Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das fünffte Capitel. angst vermischet werden/ damit sie in der nöthigen demuth verbleiben/ undandern ein exempel so wol menschlicher schwachheit/ als göttlicher krafft zu herrlicher auffmunterung und erbauung werden müssen. Jch finde im wei- teren nachsinnen/ daß solches nicht nur allein von dem HErren längst vorge- sagt/ und also ein theil der von ihm weißlich eingesetzten ordnung seye/ daß sie in der welt angst (eine solche thlipsin, da das gemüth so viel leidet als et- was anders den leib klemmet) auch alsdann erfahren müssen/ da sie in ihm friede haben. Joh. 16/ 33. sondern daß auch eben dergleichen zu al- len zeiten durch die exempel der dem HErren lieben heiligen in der erfahrung gezeigt worden. Jch weiß mich zu erinnern/ von unserem unvergleichl. glau- bens-lehrer und freudigem mann Gottes Luthero mehrmal gelesen zu haben/ in was vor angst des hertzens ihn sein Heyland zu weilen habe lassen gerathen/ daß er auch durch den zuspruch anderer weit weniger begabter personen ge- stärckt zuwerden bedörffte/ aber auch dessen kraft bey sich gespüret habe. Son- derlich aber wie sein treuer mithelffer Hieron, Wellerus in diesem kampf vieles nach Gottes willen lernen müssen. Und weil ich von unserem gemeldten lieben Luthero wahrgenommen/ daß er ein grosses dessen/ wozu ihn Gott gebracht/ durch den alten und von ihm so werth geachtetem Taulerum (dessen sprach/ welcher ihr gewohnt ist/ gar offters in des vortreflichen mannes/ sonderl. er- sten schrifften/ zu bemercken stehet) gelernet worden seye: so entsinne mich auch/ daß die vornehmste schul/ wodurch der weise himmlische Vater solchen seinen aus- erwehlten rüstzeug in dem sonsten finstern Papstum zu einer höhern erkäntnüß gebracht/ seye in einer ängstlichen und langwierigen anfechtung bestanden/ darinnen er fast jedermann verächtlich worden/ die des HErren wege nicht erkennen konten. So ist mir noch das neulichere und zu unser zeit gehörige exempel des S. D. Johann Schmidii zu Straßburg/ im gedächtnüß/ der einmal von Gott in solche hertzens-angst und jammerstand geführet worden/ daß er eine gute zeitlang zu verrichtung seines amts untüchtig/ aber dadurch insolcher verwesung dieses eusserlichen menschen/ der innere bey ihm dermassen kräfftig erneuert worden/ daß er nachmal mit so viel nachtrücklicher krafft sein amt wieder angetreten/ und mit vieler frucht geführet hat. So erkenne ich also billich/ daß es der göttlichen weißheit gantz gemäß seyn müsse/ die ihrige/ sonderlich die vor andern zu auserwehlten werckzeugen erkohrne/ um ihr selbs und anderer willen die dinge erfahren zu lassen/ welche der welt seltzam vorkommen/ aber selbs ein mittel der verherrlichung GOttes sind/ und die diener Christi ihrem haupt so viel ähnlicher machen. Mein GOtt hat mich von solcher sache so viel noch nicht empfinden lassen/ als der etwa meine schwachheit kennet/ die zu der härtern probe nicht tüchtig wäre/ jedoch sind auch zuweilen einige tropffen aus diesem kelche mir zugetheilet worden/ und weiß
Das fuͤnffte Capitel. angſt vermiſchet werden/ damit ſie in der noͤthigen demuth verbleiben/ undandern ein exempel ſo wol menſchlicher ſchwachheit/ als goͤttlicher krafft zu herrlicher auffmunterung und erbauung werden muͤſſen. Jch finde im wei- teren nachſinnen/ daß ſolches nicht nur allein von dem HErren laͤngſt vorge- ſagt/ und alſo ein theil der von ihm weißlich eingeſetzten ordnung ſeye/ daß ſie in der welt angſt (eine ſolche ϑλίψιν, da das gemuͤth ſo viel leidet als et- was anders den leib klemmet) auch alsdann erfahren muͤſſen/ da ſie in ihm friede haben. Joh. 16/ 33. ſondern daß auch eben dergleichen zu al- len zeiten durch die exempel der dem HErren lieben heiligen in der erfahrung gezeigt worden. Jch weiß mich zu erinnern/ von unſerem unvergleichl. glau- bens-lehrer und freudigem mann Gottes Luthero mehrmal geleſen zu haben/ in was vor angſt des hertzens ihn ſein Heyland zu weilen habe laſſen gerathen/ daß er auch durch den zuſpruch anderer weit weniger begabter perſonen ge- ſtaͤrckt zuwerden bedoͤrffte/ aber auch deſſen kraft bey ſich geſpuͤret habe. Son- deꝛlich abeꝛ wie ſein tꝛeuer mithelffer Hieron, Wellerus in dieſem kampf vieles nach Gottes willen lernen muͤſſen. Und weil ich von unſerem gemeldten lieben Luthero wahrgenommen/ daß er ein groſſes deſſen/ wozu ihn Gott gebracht/ durch den alten und von ihm ſo werth geachtetem Taulerum (deſſen ſprach/ welcher ihr gewohnt iſt/ gar offters in des vortreflichen mannes/ ſonderl. er- ſten ſchrifften/ zu bemercken ſtehet) gelernet worden ſeye: ſo entſinne mich auch/ daß die voꝛnehmſte ſchul/ woduꝛch der weiſe him̃liſche Vater ſolchẽ ſeinen aus- erwehlten ruͤſtzeug in dem ſonſten finſteꝛn Papſtum zu einer hoͤhern eꝛkaͤntnuͤß gebracht/ ſeye in einer aͤngſtlichen und langwierigen anfechtung beſtanden/ darinnen er faſt jedermann veraͤchtlich worden/ die des HErren wege nicht erkennen konten. So iſt mir noch das neulichere und zu unſer zeit gehoͤrige exempel des S. D. Johann Schmidii zu Straßburg/ im gedaͤchtnuͤß/ der einmal von Gott in ſolche hertzens-angſt und jammerſtand gefuͤhret worden/ daß er eine gute zeitlang zu verrichtung ſeines amts untuͤchtig/ aber dadurch inſolcher verweſung dieſes euſſerlichen menſchen/ der iñere bey ihm dermaſſen kraͤfftig erneuert worden/ daß er nachmal mit ſo viel nachtruͤcklicher krafft ſein amt wieder angetreten/ und mit vieler frucht gefuͤhret hat. So erkenne ich alſo billich/ daß es der goͤttlichen weißheit gantz gemaͤß ſeyn muͤſſe/ die ihrige/ ſonderlich die vor andern zu auserwehlten werckzeugen erkohrne/ um ihr ſelbs und anderer willen die dinge erfahren zu laſſen/ welche der welt ſeltzam vorkommen/ aber ſelbs ein mittel der verherrlichung GOttes ſind/ und die diener Chriſti ihrem haupt ſo viel aͤhnlicher machen. Mein GOtt hat mich von ſolcher ſache ſo viel noch nicht empfinden laſſen/ als der etwa meine ſchwachheit kennet/ die zu der haͤrtern probe nicht tuͤchtig waͤre/ jedoch ſind auch zuweilen einige tropffen aus dieſem kelche mir zugetheilet worden/ und weiß
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Das fuͤnffte Capitel.
angſt vermiſchet werden/ damit ſie in der noͤthigen demuth verbleiben/ und
andern ein exempel ſo wol menſchlicher ſchwachheit/ als goͤttlicher krafft zu
herrlicher auffmunterung und erbauung werden muͤſſen. Jch finde im wei-
teren nachſinnen/ daß ſolches nicht nur allein von dem HErren laͤngſt vorge-
ſagt/ und alſo ein theil der von ihm weißlich eingeſetzten ordnung ſeye/ daß ſie
in der welt angſt (eine ſolche ϑλίψιν, da das gemuͤth ſo viel leidet als et-
was anders den leib klemmet) auch alsdann erfahren muͤſſen/ da ſie
in ihm friede haben. Joh. 16/ 33. ſondern daß auch eben dergleichen zu al-
len zeiten durch die exempel der dem HErren lieben heiligen in der erfahrung
gezeigt worden. Jch weiß mich zu erinnern/ von unſerem unvergleichl. glau-
bens-lehrer und freudigem mann Gottes Luthero mehrmal geleſen zu haben/
in was vor angſt des hertzens ihn ſein Heyland zu weilen habe laſſen gerathen/
daß er auch durch den zuſpruch anderer weit weniger begabter perſonen ge-
ſtaͤrckt zuwerden bedoͤrffte/ aber auch deſſen kraft bey ſich geſpuͤret habe. Son-
deꝛlich abeꝛ wie ſein tꝛeuer mithelffer Hieron, Wellerus in dieſem kampf vieles
nach Gottes willen lernen muͤſſen. Und weil ich von unſerem gemeldten lieben
Luthero wahrgenommen/ daß er ein groſſes deſſen/ wozu ihn Gott gebracht/
durch den alten und von ihm ſo werth geachtetem Taulerum (deſſen ſprach/
welcher ihr gewohnt iſt/ gar offters in des vortreflichen mannes/ ſonderl. er-
ſten ſchrifften/ zu bemercken ſtehet) gelernet worden ſeye: ſo entſinne mich auch/
daß die voꝛnehmſte ſchul/ woduꝛch der weiſe him̃liſche Vater ſolchẽ ſeinen aus-
erwehlten ruͤſtzeug in dem ſonſten finſteꝛn Papſtum zu einer hoͤhern eꝛkaͤntnuͤß
gebracht/ ſeye in einer aͤngſtlichen und langwierigen anfechtung beſtanden/
darinnen er faſt jedermann veraͤchtlich worden/ die des HErren wege nicht
erkennen konten. So iſt mir noch das neulichere und zu unſer zeit gehoͤrige
exempel des S. D. Johann Schmidii zu Straßburg/ im gedaͤchtnuͤß/ der
einmal von Gott in ſolche hertzens-angſt und jammerſtand gefuͤhret worden/
daß er eine gute zeitlang zu verrichtung ſeines amts untuͤchtig/ aber dadurch
inſolcher verweſung dieſes euſſerlichen menſchen/ der iñere bey ihm dermaſſen
kraͤfftig erneuert worden/ daß er nachmal mit ſo viel nachtruͤcklicher krafft ſein
amt wieder angetreten/ und mit vieler frucht gefuͤhret hat. So erkenne ich
alſo billich/ daß es der goͤttlichen weißheit gantz gemaͤß ſeyn muͤſſe/ die ihrige/
ſonderlich die vor andern zu auserwehlten werckzeugen erkohrne/ um ihr
ſelbs und anderer willen die dinge erfahren zu laſſen/ welche der welt ſeltzam
vorkommen/ aber ſelbs ein mittel der verherrlichung GOttes ſind/ und die
diener Chriſti ihrem haupt ſo viel aͤhnlicher machen. Mein GOtt hat mich
von ſolcher ſache ſo viel noch nicht empfinden laſſen/ als der etwa meine
ſchwachheit kennet/ die zu der haͤrtern probe nicht tuͤchtig waͤre/ jedoch ſind
auch zuweilen einige tropffen aus dieſem kelche mir zugetheilet worden/ und
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/720>, abgerufen am 16.07.2024. |