Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. III. SECTIO IX. mand entweder etwas gewisses sich vornehmen/ noch auch andern rathen kan:sondern ein kluger prediger siehet allemahl auff die regierung seines GOttes/ wann/ wo und wie ihm dieselbe zur erbauung selbs eine thür öffne/ wartet auff solche mit hertzlichem gebet/ und braucht sich darnach derselben mit sorgfalt und dancksagung. Der Herr gebe uns aber allezeit dazu die zulängliche weißheit von dem thron seiner heil. höhe. Jch komme auff den beichtpfen- nig: davon unter uns etwa unstreitig/ daß er nicht simpliciter verwerfflich oder eine Simonie sey/ aber hingegen ist auch nicht zu leugnen/ daß gleich wie vieler mißbrauch/ dessen wir uns zu schämen haben/ offt dabey vorgehet/ also auch ins gesamt auffs wenigste ein böser schein nicht weit davon ist/ und man- che andacht dadurch verstöhret wird. Daher wir ihn unter die dinge zehlen/ die vielmehr aus noth/ wegen mangel anderer mittel zur unterhaltung der prediger/ toleriret und gedultet werden/ als zu loben sind. Hingegen wo der prediger nöthige sustentation auch an demselben hänget/ würde derselbige unrecht thun/ welcher ihnen das jenige ohne andere ersetzung entzöge/ ohne welches sie nicht nothdürfftig leben könten/ da sie sich doch von dem evangelio nehren sollen. Wie aber bey dessen abstellung der abgang durch etwas an- ders ersetzt werden könne/ ist keine sache/ von welcher insgemein kan etwas gesagt werden: sondern an jeglichem ort muß man sehen/ wie sichs da practisi- ren lasse. Daher ich kein ander mittel sehe/ als wo das ministerium, daß sie gern eine änderung darinnen verlangten/ unter sich einig würde/ daß als denn mit dem magistrat und der gemeinde die sache freundlich überleget würde/ was vor zuläng iche vorschläge beiderseits gemacht/ und darüber mit einander etwas geschlossen werden könte. Mein unvorgreiflicher vorschlag wäre/ daß eine ordnung gemacht würde/ nach welcher zu halben oder gantzen jahren sonderlich bey dem neujahr jede person so zu dem tisch des Herrn gehet/ etwas gewisses seinem beichtvater zur verehrung brächte/ oder sendete/ so bey den geringern nach dem jenigem/ was sie ohne das jetzt des jahrs bey der beicht zugeben pflegen/ eingerichtet/ bey den übrigen vermöglichern aber in dero discretion gesetzt würde/ von dero meisten auff solche weise eher mehr als wenlger gegen dem/ was sie nun zu geben pflegen zu hoffen wäre. Doch nach dem jedes orts bewandnüß ist/ mögen leicht noch andere zulängliche mittel gefunden werden. Auffs wenigste wünschte ich hertzlich/ daß wir auch dieses anstosses und mißstandes möchten auff gute manier in unser kirchen loß werden. Jst noch übrig von der materie des geistlichen Priester- thums zu antworten/ welche ich allerdings würdig halte/ vor der gemeinde nach-
ARTIC. III. SECTIO IX. mand entweder etwas gewiſſes ſich vornehmen/ noch auch andern rathen kan:ſondern ein kluger prediger ſiehet allemahl auff die regierung ſeines GOttes/ wann/ wo und wie ihm dieſelbe zur erbauung ſelbs eine thuͤr oͤffne/ wartet auff ſolche mit hertzlichem gebet/ und braucht ſich darnach derſelben mit ſorgfalt und danckſagung. Der Herr gebe uns aber allezeit dazu die zulaͤngliche weißheit von dem thron ſeiner heil. hoͤhe. Jch komme auff den beichtpfen- nig: davon unter uns etwa unſtreitig/ daß er nicht ſimpliciter verwerfflich oder eine Simonie ſey/ aber hingegen iſt auch nicht zu leugnen/ daß gleich wie vieler mißbrauch/ deſſen wir uns zu ſchaͤmen haben/ offt dabey vorgehet/ alſo auch ins geſamt auffs wenigſte ein boͤſer ſchein nicht weit davon iſt/ und man- che andacht dadurch verſtoͤhret wird. Daher wir ihn unter die dinge zehlen/ die vielmehr aus noth/ wegen mangel anderer mittel zur unterhaltung der prediger/ toleriret und gedultet werden/ als zu loben ſind. Hingegen wo der prediger noͤthige ſuſtentation auch an demſelben haͤnget/ wuͤrde derſelbige unrecht thun/ welcher ihnen das jenige ohne andere erſetzung entzoͤge/ ohne welches ſie nicht nothduͤrfftig leben koͤnten/ da ſie ſich doch von dem evangelio nehren ſollen. Wie aber bey deſſen abſtellung der abgang durch etwas an- ders erſetzt werden koͤnne/ iſt keine ſache/ von welcher insgemein kan etwas geſagt werden: ſondern an jeglichem ort muß man ſehen/ wie ſichs da practiſi- ren laſſe. Daher ich kein ander mittel ſehe/ als wo das miniſterium, daß ſie gern eine aͤnderung darinnen verlangten/ unter ſich einig wuͤrde/ daß als denn mit dem magiſtrat und der gemeinde die ſache freundlich uͤberleget wuͤrde/ was vor zulaͤng iche vorſchlaͤge beiderſeits gemacht/ und daruͤber mit einander etwas geſchloſſen werden koͤnte. Mein unvorgreiflicher vorſchlag waͤre/ daß eine ordnung gemacht wuͤrde/ nach welcher zu halben oder gantzen jahren ſonderlich bey dem neujahr jede perſon ſo zu dem tiſch des Herrn gehet/ etwas gewiſſes ſeinem beichtvater zur verehrung braͤchte/ oder ſendete/ ſo bey den geringern nach dem jenigem/ was ſie ohne das jetzt des jahrs bey der beicht zugeben pflegen/ eingerichtet/ bey den uͤbrigen vermoͤglichern aber in dero diſcretion geſetzt wuͤrde/ von dero meiſten auff ſolche weiſe eher mehr als wenlger gegen dem/ was ſie nun zu geben pflegen zu hoffen waͤre. Doch nach dem jedes orts bewandnuͤß iſt/ moͤgen leicht noch andere zulaͤngliche mittel gefunden werden. Auffs wenigſte wuͤnſchte ich hertzlich/ daß wir auch dieſes anſtoſſes und mißſtandes moͤchten auff gute manier in unſer kirchen loß werden. Jſt noch uͤbrig von der materie des geiſtlichen Prieſter- thums zu antworten/ welche ich allerdings wuͤrdig halte/ vor der gemeinde nach-
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ARTIC. III. SECTIO IX.
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ſondern ein kluger prediger ſiehet allemahl auff die regierung ſeines GOttes/
wann/ wo und wie ihm dieſelbe zur erbauung ſelbs eine thuͤr oͤffne/ wartet auff
ſolche mit hertzlichem gebet/ und braucht ſich darnach derſelben mit ſorgfalt
und danckſagung. Der Herr gebe uns aber allezeit dazu die zulaͤngliche
weißheit von dem thron ſeiner heil. hoͤhe. Jch komme auff den beichtpfen-
nig: davon unter uns etwa unſtreitig/ daß er nicht ſimpliciter verwerfflich
oder eine Simonie ſey/ aber hingegen iſt auch nicht zu leugnen/ daß gleich wie
vieler mißbrauch/ deſſen wir uns zu ſchaͤmen haben/ offt dabey vorgehet/ alſo
auch ins geſamt auffs wenigſte ein boͤſer ſchein nicht weit davon iſt/ und man-
che andacht dadurch verſtoͤhret wird. Daher wir ihn unter die dinge zehlen/
die vielmehr aus noth/ wegen mangel anderer mittel zur unterhaltung der
prediger/ toleriret und gedultet werden/ als zu loben ſind. Hingegen wo der
prediger noͤthige ſuſtentation auch an demſelben haͤnget/ wuͤrde derſelbige
unrecht thun/ welcher ihnen das jenige ohne andere erſetzung entzoͤge/ ohne
welches ſie nicht nothduͤrfftig leben koͤnten/ da ſie ſich doch von dem evangelio
nehren ſollen. Wie aber bey deſſen abſtellung der abgang durch etwas an-
ders erſetzt werden koͤnne/ iſt keine ſache/ von welcher insgemein kan etwas
geſagt werden: ſondern an jeglichem ort muß man ſehen/ wie ſichs da practiſi-
ren laſſe. Daher ich kein ander mittel ſehe/ als wo das miniſterium, daß
ſie gern eine aͤnderung darinnen verlangten/ unter ſich einig wuͤrde/ daß als
denn mit dem magiſtrat und der gemeinde die ſache freundlich uͤberleget
wuͤrde/ was vor zulaͤng iche vorſchlaͤge beiderſeits gemacht/ und daruͤber mit
einander etwas geſchloſſen werden koͤnte. Mein unvorgreiflicher vorſchlag
waͤre/ daß eine ordnung gemacht wuͤrde/ nach welcher zu halben oder gantzen
jahren ſonderlich bey dem neujahr jede perſon ſo zu dem tiſch des Herrn gehet/
etwas gewiſſes ſeinem beichtvater zur verehrung braͤchte/ oder ſendete/ ſo bey
den geringern nach dem jenigem/ was ſie ohne das jetzt des jahrs bey der
beicht zugeben pflegen/ eingerichtet/ bey den uͤbrigen vermoͤglichern aber in
dero diſcretion geſetzt wuͤrde/ von dero meiſten auff ſolche weiſe eher mehr
als wenlger gegen dem/ was ſie nun zu geben pflegen zu hoffen waͤre. Doch
nach dem jedes orts bewandnuͤß iſt/ moͤgen leicht noch andere zulaͤngliche
mittel gefunden werden. Auffs wenigſte wuͤnſchte ich hertzlich/ daß wir auch
dieſes anſtoſſes und mißſtandes moͤchten auff gute manier in unſer kirchen
loß werden. Jſt noch uͤbrig von der materie des geiſtlichen Prieſter-
thums zu antworten/ welche ich allerdings wuͤrdig halte/ vor der gemeinde
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