch ſehr vielmal communicirte/ die ich aber des wegen/ damit es eine gemeinde nicht ſo leicht gewahr wuͤrde/ und ſich dar- an ob wol unbillich ſtieſſe/ in zwey kirchen/ weil ich in beyden mit adminiſtrir- te/ darzu gehen lieſſe. 2. Wo einer einen ſcrupel bekaͤm/ als uͤber unwuͤrdig genommenes Sacrament/ und er verlangte ſo bald drauff ihm ſolches noch- mal zu reichen/ koͤnte ſich auch auff die geiſtliche nieſſung nicht bloß verweiſen laſſen/ haͤtte man ihm auch unſchwehr zufuͤgen. Wie mich auch erinnere/ daß zu meiner zeit Herr D. Tabor, da er ein mal in eine ſchwehrmuth geriethe/ in etlichen tagen zwey mal das heilige abendmahl genoſſen. 3. Wo jemand ſehr offt das heilige abendmahl zu gebrauchen ſich vornehme/ haͤtte der beicht- vater ſeine urſachen zu forſchen/ und zu pruͤfen/ ob ſie wichtig/ oder nur in ei- ner ſingularitaͤt und eigenſinn beſtuͤnden: waͤre dieſes/ o waͤre er fleißig zu er- iñern/ ſich nicht an einer heiligen ſache/ wo man unbedachtſam damit umgien- ge/ nicht nur deſto mehr zu verſuͤndigen: faͤnde man aber die urſachen richtig/ und das verlangen nach geiſtlicher ſtaͤrckung zum grund wahrhafftig geleget/ ſo haben wir Prediger einem ſolchen unſer amt nicht zu verſagen/ ſondern auch mehrmals daſſelbe Sacrament ihm willig zu reichen: indem uns ſolche mehr- malige communion weder in GOttes wort noch auch nur in kirchen-ordnun- gen verboten iſt. 4. Weil aber in allem dahin zu ſehen iſt/ daß andern kein anſtoß geſetzet werde/ ſo gar daß wir dieſen zu vermeiden nach der Apoſtoli- ſchen lehr wol gar auch unſre eigne freyheit ausſetzen ſollen/ ſo muß auch ver- huͤtet werden/ daß dieſes mehrmalige brauchen des Sacraments niemand anſtoͤßig werde. Daher wo die perſonen nicht ſo gar als ſonſt insgemein an eine gemeinde gebunden/ wie etwa Studioſi mehr freyheit haben/ moͤchte viel- leicht ſolchen zu rathen ſeyn/ daß ſie ſolche geiſtliche ſpeiſe in etlichen gemein- den/ zu einer zeit in einer/ zu einer andern zeit in der andern/ genieſſen/ ſo aber mit vorwiſſen und belieben beyder Prediger geſchehen muͤſte. Sinds aber leute/ ſo durch die ordnung an eine gemeinde verwieſen/ haͤtte ich kein beden- cken/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/864>, abgerufen am 21.11.2024.