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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO IX.
des HErrn und mit seiner anruffung alles sorgfältig zwahr zu überlegen/ was
zuthun seye/ wann ich aber einmal geschlossen/ und die sach verrichtet/ mich nicht
weiter zu ängsten/ es schlage aus wie es wolle/ sondern mich unter die gewal-
tige hand GOttes hinzu werffen/ die macht habe alles gerathen oder mißra-
then zu lassen/ nach ihrem wolgefallen/ ja auch meinen verstand in der wahl zu
erleuchten oder finster zu lassen/ wie jedesmal zu ausführung ihres raths am
diensamsten ist. So viel nun sonsten die ängstliche sorgen über den ausgang
und betrübnüß über dessen widrigkeit die lebens-kräfften schwächen/ so viel
thut hingegen zu der erhaltung/ wo man sich auff gedachte art in seines Va-
ters hand hingibet/ und nicht nur thun/ sondern auch erfolgen lassen will/
was derselbe will. Eine dergleichen ruhe wünsche ich nicht allein geliebtem
Bruder von grund der seelen von dem treusten Vater/ sondern auch bitte so
viel an mir ist/ er wolle so viel wiederum an ihm ist nach deroselben streben/
und sich auch damit GOtt und seiner kirche so viel länger erhalten. Der HErr
aber regiere uns allesamt/ wie es vor ihm gefällig und dem zweck darzu er
uns gesetzt/ am gemässesten ist. 1689.

SECTIO IX.
Trost und rath an einen des beichtstuls wegen ge-
ängsteten Prediger.

WAs die sorge und betrübnüß anlangt/ die noch des beichtstuls wegen
denselben ängstiget/ befrembdet mich solche nicht/ weil ich weiß/ daß
es die klage ist/ welche alle treue diener GOttes führen/ und ich auch
die zeit über/ als den beichtstul noch zu besitzen hatte/ meine last davon gnug
gefühlet habe. Jndessen womit ich mich damal getröstet und auffgerichtet/
damit tröste gern auch andre meine Brüder. 1. Wo wir dem sünder die gefahr
seiner sünden nachtrücklich gezeiget/ auch zur gnüge gewiesen haben/ daß alle
absolution von menschen gesprochen in ihrer natur dem verstand nach condi-
tionata,
daher das vertrauen/ das ein unbußfertiger drauff setzet/ aus seiner
eigenen schuld ein blosser betrug seye/ so haben wir unsre seelen errettet. Dic
& salvasti animam.
Dazu kommt 2. daß wir sonderlich in einem ritu, der
nicht göttlicher einsetzung/ sondern nur eine kirchen-anstalt ist/ nicht weiter zu
gehen befugt sind/ als die kirche/ die uns dar zu beruffen/ macht gibet. 3. Da-
her GOtt auch nicht mehr von uns fodern wird/ als daß wir in dem was uns
anbefohlen ist/ nach der ertheilten macht treu erfunden werden/ da er unsre
hertzen willig sihet/ mehr zu thun/ wo es in unsrer gewalt stünde. 4. Ob see-
len durch das vertrauen auff unsre absolution verlohren gehen/ kommt die
schuld nicht auff uns/ die wir ihnen die gefahr treulich gezeiget/ und sie ge-
warnet/ sondern auff sie selbs/ die sich wider unsre warnung muthwillig selbs

betrie-

ARTIC. II. SECTIO IX.
des HErrn uñ mit ſeiner anruffung alles ſorgfaͤltig zwahr zu uͤberlegen/ was
zuthun ſeye/ wañ ich aber einmal geſchloſſen/ und die ſach verrichtet/ mich nicht
weiter zu aͤngſten/ es ſchlage aus wie es wolle/ ſondern mich unter die gewal-
tige hand GOttes hinzu werffen/ die macht habe alles gerathen oder mißra-
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erleuchten oder finſter zu laſſen/ wie jedesmal zu ausfuͤhrung ihres raths am
dienſamſten iſt. So viel nun ſonſten die aͤngſtliche ſorgen uͤber den ausgang
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thut hingegen zu der erhaltung/ wo man ſich auff gedachte art in ſeines Va-
ters hand hingibet/ und nicht nur thun/ ſondern auch erfolgen laſſen will/
was derſelbe will. Eine dergleichen ruhe wuͤnſche ich nicht allein geliebtem
Bruder von grund der ſeelen von dem treuſten Vater/ ſondern auch bitte ſo
viel an mir iſt/ er wolle ſo viel wiederum an ihm iſt nach deroſelben ſtreben/
und ſich auch damit GOtt und ſeiner kirche ſo viel laͤnger erhalten. Der HErr
aber regiere uns alleſamt/ wie es vor ihm gefaͤllig und dem zweck darzu er
uns geſetzt/ am gemaͤſſeſten iſt. 1689.

SECTIO IX.
Troſt und rath an einen des beichtſtuls wegen ge-
aͤngſteten Prediger.

WAs die ſorge und betruͤbnuͤß anlangt/ die noch des beichtſtuls wegen
denſelben aͤngſtiget/ befrembdet mich ſolche nicht/ weil ich weiß/ daß
es die klage iſt/ welche alle treue diener GOttes fuͤhren/ und ich auch
die zeit uͤber/ als den beichtſtul noch zu beſitzen hatte/ meine laſt davon gnug
gefuͤhlet habe. Jndeſſen womit ich mich damal getroͤſtet und auffgerichtet/
damit troͤſte gern auch andre meine Bruͤder. 1. Wo wir dem ſuͤnder die gefahr
ſeiner ſuͤnden nachtruͤcklich gezeiget/ auch zur gnuͤge gewieſen haben/ daß alle
abſolution von menſchen geſprochen in ihrer natur dem verſtand nach condi-
tionata,
daher das vertrauen/ das ein unbußfertiger drauff ſetzet/ aus ſeiner
eigenen ſchuld ein bloſſer betrug ſeye/ ſo haben wir unſre ſeelen errettet. Dic
& ſalvaſti animam.
Dazu kommt 2. daß wir ſonderlich in einem ritu, der
nicht goͤttlicher einſetzung/ ſondern nur eine kirchen-anſtalt iſt/ nicht weiter zu
gehen befugt ſind/ als die kirche/ die uns dar zu beruffen/ macht gibet. 3. Da-
her GOtt auch nicht mehr von uns fodern wird/ als daß wir in dem was uns
anbefohlen iſt/ nach der ertheilten macht treu erfunden werden/ da er unſre
hertzen willig ſihet/ mehr zu thun/ wo es in unſrer gewalt ſtuͤnde. 4. Ob ſee-
len durch das vertrauen auff unſre abſolution verlohren gehen/ kommt die
ſchuld nicht auff uns/ die wir ihnen die gefahr treulich gezeiget/ und ſie ge-
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[751/0759] ARTIC. II. SECTIO IX. des HErrn uñ mit ſeiner anruffung alles ſorgfaͤltig zwahr zu uͤberlegen/ was zuthun ſeye/ wañ ich aber einmal geſchloſſen/ und die ſach verrichtet/ mich nicht weiter zu aͤngſten/ es ſchlage aus wie es wolle/ ſondern mich unter die gewal- tige hand GOttes hinzu werffen/ die macht habe alles gerathen oder mißra- then zu laſſen/ nach ihrem wolgefallen/ ja auch meinẽ verſtand in der wahl zu erleuchten oder finſter zu laſſen/ wie jedesmal zu ausfuͤhrung ihres raths am dienſamſten iſt. So viel nun ſonſten die aͤngſtliche ſorgen uͤber den ausgang und betruͤbnuͤß uͤber deſſen widrigkeit die lebens-kraͤfften ſchwaͤchen/ ſo viel thut hingegen zu der erhaltung/ wo man ſich auff gedachte art in ſeines Va- ters hand hingibet/ und nicht nur thun/ ſondern auch erfolgen laſſen will/ was derſelbe will. Eine dergleichen ruhe wuͤnſche ich nicht allein geliebtem Bruder von grund der ſeelen von dem treuſten Vater/ ſondern auch bitte ſo viel an mir iſt/ er wolle ſo viel wiederum an ihm iſt nach deroſelben ſtreben/ und ſich auch damit GOtt und ſeiner kirche ſo viel laͤnger erhalten. Der HErr aber regiere uns alleſamt/ wie es vor ihm gefaͤllig und dem zweck darzu er uns geſetzt/ am gemaͤſſeſten iſt. 1689. SECTIO IX. Troſt und rath an einen des beichtſtuls wegen ge- aͤngſteten Prediger. WAs die ſorge und betruͤbnuͤß anlangt/ die noch des beichtſtuls wegen denſelben aͤngſtiget/ befrembdet mich ſolche nicht/ weil ich weiß/ daß es die klage iſt/ welche alle treue diener GOttes fuͤhren/ und ich auch die zeit uͤber/ als den beichtſtul noch zu beſitzen hatte/ meine laſt davon gnug gefuͤhlet habe. Jndeſſen womit ich mich damal getroͤſtet und auffgerichtet/ damit troͤſte gern auch andre meine Bruͤder. 1. Wo wir dem ſuͤnder die gefahr ſeiner ſuͤnden nachtruͤcklich gezeiget/ auch zur gnuͤge gewieſen haben/ daß alle abſolution von menſchen geſprochen in ihrer natur dem verſtand nach condi- tionata, daher das vertrauen/ das ein unbußfertiger drauff ſetzet/ aus ſeiner eigenen ſchuld ein bloſſer betrug ſeye/ ſo haben wir unſre ſeelen errettet. Dic & ſalvaſti animam. Dazu kommt 2. daß wir ſonderlich in einem ritu, der nicht goͤttlicher einſetzung/ ſondern nur eine kirchen-anſtalt iſt/ nicht weiter zu gehen befugt ſind/ als die kirche/ die uns dar zu beruffen/ macht gibet. 3. Da- her GOtt auch nicht mehr von uns fodern wird/ als daß wir in dem was uns anbefohlen iſt/ nach der ertheilten macht treu erfunden werden/ da er unſre hertzen willig ſihet/ mehr zu thun/ wo es in unſrer gewalt ſtuͤnde. 4. Ob ſee- len durch das vertrauen auff unſre abſolution verlohren gehen/ kommt die ſchuld nicht auff uns/ die wir ihnen die gefahr treulich gezeiget/ und ſie ge- warnet/ ſondern auff ſie ſelbs/ die ſich wider unſre warnung muthwillig ſelbs betrie-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 751. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/759>, abgerufen am 21.11.2024.