Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. IV. SECT. XXIV.
macht sind/ sich der welt nicht gleich stellen/ darüber nicht richten/ oder sie vor
heuchler und schmeicher achten: vielmehr mit dem gebrauch gedult haben/ und
die Prediger thun lassen/ was christl. klugheit ihnen an die hand giebet/ in gewis-
sen dingen die an sich mitteldinge sind/ andern zufügen/ daß sie mehr eingang in
den andern stücken behalten/ woran das hauptwerck gelegen ist. Wie ein Medi-
cus
an einen menschen enserliche krätze/ obs wohl heßlich stehet/ noch leidet/ und
des patienten schonet/ daran ihn nicht anzugreiffen/ aber ihm die jenige mittel desto
fleißiger braucht/ welche ihn inwendig gesund machen/ und das geblüt reinigen/
damit folglich jenes euserliche von sich selbs weggehe. Jndessen ist ihr amt/ zu
Gott zu seufftzen/ daß er in allen stücken alles so bessere/ daß auch dergl. mißstän-
de mögen abkommen/ sonderlich aber die Prediger mit weißheit regiere/ weder
der welt sich nach zu arthen/ noch hingegen in unnötigen dingen dero wiederwil-
len mit unzeitigem eiffer gegen sich zu reitzen. Der Herr gebe uns auch allen die
nötige weißheit und gedult/ wie sie uns itziger zeit nötig ist zu seiner ehre/ verhüt-
und abwendung alles ärgernüsses 1686.

SECTIO XXIV.
Benennung SELJG von den abgestorbenen.
Warum die Lutherische um den rechten glauben beten. Sab-
bathsfeyer. Nichts durchgehendes zur besserung
ietzo zu hoffen.

WAs die dem Bischoff von N N. von N N. gehaltene gedächtnüß pre-
digt anlangt/ ist mir davon nichts sonsten wissend: erinnere mich aber
wol/ daß mein S. Schwager der Hoffprediger zu Rappolstein auch auff
Königl. befehl (wie denn dergl. alle Evangelische Prediger des landes betroffen)
dem Cardinal Mazarini eine gedächtnüß predigt halten müssen. Er nahm selbs
zum text. Sirach 14/ 19. 20. zum exordio 2. Kön. 5/ 1. vermeidete aber in der gan-
tzen predigt und action, daß er ihm das praedicat selig niemal gab/ sondern
andere elogia, als einem berühmten und wohlverdienten staats-man. Dergl.
bekenne/ würde ich in solcher gelegenheit auch thun/ und mich des worts selig
üm anderer anstosses willen enthalten. Es schicket sich auch mein methodus in
den leichpredigten so viel besser dazu/ in dem ich des todten in der predigt mit keinem
wort sondern nur bey dem ende des exordii, warum wir beysammen seyen/ und
in den personalien gedencke/ bey dem text aber und dessen theilen kaum iemal eini-
ge application mache: weil ich sehe/ wie bey denselben applicationen so viel
mißbrauch vorgehet/ und dem verstorbenen gemeiniglich solche dinge beygeleget
werden/ daran er nie gedacht. Jn übrigen können auch die Päbstische mit fug

von
m

ARTIC. IV. SECT. XXIV.
macht ſind/ ſich der welt nicht gleich ſtellen/ daruͤber nicht richten/ oder ſie vor
heuchler und ſchmeicher achten: vielmehr mit dem gebrauch gedult haben/ und
die Prediger thun laſſen/ was chriſtl. klugheit ihnen an die hand giebet/ in gewiſ-
ſen dingen die an ſich mitteldinge ſind/ andern zufuͤgen/ daß ſie mehr eingang in
den andern ſtuͤcken behalten/ woran das hauptwerck gelegen iſt. Wie ein Medi-
cus
an einen menſchen enſerliche kraͤtze/ obs wohl heßlich ſtehet/ noch leidet/ und
des patienten ſchonet/ daran ihn nicht anzugreiffen/ aber ihm die jenige mittel deſto
fleißiger braucht/ welche ihn inwendig geſund machen/ und das gebluͤt reinigen/
damit folglich jenes euſerliche von ſich ſelbs weggehe. Jndeſſen iſt ihr amt/ zu
Gott zu ſeufftzen/ daß er in allen ſtuͤcken alles ſo beſſere/ daß auch dergl. mißſtaͤn-
de moͤgen abkommen/ ſonderlich aber die Prediger mit weißheit regiere/ weder
der welt ſich nach zu arthen/ noch hingegen in unnoͤtigen dingen dero wiederwil-
len mit unzeitigem eiffer gegen ſich zu reitzen. Der Herr gebe uns auch allen die
noͤtige weißheit und gedult/ wie ſie uns itziger zeit noͤtig iſt zu ſeiner ehre/ verhuͤt-
und abwendung alles aͤrgernuͤſſes 1686.

SECTIO XXIV.
Benennung SELJG von den abgeſtorbenen.
Warum die Lutheriſche um den rechten glauben beten. Sab-
bathsfeyer. Nichts durchgehendes zur beſſerung
ietzo zu hoffen.

WAs die dem Biſchoff von N N. von N N. gehaltene gedaͤchtnuͤß pre-
digt anlangt/ iſt mir davon nichts ſonſten wiſſend: erinnere mich aber
wol/ daß mein S. Schwager der Hoffprediger zu Rappolſtein auch auff
Koͤnigl. befehl (wie denn dergl. alle Evangeliſche Prediger des landes betroffen)
dem Cardinal Mazarini eine gedaͤchtnuͤß predigt halten muͤſſen. Er nahm ſelbs
zum text. Sirach 14/ 19. 20. zum exordio 2. Koͤn. 5/ 1. vermeidete aber in der gan-
tzen predigt und action, daß er ihm das prædicat ſelig niemal gab/ ſondern
andere elogia, als einem beruͤhmten und wohlverdienten ſtaats-man. Dergl.
bekenne/ wuͤrde ich in ſolcher gelegenheit auch thun/ und mich des worts ſelig
uͤm anderer anſtoſſes willen enthalten. Es ſchicket ſich auch mein methodus in
den leichpredigten ſo viel beſſer dazu/ in dem ich des todten in der predigt mit keinem
wort ſondern nur bey dem ende des exordii, warum wir beyſammen ſeyen/ und
in den perſonalien gedencke/ bey dem text aber und deſſen theilen kaum iemal eini-
ge application mache: weil ich ſehe/ wie bey denſelben applicationen ſo viel
mißbrauch vorgehet/ und dem verſtorbenen gemeiniglich ſolche dinge beygeleget
werden/ daran er nie gedacht. Jn uͤbrigen koͤnnen auch die Paͤbſtiſche mit fug

von
m
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0889" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC. IV. SECT. XXIV.</hi></hi></hi></fw><lb/>
macht &#x017F;ind/ &#x017F;ich der welt nicht gleich &#x017F;tellen/ daru&#x0364;ber nicht richten/ oder &#x017F;ie vor<lb/>
heuchler und &#x017F;chmeicher achten: vielmehr mit dem gebrauch gedult haben/ und<lb/>
die Prediger thun la&#x017F;&#x017F;en/ was chri&#x017F;tl. klugheit ihnen an die hand giebet/ in gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en dingen die an &#x017F;ich mitteldinge &#x017F;ind/ andern zufu&#x0364;gen/ daß &#x017F;ie mehr eingang in<lb/>
den andern &#x017F;tu&#x0364;cken behalten/ woran das hauptwerck gelegen i&#x017F;t. Wie ein <hi rendition="#aq">Medi-<lb/>
cus</hi> an einen men&#x017F;chen en&#x017F;erliche kra&#x0364;tze/ obs wohl heßlich &#x017F;tehet/ noch leidet/ und<lb/>
des <hi rendition="#aq">patient</hi>en &#x017F;chonet/ daran ihn nicht anzugreiffen/ aber ihm die jenige mittel de&#x017F;to<lb/>
fleißiger braucht/ welche ihn inwendig ge&#x017F;und machen/ und das geblu&#x0364;t reinigen/<lb/>
damit folglich jenes eu&#x017F;erliche von &#x017F;ich &#x017F;elbs weggehe. Jnde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t ihr amt/ zu<lb/>
Gott zu &#x017F;eufftzen/ daß er in allen &#x017F;tu&#x0364;cken alles &#x017F;o be&#x017F;&#x017F;ere/ daß auch dergl. miß&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
de mo&#x0364;gen abkommen/ &#x017F;onderlich aber die Prediger mit weißheit regiere/ weder<lb/>
der welt &#x017F;ich nach zu arthen/ noch hingegen in unno&#x0364;tigen dingen dero wiederwil-<lb/>
len mit unzeitigem eiffer gegen &#x017F;ich zu reitzen. Der Herr gebe uns auch allen die<lb/>
no&#x0364;tige weißheit und gedult/ wie &#x017F;ie uns itziger zeit no&#x0364;tig i&#x017F;t zu &#x017F;einer ehre/ verhu&#x0364;t-<lb/>
und abwendung alles a&#x0364;rgernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;es 1686.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXIV.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Benennung SELJG von den abge&#x017F;torbenen.<lb/>
Warum die Lutheri&#x017F;che um den rechten glauben beten. Sab-<lb/>
bathsfeyer. Nichts durchgehendes zur be&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
ietzo zu hoffen.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi>As die dem Bi&#x017F;choff von N N. von N N. gehaltene geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß pre-<lb/>
digt anlangt/ i&#x017F;t mir davon nichts &#x017F;on&#x017F;ten wi&#x017F;&#x017F;end: erinnere mich aber<lb/>
wol/ daß mein S. Schwager der Hoffprediger zu Rappol&#x017F;tein auch auff<lb/>
Ko&#x0364;nigl. befehl (wie denn dergl. alle Evangeli&#x017F;che Prediger des landes betroffen)<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Cardinal Mazarini</hi> eine geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß predigt halten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Er nahm &#x017F;elbs<lb/>
zum text. Sirach 14/ 19. 20. zum <hi rendition="#aq">exordio</hi> 2. Ko&#x0364;n. 5/ 1. vermeidete aber in der gan-<lb/>
tzen predigt und <hi rendition="#aq">action,</hi> daß er ihm das <hi rendition="#aq">prædicat</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;elig</hi> niemal gab/ &#x017F;ondern<lb/>
andere <hi rendition="#aq">elogia,</hi> als einem beru&#x0364;hmten und wohlverdienten &#x017F;taats-man. Dergl.<lb/>
bekenne/ wu&#x0364;rde ich in &#x017F;olcher gelegenheit auch thun/ und mich des worts <hi rendition="#fr">&#x017F;elig</hi><lb/>
u&#x0364;m anderer an&#x017F;to&#x017F;&#x017F;es willen enthalten. Es &#x017F;chicket &#x017F;ich auch mein <hi rendition="#aq">methodus</hi> in<lb/>
den leichpredigten &#x017F;o viel be&#x017F;&#x017F;er dazu/ in dem ich des todten in der predigt mit keinem<lb/>
wort &#x017F;ondern nur bey dem ende des <hi rendition="#aq">exordii,</hi> warum wir bey&#x017F;ammen &#x017F;eyen/ und<lb/>
in den <hi rendition="#aq">per&#x017F;onali</hi>en gedencke/ bey dem text aber und de&#x017F;&#x017F;en theilen kaum iemal eini-<lb/>
ge <hi rendition="#aq">application</hi> mache: weil ich &#x017F;ehe/ wie bey den&#x017F;elben <hi rendition="#aq">application</hi>en &#x017F;o viel<lb/>
mißbrauch vorgehet/ und dem ver&#x017F;torbenen gemeiniglich &#x017F;olche dinge beygeleget<lb/>
werden/ daran er nie gedacht. Jn u&#x0364;brigen ko&#x0364;nnen auch die Pa&#x0364;b&#x017F;ti&#x017F;che mit fug<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">m</fw><fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0889] ARTIC. IV. SECT. XXIV. macht ſind/ ſich der welt nicht gleich ſtellen/ daruͤber nicht richten/ oder ſie vor heuchler und ſchmeicher achten: vielmehr mit dem gebrauch gedult haben/ und die Prediger thun laſſen/ was chriſtl. klugheit ihnen an die hand giebet/ in gewiſ- ſen dingen die an ſich mitteldinge ſind/ andern zufuͤgen/ daß ſie mehr eingang in den andern ſtuͤcken behalten/ woran das hauptwerck gelegen iſt. Wie ein Medi- cus an einen menſchen enſerliche kraͤtze/ obs wohl heßlich ſtehet/ noch leidet/ und des patienten ſchonet/ daran ihn nicht anzugreiffen/ aber ihm die jenige mittel deſto fleißiger braucht/ welche ihn inwendig geſund machen/ und das gebluͤt reinigen/ damit folglich jenes euſerliche von ſich ſelbs weggehe. Jndeſſen iſt ihr amt/ zu Gott zu ſeufftzen/ daß er in allen ſtuͤcken alles ſo beſſere/ daß auch dergl. mißſtaͤn- de moͤgen abkommen/ ſonderlich aber die Prediger mit weißheit regiere/ weder der welt ſich nach zu arthen/ noch hingegen in unnoͤtigen dingen dero wiederwil- len mit unzeitigem eiffer gegen ſich zu reitzen. Der Herr gebe uns auch allen die noͤtige weißheit und gedult/ wie ſie uns itziger zeit noͤtig iſt zu ſeiner ehre/ verhuͤt- und abwendung alles aͤrgernuͤſſes 1686. SECTIO XXIV. Benennung SELJG von den abgeſtorbenen. Warum die Lutheriſche um den rechten glauben beten. Sab- bathsfeyer. Nichts durchgehendes zur beſſerung ietzo zu hoffen. WAs die dem Biſchoff von N N. von N N. gehaltene gedaͤchtnuͤß pre- digt anlangt/ iſt mir davon nichts ſonſten wiſſend: erinnere mich aber wol/ daß mein S. Schwager der Hoffprediger zu Rappolſtein auch auff Koͤnigl. befehl (wie denn dergl. alle Evangeliſche Prediger des landes betroffen) dem Cardinal Mazarini eine gedaͤchtnuͤß predigt halten muͤſſen. Er nahm ſelbs zum text. Sirach 14/ 19. 20. zum exordio 2. Koͤn. 5/ 1. vermeidete aber in der gan- tzen predigt und action, daß er ihm das prædicat ſelig niemal gab/ ſondern andere elogia, als einem beruͤhmten und wohlverdienten ſtaats-man. Dergl. bekenne/ wuͤrde ich in ſolcher gelegenheit auch thun/ und mich des worts ſelig uͤm anderer anſtoſſes willen enthalten. Es ſchicket ſich auch mein methodus in den leichpredigten ſo viel beſſer dazu/ in dem ich des todten in der predigt mit keinem wort ſondern nur bey dem ende des exordii, warum wir beyſammen ſeyen/ und in den perſonalien gedencke/ bey dem text aber und deſſen theilen kaum iemal eini- ge application mache: weil ich ſehe/ wie bey denſelben applicationen ſo viel mißbrauch vorgehet/ und dem verſtorbenen gemeiniglich ſolche dinge beygeleget werden/ daran er nie gedacht. Jn uͤbrigen koͤnnen auch die Paͤbſtiſche mit fug von m

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/889
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/889>, abgerufen am 03.12.2024.