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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO X.
3. Wo nun mehrere an einer gemeinde seelen-sorge arbeiten/ da ists nicht
nöthig/ daß singuli, bey denen dieselbe stehet/ auch jegliche schaafe kennen/
sondern auch nach GOttes ordnung ists genug/ wo keine seele in der gemein-
de übrig ist/ auff die nicht eine oder mehrere ihre auffsicht auch besonders ha-
ben. Wie aber solche eintheilung zu machen/ ist in GOttes wort nicht aus-
gedruckt/ sondern der Christlichen klugheit jeglicher kirchen/ und denen wel-
chen derselben obsicht anvertrauet ist/ heimgegeben: so ists auch etwa nicht
so gar schwehr dergleichen zu wercke zu richten bey einer gemeinde/ welche
mittel mäßig groß; aber bey einer gemeinde/ welche aus viel tausenden beste-
het/ sehe ich allzugrosseschwehrigkeit/ und hielte ich vor viel billiger/ dieselbe
in mehrere gemeinden zu zertheilen.
4. Wo nun mehrere seelsorger und hirten der gemeinde sind/ ists nicht
allein erlaubt/ sondern wol das zimlichste/ daß unter denselben einer den an-
dern zum auffseher vorgesetzet werde/ der zwahr so viel noch müglich auch die
heerde zu weyden bemühet seye/ sein meistes amt aber gleichwohl vielmehr
in der regirung der übrigen bestehe.
5. Unsere heutige verfassung der kirchen/ da man einige Pastores andere
Diaconos nennet/ ist nicht aus der bewandnüß der nahmen/ wie sie in der
schrifft gebraucht werden/ zu aestimiren; indem unsere Diaconi am allerwe-
nigsten mit den alten überein kommen/ indem denselben allein die verpflegung
der armen auffgetragen war (in welchem verstand annoch nicht nur bey den
Reformirten/ sondern auch an einigen orten bey den unsrigen als in Nider-
land und welche sich nach den Niderländern richten/ als in Franckfurth am
Mayn das exempel ist/ das wort gebraucht wird) die unsrige aber haben ins-
gemein mit solcher verpflegung so gar nichts zu thun/ daß vielmehr wo noch
das Ministerium etwas an der armen versorgung zu verrichten hat/ sothane
sorge an dem so genanten pastorat hanget. Daher sind unsere Diaconi nach
der schrifft redens-art vielmehr Pastores, der so genante Pastor aber hat mit
ihnen solche seelen-sorge gemein/ hingegen allein dieses besondere/ daß er die
übrige Collegas, Compastores oder so genante Diaconos in ihrem amte regi-
ren solle.
6. Daraus folget/ daß obwol der eine allein in einer gemeinde Pastor ge-
nennet wird (so nicht gantz allgemein/ nachdem in Franckfurth alle insge-
samt Pastores oder pfarrer heissen/ hingegen in Nürnberg/ was anders wo die
Pastores seyn sollen/ mit dem nahmen der prediger benennet werden/) den-
noch eine gemeinde/ so der vorsteher viele hat/ wahrhafftig alle Pastores sind/
und wo nach alter ordnung der beichtstul und was davon dependiret (dahin
gehöret das meiste der besondern seelen-sorge) an die so genante Diaconos
ver-
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ARTIC. III. SECTIO X.
3. Wo nun mehrere an einer gemeinde ſeelen-ſorge arbeiten/ da iſts nicht
noͤthig/ daß ſinguli, bey denen dieſelbe ſtehet/ auch jegliche ſchaafe kennen/
ſondern auch nach GOttes ordnung iſts genug/ wo keine ſeele in der gemein-
de uͤbrig iſt/ auff die nicht eine oder mehrere ihre auffſicht auch beſonders ha-
ben. Wie aber ſolche eintheilung zu machen/ iſt in GOttes wort nicht aus-
gedruckt/ ſondern der Chriſtlichen klugheit jeglicher kirchen/ und denen wel-
chen derſelben obſicht anvertrauet iſt/ heimgegeben: ſo iſts auch etwa nicht
ſo gar ſchwehr dergleichen zu wercke zu richten bey einer gemeinde/ welche
mittel maͤßig groß; aber bey einer gemeinde/ welche aus viel tauſenden beſte-
het/ ſehe ich allzugroſſeſchwehrigkeit/ und hielte ich vor viel billiger/ dieſelbe
in mehrere gemeinden zu zertheilen.
4. Wo nun mehrere ſeelſorger und hirten der gemeinde ſind/ iſts nicht
allein erlaubt/ ſondern wol das zimlichſte/ daß unter denſelben einer den an-
dern zum auffſeher vorgeſetzet werde/ der zwahr ſo viel noch muͤglich auch die
heerde zu weyden bemuͤhet ſeye/ ſein meiſtes amt aber gleichwohl vielmehr
in der regirung der uͤbrigen beſtehe.
5. Unſere heutige verfaſſung der kirchen/ da man einige Paſtores andere
Diaconos nennet/ iſt nicht aus der bewandnuͤß der nahmen/ wie ſie in der
ſchrifft gebraucht werden/ zu æſtimiren; indem unſere Diaconi am allerwe-
nigſten mit den alten uͤberein kommen/ indem denſelben allein die verpflegung
der armen auffgetragen war (in welchem verſtand annoch nicht nur bey den
Reformirten/ ſondern auch an einigen orten bey den unſrigen als in Nider-
land und welche ſich nach den Niderlaͤndern richten/ als in Franckfurth am
Mayn das exempel iſt/ das wort gebraucht wird) die unſrige aber haben ins-
gemein mit ſolcher verpflegung ſo gar nichts zu thun/ daß vielmehr wo noch
das Miniſterium etwas an der armen verſorgung zu verrichten hat/ ſothane
ſorge an dem ſo genanten paſtorat hanget. Daher ſind unſere Diaconi nach
der ſchrifft redens-art vielmehr Paſtores, der ſo genante Paſtor aber hat mit
ihnen ſolche ſeelen-ſorge gemein/ hingegen allein dieſes beſondere/ daß er die
uͤbrige Collegas, Compaſtores oder ſo genante Diaconos in ihrem amte regi-
ren ſolle.
6. Daraus folget/ daß obwol der eine allein in einer gemeinde Paſtor ge-
nennet wird (ſo nicht gantz allgemein/ nachdem in Franckfurth alle insge-
ſamt Paſtores oder pfarrer heiſſen/ hingegẽ in Nuͤrnberg/ was anders wo die
Paſtores ſeyn ſollen/ mit dem nahmen der prediger benennet werden/) den-
noch eine gemeinde/ ſo der vorſteher viele hat/ wahrhafftig alle Paſtores ſind/
und wo nach alter ordnung der beichtſtul und was davon dependiret (dahin
gehoͤret das meiſte der beſondern ſeelen-ſorge) an die ſo genante Diaconos
ver-
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[641/0657] ARTIC. III. SECTIO X. 3. Wo nun mehrere an einer gemeinde ſeelen-ſorge arbeiten/ da iſts nicht noͤthig/ daß ſinguli, bey denen dieſelbe ſtehet/ auch jegliche ſchaafe kennen/ ſondern auch nach GOttes ordnung iſts genug/ wo keine ſeele in der gemein- de uͤbrig iſt/ auff die nicht eine oder mehrere ihre auffſicht auch beſonders ha- ben. Wie aber ſolche eintheilung zu machen/ iſt in GOttes wort nicht aus- gedruckt/ ſondern der Chriſtlichen klugheit jeglicher kirchen/ und denen wel- chen derſelben obſicht anvertrauet iſt/ heimgegeben: ſo iſts auch etwa nicht ſo gar ſchwehr dergleichen zu wercke zu richten bey einer gemeinde/ welche mittel maͤßig groß; aber bey einer gemeinde/ welche aus viel tauſenden beſte- het/ ſehe ich allzugroſſeſchwehrigkeit/ und hielte ich vor viel billiger/ dieſelbe in mehrere gemeinden zu zertheilen. 4. Wo nun mehrere ſeelſorger und hirten der gemeinde ſind/ iſts nicht allein erlaubt/ ſondern wol das zimlichſte/ daß unter denſelben einer den an- dern zum auffſeher vorgeſetzet werde/ der zwahr ſo viel noch muͤglich auch die heerde zu weyden bemuͤhet ſeye/ ſein meiſtes amt aber gleichwohl vielmehr in der regirung der uͤbrigen beſtehe. 5. Unſere heutige verfaſſung der kirchen/ da man einige Paſtores andere Diaconos nennet/ iſt nicht aus der bewandnuͤß der nahmen/ wie ſie in der ſchrifft gebraucht werden/ zu æſtimiren; indem unſere Diaconi am allerwe- nigſten mit den alten uͤberein kommen/ indem denſelben allein die verpflegung der armen auffgetragen war (in welchem verſtand annoch nicht nur bey den Reformirten/ ſondern auch an einigen orten bey den unſrigen als in Nider- land und welche ſich nach den Niderlaͤndern richten/ als in Franckfurth am Mayn das exempel iſt/ das wort gebraucht wird) die unſrige aber haben ins- gemein mit ſolcher verpflegung ſo gar nichts zu thun/ daß vielmehr wo noch das Miniſterium etwas an der armen verſorgung zu verrichten hat/ ſothane ſorge an dem ſo genanten paſtorat hanget. Daher ſind unſere Diaconi nach der ſchrifft redens-art vielmehr Paſtores, der ſo genante Paſtor aber hat mit ihnen ſolche ſeelen-ſorge gemein/ hingegen allein dieſes beſondere/ daß er die uͤbrige Collegas, Compaſtores oder ſo genante Diaconos in ihrem amte regi- ren ſolle. 6. Daraus folget/ daß obwol der eine allein in einer gemeinde Paſtor ge- nennet wird (ſo nicht gantz allgemein/ nachdem in Franckfurth alle insge- ſamt Paſtores oder pfarrer heiſſen/ hingegẽ in Nuͤrnberg/ was anders wo die Paſtores ſeyn ſollen/ mit dem nahmen der prediger benennet werden/) den- noch eine gemeinde/ ſo der vorſteher viele hat/ wahrhafftig alle Paſtores ſind/ und wo nach alter ordnung der beichtſtul und was davon dependiret (dahin gehoͤret das meiſte der beſondern ſeelen-ſorge) an die ſo genante Diaconos ver- M m m m

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/657>, abgerufen am 22.11.2024.