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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
muthen/ daß er seinen söhnen dasjenige/ was ihnen wahrhafftig nützlich wäre/
und sie zum lobe GOttes antriebe/ werde haben verbieten wollen: Jst also
das verbot des vaters in dem verstand zu erklähren/ daß es auch seiner allge-
meinen schuldigen väterlichen liebe/ seiner söhne wahres bestes in allem gern
zubefördern/ nicht entgegen seye.
3. Solte auch der vater aus irriger meinung/ daß dergleichen in der na-
tur nicht zu finden/ und also aller an die arbeit wendender fleiß umsonst seye/
die disposition gemacht haben/ so würde dessen irrthum und was er daraus
verordnet/ fast unbillich demjenigen zur hindernüß gemacht/ worinnen die
söhne ihren nutzen auch in dem geistlichen machen könten.
4. Liesse sich auch disputiren/ ob eltern/ derer herrschafft über die kinder
mit ihrem tode auffhört/ mit ihren dispositionen nach ihrem tode die kinder zu
einigen ihnen nachtheiligen conditionen obligiren könten.
5. Es möchte auch nicht ohne wichtigkeit angesehen werden/ wo man
sagte/ die väterliche dispositio schliesse austrücklich die absicht reicher und
grösser zu werden mit ein/ wo also nicht diese/ sondern eine göttlichem willen
gemäße absicht seye/ höre jene verbindlichkeit auf.
6. Wie einer durch keine väterliche disposition böses zu thun könne ver-
bunden werden/ also auch nicht ein mehrers gute zu unterlassen/ sondern wel-
che disposition solches suche/ seye an sich selbs nulla.
7. Was dem weib versprochen worden/ scheinet auch nicht eben so bün-
dig zu seyn/ wegen in der specie facti oder frage selbs einverleibter um-
stände.

Diese ursachen solten scheinen so wichtig zu seyn/ daß man wider das te-
stament und dem weib gethanen verspruch sprechen/ und des sohns gewissen
freyheit die arbeit wiederum anzutreten geben möchte. Jch bekenne aber/
daß ich sie noch nicht vor gnugsam erkennen kan/ sondern meine gedancken in
gewisse sätze eintheilen will.

I. Die betrachtung und erforschung der natur ist eine sache/ so an sich
selbs GOTT nicht entgegen/ sondern vielmehr dem zweck/ worzu er den men-
schen in die welt gesetzet/ allerdings gemäß ist/ dann ob wir wol GOTT heil-
samlich allein aus seiner offenbahrung in der schrifft erkennen lernen/ sonder-
lich was unsre seligkeit angehet/ und nach den materien des andern und drit-
ten articuls/ so will er doch auch in gewisser maaß erkant seyn in seinen fuß-
stapffen/ welche er in die natur eingetrucket hat/ und wird dardurch der mensch
auch zu göttlichem lob auffgemuntert und angefrischet. Von dieser unter-
suchung der natur kan auch nicht bloß dahin ausgeschlossen werden/ daß man
wegen verwandlung der metallen einen versuch thue/ ob solche müglich oder
nicht: nur daß es auf solche weise geschehe/ daß man weder zu viel zeit noch
kosten
Das dritte Capitel.
muthen/ daß er ſeinen ſoͤhnen dasjenige/ was ihnen wahrhafftig nuͤtzlich waͤre/
und ſie zum lobe GOttes antriebe/ werde haben verbieten wollen: Jſt alſo
das verbot des vaters in dem verſtand zu erklaͤhren/ daß es auch ſeiner allge-
meinen ſchuldigen vaͤterlichen liebe/ ſeiner ſoͤhne wahres beſtes in allem gern
zubefoͤrdern/ nicht entgegen ſeye.
3. Solte auch der vater aus irriger meinung/ daß dergleichen in der na-
tur nicht zu finden/ und alſo aller an die arbeit wendender fleiß umſonſt ſeye/
die diſpoſition gemacht haben/ ſo wuͤrde deſſen irrthum und was er daraus
verordnet/ faſt unbillich demjenigen zur hindernuͤß gemacht/ worinnen die
ſoͤhne ihren nutzen auch in dem geiſtlichen machen koͤnten.
4. Lieſſe ſich auch diſputiren/ ob eltern/ derer herrſchafft uͤber die kinder
mit ihrem tode auffhoͤrt/ mit ihren diſpoſitionen nach ihrem tode die kinder zu
einigen ihnen nachtheiligen conditionen obligiren koͤnten.
5. Es moͤchte auch nicht ohne wichtigkeit angeſehen werden/ wo man
ſagte/ die vaͤterliche diſpoſitio ſchlieſſe austruͤcklich die abſicht reicher und
groͤſſer zu werden mit ein/ wo alſo nicht dieſe/ ſondern eine goͤttlichem willen
gemaͤße abſicht ſeye/ hoͤre jene verbindlichkeit auf.
6. Wie einer durch keine vaͤterliche diſpoſition boͤſes zu thun koͤnne ver-
bunden werden/ alſo auch nicht ein mehrers gute zu unterlaſſen/ ſondern wel-
che diſpoſition ſolches ſuche/ ſeye an ſich ſelbs nulla.
7. Was dem weib verſprochen worden/ ſcheinet auch nicht eben ſo buͤn-
dig zu ſeyn/ wegen in der ſpecie facti oder frage ſelbs einverleibter um-
ſtaͤnde.

Dieſe urſachen ſolten ſcheinen ſo wichtig zu ſeyn/ daß man wider das te-
ſtament und dem weib gethanen verſpruch ſprechen/ und des ſohns gewiſſen
freyheit die arbeit wiederum anzutreten geben moͤchte. Jch bekenne aber/
daß ich ſie noch nicht vor gnugſam erkennen kan/ ſondern meine gedancken in
gewiſſe ſaͤtze eintheilen will.

I. Die betrachtung und erforſchung der natur iſt eine ſache/ ſo an ſich
ſelbs GOTT nicht entgegen/ ſondern vielmehr dem zweck/ worzu er den men-
ſchen in die welt geſetzet/ allerdings gemaͤß iſt/ dann ob wir wol GOTT heil-
ſamlich allein aus ſeiner offenbahrung in der ſchrifft erkennen lernen/ ſonder-
lich was unſre ſeligkeit angehet/ und nach den materien des andern und drit-
ten articuls/ ſo will er doch auch in gewiſſer maaß erkant ſeyn in ſeinen fuß-
ſtapffen/ welche er in die natur eingetrucket hat/ und wird dardurch der menſch
auch zu goͤttlichem lob auffgemuntert und angefriſchet. Von dieſer unter-
ſuchung der natur kan auch nicht bloß dahin ausgeſchloſſen werden/ daß man
wegen verwandlung der metallen einen verſuch thue/ ob ſolche muͤglich oder
nicht: nur daß es auf ſolche weiſe geſchehe/ daß man weder zu viel zeit noch
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[260/0268] Das dritte Capitel. muthen/ daß er ſeinen ſoͤhnen dasjenige/ was ihnen wahrhafftig nuͤtzlich waͤre/ und ſie zum lobe GOttes antriebe/ werde haben verbieten wollen: Jſt alſo das verbot des vaters in dem verſtand zu erklaͤhren/ daß es auch ſeiner allge- meinen ſchuldigen vaͤterlichen liebe/ ſeiner ſoͤhne wahres beſtes in allem gern zubefoͤrdern/ nicht entgegen ſeye. 3. Solte auch der vater aus irriger meinung/ daß dergleichen in der na- tur nicht zu finden/ und alſo aller an die arbeit wendender fleiß umſonſt ſeye/ die diſpoſition gemacht haben/ ſo wuͤrde deſſen irrthum und was er daraus verordnet/ faſt unbillich demjenigen zur hindernuͤß gemacht/ worinnen die ſoͤhne ihren nutzen auch in dem geiſtlichen machen koͤnten. 4. Lieſſe ſich auch diſputiren/ ob eltern/ derer herrſchafft uͤber die kinder mit ihrem tode auffhoͤrt/ mit ihren diſpoſitionen nach ihrem tode die kinder zu einigen ihnen nachtheiligen conditionen obligiren koͤnten. 5. Es moͤchte auch nicht ohne wichtigkeit angeſehen werden/ wo man ſagte/ die vaͤterliche diſpoſitio ſchlieſſe austruͤcklich die abſicht reicher und groͤſſer zu werden mit ein/ wo alſo nicht dieſe/ ſondern eine goͤttlichem willen gemaͤße abſicht ſeye/ hoͤre jene verbindlichkeit auf. 6. Wie einer durch keine vaͤterliche diſpoſition boͤſes zu thun koͤnne ver- bunden werden/ alſo auch nicht ein mehrers gute zu unterlaſſen/ ſondern wel- che diſpoſition ſolches ſuche/ ſeye an ſich ſelbs nulla. 7. Was dem weib verſprochen worden/ ſcheinet auch nicht eben ſo buͤn- dig zu ſeyn/ wegen in der ſpecie facti oder frage ſelbs einverleibter um- ſtaͤnde. Dieſe urſachen ſolten ſcheinen ſo wichtig zu ſeyn/ daß man wider das te- ſtament und dem weib gethanen verſpruch ſprechen/ und des ſohns gewiſſen freyheit die arbeit wiederum anzutreten geben moͤchte. Jch bekenne aber/ daß ich ſie noch nicht vor gnugſam erkennen kan/ ſondern meine gedancken in gewiſſe ſaͤtze eintheilen will. I. Die betrachtung und erforſchung der natur iſt eine ſache/ ſo an ſich ſelbs GOTT nicht entgegen/ ſondern vielmehr dem zweck/ worzu er den men- ſchen in die welt geſetzet/ allerdings gemaͤß iſt/ dann ob wir wol GOTT heil- ſamlich allein aus ſeiner offenbahrung in der ſchrifft erkennen lernen/ ſonder- lich was unſre ſeligkeit angehet/ und nach den materien des andern und drit- ten articuls/ ſo will er doch auch in gewiſſer maaß erkant ſeyn in ſeinen fuß- ſtapffen/ welche er in die natur eingetrucket hat/ und wird dardurch der menſch auch zu goͤttlichem lob auffgemuntert und angefriſchet. Von dieſer unter- ſuchung der natur kan auch nicht bloß dahin ausgeſchloſſen werden/ daß man wegen verwandlung der metallen einen verſuch thue/ ob ſolche muͤglich oder nicht: nur daß es auf ſolche weiſe geſchehe/ daß man weder zu viel zeit noch koſten

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/268>, abgerufen am 23.11.2024.