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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
ersten schreiben enthalten sind/ kan ich mit wahrheit sagen/ daß mich die erzeh-
lung der von demselben mit seinen zuhörern angestellten übungen hertzlich er-
freuet/ und ich keine sehe/ die ich nicht billig lobte/ und lieber an allen orten/
wo dazu tüchtige leute sind/ eingeführt/ als bey demselben gehemmet haben
wolte. Ob aber gel. bruder dabey ruhig gelassen/ oder nicht sorglich eini-
ges davon niedergeleget möchte werden/ traue ich nicht aus betrachtung die-
ser zeit zu versichern. Das dritte Catechismus examen mit den kindern sehe
ich zwahr nicht wohl/ wie es nur mit einem schein inhibiret werden möchte/
es wäre dann sache/ daß derselbe die kinder dazu obligirte/ daß sie auch das
dritte mahl kommen müsten/ und sich die eltern beschwehrten/ daß sie ih-
rer kinder selbs nicht so offt entrathen könten: Was aber die jenige an-
langt/ da die eltern zufrieden sind (wie wir ohne das in unsrem
amt das meiste mit denen zuthun haben/ die gerne mit sich handeln lassen wol-
len) will ich ja nicht hoffen/ daß denenselben ihre erbauung werde versagt
werden. Was aber betrifft die alte/ weiß ich nicht/ wie viel ich versprechen
kan/ daß es dabey bleiben werde/ wo einige/ die was vermögen haben/ dem
wercke zu wider sind. Verbothene conventicula sind zwahr nicht/ da ein öf-
fentlicher lehrer/ ob zwahr in seinem hauß/ mit seinen kirch- oder beicht-kin-
dern handelt: aber da auch das Chur-Fürstl. Sächsische edict allein wider
gewisse und umbschriebene/ an sich selbst/ weil darinnen unrechtes vorge-
hen sollte/ unzuläßliche zusammenkünffte gerichtet ist/ hat man doch gnug
erfahren/ wie es von vielen als ein verboth aller Christlichen versamlung zur
erbauung angesehen/ und weiter getrieben werden wollen. Also ist dieses
der punct, an dem ich meistens anstehe/ nicht zwahr/ daß ich nicht selbst der-
gleichen hertzlich wünsche/ sondern weiß/ wie ihrer viel in solchem werck an-
ders gesinnet sind. Was aber ferner anlangt/ wo mit den beicht-kindern
gehandelt/ und ihnen die beicht verstehen zu lernen an hand gegangen wird/
bekenne/ daß nicht sehe/ daß mit einigem vernünfftigen schein solches verworf-
fen werden könte. Jedoch bekenne wiederum/ daß wir doch zu unsrer zeit
zuweilen sehen dergleichen zugeschehen. Jch komme so bald auf das andere
schreiben/ da wegen der sonntags-feyr gefragt wird. Wie möchte aber so
hertzlich wünschen/ daß auch darinnen vergnüglich antworten könte. Jch bin
selbst der meinung/ daß uns Christen eine ernstliche heiligung des sabbaths
oblige/ ob ich wohl dieselbe mehr in dem innerlichen als eusserlichen suche/ da
dieses hingegen das hülfsmittel von jenem ist/ daher diese heiligung nicht un-
ter die ceremonialia, mit einigen unserer zeit Theologen setzen kan: neben dem
bin auch versichert/ wer eine zeitlang den sabbath recht/ wie sichs geziehmet/
feyren würde/ solte aus eigner erfahrung u. nutzen seiner seel erkennen/ wie sol-
ches geboth uns vielmehr eine wolthat als last seye/ daß uns Gott von unsrer

ar-

Das andere Capitel.
erſten ſchreiben enthalten ſind/ kan ich mit wahrheit ſagen/ daß mich die erzeh-
lung der von demſelben mit ſeinen zuhoͤrern angeſtellten uͤbungen hertzlich er-
freuet/ und ich keine ſehe/ die ich nicht billig lobte/ und lieber an allen orten/
wo dazu tuͤchtige leute ſind/ eingefuͤhrt/ als bey demſelben gehemmet haben
wolte. Ob aber gel. bruder dabey ruhig gelaſſen/ oder nicht ſorglich eini-
ges davon niedergeleget moͤchte werden/ traue ich nicht aus betrachtung die-
ſer zeit zu verſichern. Das dritte Catechiſmus examen mit den kindern ſehe
ich zwahr nicht wohl/ wie es nur mit einem ſchein inhibiret werden moͤchte/
es waͤre dann ſache/ daß derſelbe die kinder dazu obligirte/ daß ſie auch das
dritte mahl kommen muͤſten/ und ſich die eltern beſchwehrten/ daß ſie ih-
rer kinder ſelbs nicht ſo offt entrathen koͤnten: Was aber die jenige an-
langt/ da die eltern zufrieden ſind (wie wir ohne das in unſrem
amt das meiſte mit denen zuthun haben/ die gerne mit ſich handeln laſſen wol-
len) will ich ja nicht hoffen/ daß denenſelben ihre erbauung werde verſagt
werden. Was aber betrifft die alte/ weiß ich nicht/ wie viel ich verſprechen
kan/ daß es dabey bleiben werde/ wo einige/ die was vermoͤgen haben/ dem
wercke zu wider ſind. Verbothene conventicula ſind zwahr nicht/ da ein oͤf-
fentlicher lehrer/ ob zwahr in ſeinem hauß/ mit ſeinen kirch- oder beicht-kin-
dern handelt: aber da auch das Chur-Fuͤrſtl. Saͤchſiſche edict allein wider
gewiſſe und umbſchriebene/ an ſich ſelbſt/ weil darinnen unrechtes vorge-
hen ſollte/ unzulaͤßliche zuſammenkuͤnffte gerichtet iſt/ hat man doch gnug
erfahren/ wie es von vielen als ein verboth aller Chriſtlichen verſamlung zur
erbauung angeſehen/ und weiter getrieben werden wollen. Alſo iſt dieſes
der punct, an dem ich meiſtens anſtehe/ nicht zwahr/ daß ich nicht ſelbſt der-
gleichen hertzlich wuͤnſche/ ſondern weiß/ wie ihrer viel in ſolchem werck an-
ders geſinnet ſind. Was aber ferner anlangt/ wo mit den beicht-kindern
gehandelt/ und ihnen die beicht verſtehen zu lernen an hand gegangen wird/
bekenne/ daß nicht ſehe/ daß mit einigem vernuͤnfftigen ſchein ſolches verworf-
fen werden koͤnte. Jedoch bekenne wiederum/ daß wir doch zu unſrer zeit
zuweilen ſehen dergleichen zugeſchehen. Jch komme ſo bald auf das andere
ſchreiben/ da wegen der ſonntags-feyr gefragt wird. Wie moͤchte aber ſo
hertzlich wuͤnſchen/ daß auch darinnen vergnuͤglich antworten koͤnte. Jch bin
ſelbſt der meinung/ daß uns Chriſten eine ernſtliche heiligung des ſabbaths
oblige/ ob ich wohl dieſelbe mehr in dem innerlichen als euſſerlichen ſuche/ da
dieſes hingegen das huͤlfsmittel von jenem iſt/ daher dieſe heiligung nicht un-
ter die ceremonialia, mit einigen unſerer zeit Theologen ſetzen kan: neben dem
bin auch verſichert/ wer eine zeitlang den ſabbath recht/ wie ſichs geziehmet/
feyren wuͤrde/ ſolte aus eigner erfahrung u. nutzen ſeiner ſeel erkennen/ wie ſol-
ches geboth uns vielmehr eine wolthat als laſt ſeye/ daß uns Gott von unſrer

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[766/0782] Das andere Capitel. erſten ſchreiben enthalten ſind/ kan ich mit wahrheit ſagen/ daß mich die erzeh- lung der von demſelben mit ſeinen zuhoͤrern angeſtellten uͤbungen hertzlich er- freuet/ und ich keine ſehe/ die ich nicht billig lobte/ und lieber an allen orten/ wo dazu tuͤchtige leute ſind/ eingefuͤhrt/ als bey demſelben gehemmet haben wolte. Ob aber gel. bruder dabey ruhig gelaſſen/ oder nicht ſorglich eini- ges davon niedergeleget moͤchte werden/ traue ich nicht aus betrachtung die- ſer zeit zu verſichern. Das dritte Catechiſmus examen mit den kindern ſehe ich zwahr nicht wohl/ wie es nur mit einem ſchein inhibiret werden moͤchte/ es waͤre dann ſache/ daß derſelbe die kinder dazu obligirte/ daß ſie auch das dritte mahl kommen muͤſten/ und ſich die eltern beſchwehrten/ daß ſie ih- rer kinder ſelbs nicht ſo offt entrathen koͤnten: Was aber die jenige an- langt/ da die eltern zufrieden ſind (wie wir ohne das in unſrem amt das meiſte mit denen zuthun haben/ die gerne mit ſich handeln laſſen wol- len) will ich ja nicht hoffen/ daß denenſelben ihre erbauung werde verſagt werden. Was aber betrifft die alte/ weiß ich nicht/ wie viel ich verſprechen kan/ daß es dabey bleiben werde/ wo einige/ die was vermoͤgen haben/ dem wercke zu wider ſind. Verbothene conventicula ſind zwahr nicht/ da ein oͤf- fentlicher lehrer/ ob zwahr in ſeinem hauß/ mit ſeinen kirch- oder beicht-kin- dern handelt: aber da auch das Chur-Fuͤrſtl. Saͤchſiſche edict allein wider gewiſſe und umbſchriebene/ an ſich ſelbſt/ weil darinnen unrechtes vorge- hen ſollte/ unzulaͤßliche zuſammenkuͤnffte gerichtet iſt/ hat man doch gnug erfahren/ wie es von vielen als ein verboth aller Chriſtlichen verſamlung zur erbauung angeſehen/ und weiter getrieben werden wollen. Alſo iſt dieſes der punct, an dem ich meiſtens anſtehe/ nicht zwahr/ daß ich nicht ſelbſt der- gleichen hertzlich wuͤnſche/ ſondern weiß/ wie ihrer viel in ſolchem werck an- ders geſinnet ſind. Was aber ferner anlangt/ wo mit den beicht-kindern gehandelt/ und ihnen die beicht verſtehen zu lernen an hand gegangen wird/ bekenne/ daß nicht ſehe/ daß mit einigem vernuͤnfftigen ſchein ſolches verworf- fen werden koͤnte. Jedoch bekenne wiederum/ daß wir doch zu unſrer zeit zuweilen ſehen dergleichen zugeſchehen. Jch komme ſo bald auf das andere ſchreiben/ da wegen der ſonntags-feyr gefragt wird. Wie moͤchte aber ſo hertzlich wuͤnſchen/ daß auch darinnen vergnuͤglich antworten koͤnte. Jch bin ſelbſt der meinung/ daß uns Chriſten eine ernſtliche heiligung des ſabbaths oblige/ ob ich wohl dieſelbe mehr in dem innerlichen als euſſerlichen ſuche/ da dieſes hingegen das huͤlfsmittel von jenem iſt/ daher dieſe heiligung nicht un- ter die ceremonialia, mit einigen unſerer zeit Theologen ſetzen kan: neben dem bin auch verſichert/ wer eine zeitlang den ſabbath recht/ wie ſichs geziehmet/ feyren wuͤrde/ ſolte aus eigner erfahrung u. nutzen ſeiner ſeel erkennen/ wie ſol- ches geboth uns vielmehr eine wolthat als laſt ſeye/ daß uns Gott von unſrer ar-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/782>, abgerufen am 25.11.2024.