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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
vor sich selbs sünde seye/ so setzen sie doch dergleichen limitationes darzu/ die es
genau einschrencken/ und wo es sich nicht also einschrencken lassen wolle (wie
wir dergleichen von der heut zu tage gantz ausgelassenen boßheit der jungen
leute nicht wol hoffen können) verlangen sie lieber dessen abstellung. Der
S. D. Dannhauer Catech. Milch. P. 2. f. 449. saget also: Wir wollen deß-
wegen gewisse
conditiones, maaß und weise vorgeschrieben haben/ und
im fall dieselbe nicht erscheinen/ oder nicht zu erhalten wären/ wolten
wir auch lieber/ das tantzen bliebe gantz unterwegen:
Darinnen er auch
dem alten rechtschaffenen Theologo Sarcerio zu folgen gestehet P. 3. vom hei-
ligen ehestand p. 113. So zeigen sie auch fast insgemein/ daß es ihnen nicht so
wol darum hoch zu thun sey/ daß die praxis viel geübet werde/ die so leicht bö-
ses nach sich zihet/ als daß die christliche freyheit nicht mit dem allgemeinen
satz/ ob wäre alles tantzen an sich selbs sünde und verboten/ geschwächet werde.
Stellet man aber das tantzen wie andere mittel-dinge/ die man nicht nützlich/
sondern so bewandt findet/ daß man leicht darinnen anstösset/ aus solchen ur-
sachen ab/ so mögen sie es wol geschehen lassen/ und werden es etwa lieber ra-
then. Also schreibet der Dänische berühmte Bischoff D. Brochmann. System.
T. 2. art. 18. p. 62.
nachdem er zwo assertiones erstlich gesetzet hatte. 1. Quae-
vis choreae improbari non possunt. 2. Choreas hodiernas nihil habere
commune cum priscis sanctorum choreis notius est, quam ut probatione sit
opus:
So schliesset er mit dieser tertia thesi: quanquam res indifferens sit
saltatio, ut quae natura sua nec bona nec mala sit: quanquam etiam cujus-
que loci conditioni plusculum dandum sit: quanquam denique omnes
choreae non sint aeque periculosae, sed quaedam sua simplicitate se commen-
dent, ut nostratium: tamen quia choreae, in quibus viri foeminis mixti salti-
tant, non faciunt quicquam ad salutarem aedificationem, tutius omittuntur
quam fervidius exercentur: tum quia hujusmodi choreae a gentibus ortum
duxere: tum quia rarius nisi a potis & bene pastis aguntur, tum denique ab
ejusmodi choreis non parum absterrere nos debet monitio prophetae Esaiae,
ita nos alloquentis cap. 5, 11. 12. addatur Amos 6, 5. 6.
So ist ohne das die-
ses eine allgemeine/ und wie in der schrifft uns vorgestabte/ also von allen
Theologis erkante regel/ daß in allen dingen nicht nur absolute, ob etwas in
sich erlaubet sey/ gesehen werden solle/ sondern was vor nutzen oder schaden da-
von zu erwarten seye. 1. Cor. 10/ 23. Jch habe es zwahr alles macht/ aber
es frommet nicht alles/ ich habe es alles macht/ aber es bessert
nicht alles.

V. Es kömmt auch heut zu tage billich in consideration die bewandnüß
unserer zeit/ und zeiget/ wo auch sonsten das tantzen zu anderer zeit wol paßi-

ret

Das dritte Capitel.
vor ſich ſelbs ſuͤnde ſeye/ ſo ſetzen ſie doch dergleichen limitationes darzu/ die es
genau einſchrencken/ und wo es ſich nicht alſo einſchrencken laſſen wolle (wie
wir dergleichen von der heut zu tage gantz ausgelaſſenen boßheit der jungen
leute nicht wol hoffen koͤnnen) verlangen ſie lieber deſſen abſtellung. Der
S. D. Dannhauer Catech. Milch. P. 2. f. 449. ſaget alſo: Wir wollen deß-
wegen gewiſſe
conditiones, maaß und weiſe voꝛgeſchrieben haben/ und
im fall dieſelbe nicht erſcheinen/ oder nicht zu erhalten waͤren/ wolten
wir auch lieber/ das tantzen bliebe gantz unterwegen:
Darinnen er auch
dem alten rechtſchaffenen Theologo Sarcerio zu folgen geſtehet P. 3. vom hei-
ligen eheſtand p. 113. So zeigen ſie auch faſt insgemein/ daß es ihnen nicht ſo
wol darum hoch zu thun ſey/ daß die praxis viel geuͤbet werde/ die ſo leicht boͤ-
ſes nach ſich zihet/ als daß die chriſtliche freyheit nicht mit dem allgemeinen
ſatz/ ob waͤre alles tantzen an ſich ſelbs ſuͤnde und verboten/ geſchwaͤchet werde.
Stellet man aber das tantzen wie andere mittel-dinge/ die man nicht nuͤtzlich/
ſondern ſo bewandt findet/ daß man leicht darinnen anſtoͤſſet/ aus ſolchen ur-
ſachen ab/ ſo moͤgen ſie es wol geſchehen laſſen/ und werden es etwa lieber ra-
then. Alſo ſchreibet der Daͤniſche beruͤhmte Biſchoff D. Brochmann. Syſtem.
T. 2. art. 18. p. 62.
nachdem er zwo aſſertiones erſtlich geſetzet hatte. 1. Quæ-
vis choreæ improbari non poſſunt. 2. Choreas hodiernas nihil habere
commune cum priſcis ſanctorum choreis notius eſt, quam ut probatione ſit
opus:
So ſchlieſſet er mit dieſer tertia theſi: quanquam res indifferens ſit
ſaltatio, ut quæ natura ſua nec bona nec mala ſit: quanquam etiam cujus-
que loci conditioni pluſculum dandum ſit: quanquam denique omnes
choreæ non ſint æque periculoſæ, ſed quædam ſua ſimplicitate ſe commen-
dent, ut noſtratium: tamen quia choreæ, in quibus viri fœminis mixti ſalti-
tant, non faciunt quicquam ad ſalutarem ædificationem, tutius omittuntur
quam fervidius exercentur: tum quia hujusmodi choreæ à gentibus ortum
duxere: tum quia rarius niſi à potis & bene paſtis aguntur, tum denique ab
ejuſmodi choreis non parum abſterrere nos debet monitio prophetæ Eſaiæ,
ita nos alloquentis cap. 5, 11. 12. addatur Amos 6, 5. 6.
So iſt ohne das die-
ſes eine allgemeine/ und wie in der ſchrifft uns vorgeſtabte/ alſo von allen
Theologis erkante regel/ daß in allen dingen nicht nur abſolute, ob etwas in
ſich eꝛlaubet ſey/ geſehen werden ſolle/ ſondern was voꝛ nutzen oder ſchaden da-
von zu erwarten ſeye. 1. Cor. 10/ 23. Jch habe es zwahr alles macht/ aber
es frommet nicht alles/ ich habe es alles macht/ aber es beſſert
nicht alles.

V. Es koͤmmt auch heut zu tage billich in conſideration die bewandnuͤß
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[490/0498] Das dritte Capitel. vor ſich ſelbs ſuͤnde ſeye/ ſo ſetzen ſie doch dergleichen limitationes darzu/ die es genau einſchrencken/ und wo es ſich nicht alſo einſchrencken laſſen wolle (wie wir dergleichen von der heut zu tage gantz ausgelaſſenen boßheit der jungen leute nicht wol hoffen koͤnnen) verlangen ſie lieber deſſen abſtellung. Der S. D. Dannhauer Catech. Milch. P. 2. f. 449. ſaget alſo: Wir wollen deß- wegen gewiſſe conditiones, maaß und weiſe voꝛgeſchrieben haben/ und im fall dieſelbe nicht erſcheinen/ oder nicht zu erhalten waͤren/ wolten wir auch lieber/ das tantzen bliebe gantz unterwegen: Darinnen er auch dem alten rechtſchaffenen Theologo Sarcerio zu folgen geſtehet P. 3. vom hei- ligen eheſtand p. 113. So zeigen ſie auch faſt insgemein/ daß es ihnen nicht ſo wol darum hoch zu thun ſey/ daß die praxis viel geuͤbet werde/ die ſo leicht boͤ- ſes nach ſich zihet/ als daß die chriſtliche freyheit nicht mit dem allgemeinen ſatz/ ob waͤre alles tantzen an ſich ſelbs ſuͤnde und verboten/ geſchwaͤchet werde. Stellet man aber das tantzen wie andere mittel-dinge/ die man nicht nuͤtzlich/ ſondern ſo bewandt findet/ daß man leicht darinnen anſtoͤſſet/ aus ſolchen ur- ſachen ab/ ſo moͤgen ſie es wol geſchehen laſſen/ und werden es etwa lieber ra- then. Alſo ſchreibet der Daͤniſche beruͤhmte Biſchoff D. Brochmann. Syſtem. T. 2. art. 18. p. 62. nachdem er zwo aſſertiones erſtlich geſetzet hatte. 1. Quæ- vis choreæ improbari non poſſunt. 2. Choreas hodiernas nihil habere commune cum priſcis ſanctorum choreis notius eſt, quam ut probatione ſit opus: So ſchlieſſet er mit dieſer tertia theſi: quanquam res indifferens ſit ſaltatio, ut quæ natura ſua nec bona nec mala ſit: quanquam etiam cujus- que loci conditioni pluſculum dandum ſit: quanquam denique omnes choreæ non ſint æque periculoſæ, ſed quædam ſua ſimplicitate ſe commen- dent, ut noſtratium: tamen quia choreæ, in quibus viri fœminis mixti ſalti- tant, non faciunt quicquam ad ſalutarem ædificationem, tutius omittuntur quam fervidius exercentur: tum quia hujusmodi choreæ à gentibus ortum duxere: tum quia rarius niſi à potis & bene paſtis aguntur, tum denique ab ejuſmodi choreis non parum abſterrere nos debet monitio prophetæ Eſaiæ, ita nos alloquentis cap. 5, 11. 12. addatur Amos 6, 5. 6. So iſt ohne das die- ſes eine allgemeine/ und wie in der ſchrifft uns vorgeſtabte/ alſo von allen Theologis erkante regel/ daß in allen dingen nicht nur abſolute, ob etwas in ſich eꝛlaubet ſey/ geſehen werden ſolle/ ſondern was voꝛ nutzen oder ſchaden da- von zu erwarten ſeye. 1. Cor. 10/ 23. Jch habe es zwahr alles macht/ aber es frommet nicht alles/ ich habe es alles macht/ aber es beſſert nicht alles. V. Es koͤmmt auch heut zu tage billich in conſideration die bewandnuͤß unſerer zeit/ und zeiget/ wo auch ſonſten das tantzen zu anderer zeit wol paßi- ret

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/498>, abgerufen am 23.11.2024.