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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO XII.
der ehe gültigkeit bestätiget würde/ unter andern zu eben dem effectu, daß die
kinder als legitimi paßiret werden könten.

3. Wegen der kirchen-verordnung selbsten. Dann ob wol ich erkenne/
daß nicht eben simpliciter nöthig wäre/ daß dasjenige/ was ante matrimo-
nium consummatum
von der kirchen verordnet worden/ und eigenlich dessen
vornehmste zweck solche dinge angehen/ welche vor den antritt der ehe gehö-
ren/ wo es damal unterlassen worden/ müste nachmal erst vor die hand genom-
men werden/ wo solche meiste fines cessiret (massen auch sonsten viele fehler/
die begangen worden/ nicht eben allemal mit einbringung oder nachholung
dessen/ was vor geschehen sollen/ als das öffters gar unmüglich ist/ sondern auf
eine andere bequeme art zuweilen corrigiret werden müssen.) So finde ich
doch in diesem fall billicher/ weil es eine gantz mügliche sache/ daß die ein-
segnung noch gesucht werde/ und damit der gewöhnlichen ordnung ein genüge
geschehe. Welches so vielmehr in diesem fall geschehen solle/ wann die ehe so
gar in allen stücken ausser göttlicher und kirchlicher ordnung angehoben wor-
den/ daß dann nun kein mögliches mittel zu versäumen/ womit man sich wie-
der in solche ordnung schicken kan: Wie dann ja dasjenige/ was sonsten noch
mehr fluch auf sich gehabt/ eines neuen segens und in gewöhnlicher ordnung
mit gebet geheiliget zu werden bedarff/ daß GOTT seinen gerechten zorn
über diejenigen fallen lassen möchte/ die denselben mit verachtung aller guten
ordnungen sehr gereitzet.

6. Nur bleibet die frage/ wie solches am besten in das werck zu richten?
Nun solte wol das beste scheinen/ wo man bey der ordnung bliebe/ und bey
dem Consistorio die copulation gesuchet würde. Es möchte solches zu ra-
then angeführet werden. 1. Daß billich seye/ daß dieser leute begangene
sünden und laster zu gebührender wissenschafft des Consistorii kämen/ und mit
straff angesehen würden. 2. Daß sie sonderlich zur kirchen-buß/ als in einem
solchen verbrechen/ da sie so lange auffs wenigste wider ihr gewissen und mit
dessen widerspruch mit einander gelebet/ angehalten würden: Welche ver-
söhnung mit der kirchen ihnen nachmal vor ihr gantzes leben einen so viel gewis-
sern trost geben möchte. Jch finde aber unerachtet dessen solches mittel nicht
wol vorzuschlagen. 1. Weil der mann ein dergleichen harter mann/ der/ wo
ihm nur dieses zugemuthet würde/ aufdesperata consilia fallen dörffte/ wie sie
ohne das sich ihres lebens besorget/ wo er der sache zu frühe gewahr würde.
2. Die sünde oder dero anfang ist nicht dieses orts vorgegangen/ daß also
nothwendig das Consistorium zu dero bestraffung wissenschafft haben müste.
3. Die kirche bey ihnen ist nicht geärgert worden/ indem bey ihnen niemand
anders weiß/ als daß sie allezeit ehrlich zusammen gekommene ehelente gewe-
sen: Daher keine versöhnung über das ärgernüß nöthig/ ja fast die offenba-

rung
C c c c

SECTIO XII.
der ehe guͤltigkeit beſtaͤtiget wuͤrde/ unter andern zu eben dem effectu, daß die
kinder als legitimi paßiret werden koͤnten.

3. Wegen der kirchen-verordnung ſelbſten. Dann ob wol ich erkenne/
daß nicht eben ſimpliciter noͤthig waͤre/ daß dasjenige/ was ante matrimo-
nium conſummatum
von der kirchen verordnet worden/ und eigenlich deſſen
vornehmſte zweck ſolche dinge angehen/ welche vor den antritt der ehe gehoͤ-
ren/ wo es damal unterlaſſen worden/ muͤſte nachmal erſt vor die hand genom-
men werden/ wo ſolche meiſte fines ceſſiret (maſſen auch ſonſten viele fehler/
die begangen worden/ nicht eben allemal mit einbringung oder nachholung
deſſen/ was vor geſchehen ſollen/ als das oͤffters gar unmuͤglich iſt/ ſondern auf
eine andere bequeme art zuweilen corrigiret werden muͤſſen.) So finde ich
doch in dieſem fall billicher/ weil es eine gantz muͤgliche ſache/ daß die ein-
ſegnung noch geſucht werde/ und damit der gewoͤhnlichen ordnung ein genuͤge
geſchehe. Welches ſo vielmehr in dieſem fall geſchehen ſolle/ wann die ehe ſo
gar in allen ſtuͤcken auſſer goͤttlicher und kirchlicher ordnung angehoben wor-
den/ daß dann nun kein moͤgliches mittel zu verſaͤumen/ womit man ſich wie-
der in ſolche ordnung ſchicken kan: Wie dann ja dasjenige/ was ſonſten noch
mehr fluch auf ſich gehabt/ eines neuen ſegens und in gewoͤhnlicher ordnung
mit gebet geheiliget zu werden bedarff/ daß GOTT ſeinen gerechten zorn
uͤber diejenigen fallen laſſen moͤchte/ die denſelben mit verachtung aller guten
ordnungen ſehr gereitzet.

6. Nur bleibet die frage/ wie ſolches am beſten in das werck zu richten?
Nun ſolte wol das beſte ſcheinen/ wo man bey der ordnung bliebe/ und bey
dem Conſiſtorio die copulation geſuchet wuͤrde. Es moͤchte ſolches zu ra-
then angefuͤhret werden. 1. Daß billich ſeye/ daß dieſer leute begangene
ſuͤnden und laſter zu gebuͤhrender wiſſenſchafft des Conſiſtorii kaͤmen/ und mit
ſtraff angeſehen wuͤrden. 2. Daß ſie ſonderlich zur kirchen-buß/ als in einem
ſolchen verbrechen/ da ſie ſo lange auffs wenigſte wider ihr gewiſſen und mit
deſſen widerſpruch mit einander gelebet/ angehalten wuͤrden: Welche ver-
ſoͤhnung mit der kirchen ihnen nachmal vor ihr gantzes leben einẽ ſo viel gewiſ-
ſern troſt geben moͤchte. Jch finde aber unerachtet deſſen ſolches mittel nicht
wol vorzuſchlagen. 1. Weil der mann ein dergleichen harter mann/ der/ wo
ihm nur dieſes zugemuthet wuͤrde/ aufdeſperata conſilia fallen doͤrffte/ wie ſie
ohne das ſich ihres lebens beſorget/ wo er der ſache zu fruͤhe gewahr wuͤrde.
2. Die ſuͤnde oder dero anfang iſt nicht dieſes orts vorgegangen/ daß alſo
nothwendig das Conſiſtorium zu dero beſtraffung wiſſenſchafft haben muͤſte.
3. Die kirche bey ihnen iſt nicht geaͤrgert worden/ indem bey ihnen niemand
anders weiß/ als daß ſie allezeit ehrlich zuſammen gekommene ehelente gewe-
ſen: Daher keine verſoͤhnung uͤber das aͤrgernuͤß noͤthig/ ja faſt die offenba-

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[569/0577] SECTIO XII. der ehe guͤltigkeit beſtaͤtiget wuͤrde/ unter andern zu eben dem effectu, daß die kinder als legitimi paßiret werden koͤnten. 3. Wegen der kirchen-verordnung ſelbſten. Dann ob wol ich erkenne/ daß nicht eben ſimpliciter noͤthig waͤre/ daß dasjenige/ was ante matrimo- nium conſummatum von der kirchen verordnet worden/ und eigenlich deſſen vornehmſte zweck ſolche dinge angehen/ welche vor den antritt der ehe gehoͤ- ren/ wo es damal unterlaſſen worden/ muͤſte nachmal erſt vor die hand genom- men werden/ wo ſolche meiſte fines ceſſiret (maſſen auch ſonſten viele fehler/ die begangen worden/ nicht eben allemal mit einbringung oder nachholung deſſen/ was vor geſchehen ſollen/ als das oͤffters gar unmuͤglich iſt/ ſondern auf eine andere bequeme art zuweilen corrigiret werden muͤſſen.) So finde ich doch in dieſem fall billicher/ weil es eine gantz muͤgliche ſache/ daß die ein- ſegnung noch geſucht werde/ und damit der gewoͤhnlichen ordnung ein genuͤge geſchehe. Welches ſo vielmehr in dieſem fall geſchehen ſolle/ wann die ehe ſo gar in allen ſtuͤcken auſſer goͤttlicher und kirchlicher ordnung angehoben wor- den/ daß dann nun kein moͤgliches mittel zu verſaͤumen/ womit man ſich wie- der in ſolche ordnung ſchicken kan: Wie dann ja dasjenige/ was ſonſten noch mehr fluch auf ſich gehabt/ eines neuen ſegens und in gewoͤhnlicher ordnung mit gebet geheiliget zu werden bedarff/ daß GOTT ſeinen gerechten zorn uͤber diejenigen fallen laſſen moͤchte/ die denſelben mit verachtung aller guten ordnungen ſehr gereitzet. 6. Nur bleibet die frage/ wie ſolches am beſten in das werck zu richten? Nun ſolte wol das beſte ſcheinen/ wo man bey der ordnung bliebe/ und bey dem Conſiſtorio die copulation geſuchet wuͤrde. Es moͤchte ſolches zu ra- then angefuͤhret werden. 1. Daß billich ſeye/ daß dieſer leute begangene ſuͤnden und laſter zu gebuͤhrender wiſſenſchafft des Conſiſtorii kaͤmen/ und mit ſtraff angeſehen wuͤrden. 2. Daß ſie ſonderlich zur kirchen-buß/ als in einem ſolchen verbrechen/ da ſie ſo lange auffs wenigſte wider ihr gewiſſen und mit deſſen widerſpruch mit einander gelebet/ angehalten wuͤrden: Welche ver- ſoͤhnung mit der kirchen ihnen nachmal vor ihr gantzes leben einẽ ſo viel gewiſ- ſern troſt geben moͤchte. Jch finde aber unerachtet deſſen ſolches mittel nicht wol vorzuſchlagen. 1. Weil der mann ein dergleichen harter mann/ der/ wo ihm nur dieſes zugemuthet wuͤrde/ aufdeſperata conſilia fallen doͤrffte/ wie ſie ohne das ſich ihres lebens beſorget/ wo er der ſache zu fruͤhe gewahr wuͤrde. 2. Die ſuͤnde oder dero anfang iſt nicht dieſes orts vorgegangen/ daß alſo nothwendig das Conſiſtorium zu dero beſtraffung wiſſenſchafft haben muͤſte. 3. Die kirche bey ihnen iſt nicht geaͤrgert worden/ indem bey ihnen niemand anders weiß/ als daß ſie allezeit ehrlich zuſammen gekommene ehelente gewe- ſen: Daher keine verſoͤhnung uͤber das aͤrgernuͤß noͤthig/ ja faſt die offenba- rung C c c c

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/577>, abgerufen am 23.11.2024.