Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
ARTIC. II. SECTIO XXVI.

Wo nun alles solches also betrachte und gegen einander halte/ finde mich
mehr und mehr bekräfftiget/ E. HochEhrw. vielmehr in den gedancken/ sich
der Inspections-last zu entledigen/ zu stärcken/ als sie davon abzurathen;
stelle auch zu derselben eigener ermessung/ da sie ferner dieses alles bey sich
vor dem HErrn überleget/ ob sie nicht gleichfals in ihrem gemüth sich auch
noch mehr dahin geneigt finden werden. Wie hingegen weder deroselben/
noch einigem anderen mitbruder/ so sich meines raths bedienet/ jemahls wei-
ter zumuthe/ demselben platz zu geben/ als derselbe durch Christliche erwe-
gung des vorgestellten sich selbs überzeuget und gelencket fühlet.

Jch ruffe schließlich den himmlischen Vater/ dessen wir/ unsre gaben und
die stellen/ worinnen wir ihm dienen sollen/ sind und bleiben/ demüthigst an/
daß desselben ewige güte nicht nur über werthesten bruder ferner in gnaden
walten/ solchen an geist/ seel und leib herrlich stärcken/ bey der allmählichen
abnahm des eussern menschen den innerlichen an liecht/ krafft und trost/ stets
erneuern und wachsen lassen/ und alles dero pflantzen und begiessen mit
himmlischem gedeyen von oben herab mildiglich segnen/ sondern auch abson-
derlich in dieser vor handen habenden angelegenheit denselben so selbs durch
lenckung dero eignen hertzens als Christl. mitbrüder einrathen seinen willen
dermassen zu erkennen geben wolle/ abzulegen und zu behalten/ worinnen und
wodurch dieselbe seine gaben am reichlichsten und längsten fruchtbar zu ma-
chen weißlichst/ beschlossen hat. 1689.

SECTIO XXVI.
Von verlassung des Ministerii und ergreiffung
der schul-arbeit.

DEn scrupel des verlassenen Ministerii anlangende so ist derselbe entwe-
der über die sache selbs oder dero umstände/ oder vielmehr entweder ü-
ber die hypothesin, oder thesin, das ist/ daß derselbe ihm entweder ein
gewissen macht/ ob man könne von dem ministerio zu einer schul-arbeit sich
beruffen lassen/ oder ob er in seinem beruff scrupel habe/ ob derselbe göttlich
gewesen: wäre dieses letztere/ davon das eigene gewissen allein am besten zeug-
nüß geben kan und muß/ so bekenne ich/ daß es eine nicht geringe angst erwe-
cken muß/ wo man sorget einen rechtmäßigen beruff nicht so wohl auff gewiß
erkante göttliche stimme und willen/ als aus menschlichen consiliis und ab-
sichten verlassen/ und das gantze werck nicht genugsam in der forcht und an-
ruffung des HErrn zur versicherung des gewissens überleget zu haben/ und
also in einem stand zu stehen/ da wir förchten/ daß allein wir und menschen
uns darein gesetzet hätten. Welcher ursach wegen/ da ich hieher beruffen

wor-
D d d d
ARTIC. II. SECTIO XXVI.

Wo nun alles ſolches alſo betrachte und gegen einander halte/ finde mich
mehr und mehr bekraͤfftiget/ E. HochEhrw. vielmehr in den gedancken/ ſich
der Inſpections-laſt zu entledigen/ zu ſtaͤrcken/ als ſie davon abzurathen;
ſtelle auch zu derſelben eigener ermeſſung/ da ſie ferner dieſes alles bey ſich
vor dem HErrn uͤberleget/ ob ſie nicht gleichfals in ihrem gemuͤth ſich auch
noch mehr dahin geneigt finden werden. Wie hingegen weder deroſelben/
noch einigem anderen mitbruder/ ſo ſich meines raths bedienet/ jemahls wei-
ter zumuthe/ demſelben platz zu geben/ als derſelbe durch Chriſtliche erwe-
gung des vorgeſtellten ſich ſelbs uͤberzeuget und gelencket fuͤhlet.

Jch ruffe ſchließlich den himmliſchen Vater/ deſſen wir/ unſre gaben und
die ſtellen/ worinnen wir ihm dienen ſollen/ ſind und bleiben/ demuͤthigſt an/
daß deſſelben ewige guͤte nicht nur uͤber wertheſten bruder ferner in gnaden
walten/ ſolchen an geiſt/ ſeel und leib herrlich ſtaͤrcken/ bey der allmaͤhlichen
abnahm des euſſern menſchen den innerlichen an liecht/ krafft und troſt/ ſtets
erneuern und wachſen laſſen/ und alles dero pflantzen und begieſſen mit
himmliſchem gedeyen von oben herab mildiglich ſegnen/ ſondern auch abſon-
derlich in dieſer vor handen habenden angelegenheit denſelben ſo ſelbs durch
lenckung dero eignen hertzens als Chriſtl. mitbruͤder einrathen ſeinen willen
dermaſſen zu erkennen geben wolle/ abzulegen und zu behalten/ worinnen und
wodurch dieſelbe ſeine gaben am reichlichſten und laͤngſten fruchtbar zu ma-
chen weißlichſt/ beſchloſſen hat. 1689.

SECTIO XXVI.
Von verlaſſung des Miniſterii und ergreiffung
der ſchul-arbeit.

DEn ſcrupel des verlaſſenen Miniſterii anlangende ſo iſt derſelbe entwe-
der uͤber die ſache ſelbs oder dero umſtaͤnde/ oder vielmehr entweder uͤ-
ber die hypotheſin, oder theſin, das iſt/ daß derſelbe ihm entweder ein
gewiſſen macht/ ob man koͤnne von dem miniſterio zu einer ſchul-arbeit ſich
beruffen laſſen/ oder ob er in ſeinem beruff ſcrupel habe/ ob derſelbe goͤttlich
geweſen: waͤre dieſes letztere/ davon das eigene gewiſſen allein am beſten zeug-
nuͤß geben kan und muß/ ſo bekenne ich/ daß es eine nicht geringe angſt erwe-
cken muß/ wo man ſorget einen rechtmaͤßigen beruff nicht ſo wohl auff gewiß
erkante goͤttliche ſtimme und willen/ als aus menſchlichen conſiliis und ab-
ſichten verlaſſen/ und das gantze werck nicht genugſam in der forcht und an-
ruffung des HErrn zur verſicherung des gewiſſens uͤberleget zu haben/ und
alſo in einem ſtand zu ſtehen/ da wir foͤrchten/ daß allein wir und menſchen
uns darein geſetzet haͤtten. Welcher urſach wegen/ da ich hieher beruffen

wor-
D d d d
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0593" n="577"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC.</hi> II. <hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXVI.</hi> </hi> </fw><lb/>
            <p>Wo nun alles &#x017F;olches al&#x017F;o betrachte und gegen einander halte/ finde mich<lb/>
mehr und mehr bekra&#x0364;fftiget/ E. HochEhrw. vielmehr in den gedancken/ &#x017F;ich<lb/>
der <hi rendition="#aq">In&#x017F;pections</hi>-la&#x017F;t zu entledigen/ zu &#x017F;ta&#x0364;rcken/ als &#x017F;ie davon abzurathen;<lb/>
&#x017F;telle auch zu der&#x017F;elben eigener erme&#x017F;&#x017F;ung/ da &#x017F;ie ferner die&#x017F;es alles bey &#x017F;ich<lb/>
vor dem HErrn u&#x0364;berleget/ ob &#x017F;ie nicht gleichfals in ihrem gemu&#x0364;th &#x017F;ich auch<lb/>
noch mehr dahin geneigt finden werden. Wie hingegen weder dero&#x017F;elben/<lb/>
noch einigem anderen mitbruder/ &#x017F;o &#x017F;ich meines raths bedienet/ jemahls wei-<lb/>
ter zumuthe/ dem&#x017F;elben platz zu geben/ als der&#x017F;elbe durch Chri&#x017F;tliche erwe-<lb/>
gung des vorge&#x017F;tellten &#x017F;ich &#x017F;elbs u&#x0364;berzeuget und gelencket fu&#x0364;hlet.</p><lb/>
            <p>Jch ruffe &#x017F;chließlich den himmli&#x017F;chen Vater/ de&#x017F;&#x017F;en wir/ un&#x017F;re gaben und<lb/>
die &#x017F;tellen/ worinnen wir ihm dienen &#x017F;ollen/ &#x017F;ind und bleiben/ demu&#x0364;thig&#x017F;t an/<lb/>
daß de&#x017F;&#x017F;elben ewige gu&#x0364;te nicht nur u&#x0364;ber werthe&#x017F;ten bruder ferner in gnaden<lb/>
walten/ &#x017F;olchen an gei&#x017F;t/ &#x017F;eel und leib herrlich &#x017F;ta&#x0364;rcken/ bey der allma&#x0364;hlichen<lb/>
abnahm des eu&#x017F;&#x017F;ern men&#x017F;chen den innerlichen an liecht/ krafft und tro&#x017F;t/ &#x017F;tets<lb/>
erneuern und wach&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en/ und alles dero pflantzen und begie&#x017F;&#x017F;en mit<lb/>
himmli&#x017F;chem gedeyen von oben herab mildiglich &#x017F;egnen/ &#x017F;ondern auch ab&#x017F;on-<lb/>
derlich in die&#x017F;er vor handen habenden angelegenheit den&#x017F;elben &#x017F;o &#x017F;elbs durch<lb/>
lenckung dero eignen hertzens als Chri&#x017F;tl. mitbru&#x0364;der einrathen &#x017F;einen willen<lb/>
derma&#x017F;&#x017F;en zu erkennen geben wolle/ abzulegen und zu behalten/ worinnen und<lb/>
wodurch die&#x017F;elbe &#x017F;eine gaben am reichlich&#x017F;ten und la&#x0364;ng&#x017F;ten fruchtbar zu ma-<lb/>
chen weißlich&#x017F;t/ be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hat. 1689.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XXVI.</hi></hi><lb/>
Von verla&#x017F;&#x017F;ung des <hi rendition="#aq">Mini&#x017F;terii</hi> und ergreiffung<lb/>
der &#x017F;chul-arbeit.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>En &#x017F;crupel des verla&#x017F;&#x017F;enen <hi rendition="#aq">Mini&#x017F;terii</hi> anlangende &#x017F;o i&#x017F;t der&#x017F;elbe entwe-<lb/>
der u&#x0364;ber die &#x017F;ache &#x017F;elbs oder dero um&#x017F;ta&#x0364;nde/ oder vielmehr entweder u&#x0364;-<lb/>
ber die <hi rendition="#aq">hypothe&#x017F;in,</hi> oder <hi rendition="#aq">the&#x017F;in,</hi> das i&#x017F;t/ daß der&#x017F;elbe ihm entweder ein<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en macht/ ob man ko&#x0364;nne von dem <hi rendition="#aq">mini&#x017F;terio</hi> zu einer &#x017F;chul-arbeit &#x017F;ich<lb/>
beruffen la&#x017F;&#x017F;en/ oder ob er in &#x017F;einem beruff &#x017F;crupel habe/ ob der&#x017F;elbe go&#x0364;ttlich<lb/>
gewe&#x017F;en: wa&#x0364;re die&#x017F;es letztere/ davon das eigene gewi&#x017F;&#x017F;en allein am be&#x017F;ten zeug-<lb/>
nu&#x0364;ß geben kan und muß/ &#x017F;o bekenne ich/ daß es eine nicht geringe ang&#x017F;t erwe-<lb/>
cken muß/ wo man &#x017F;orget einen rechtma&#x0364;ßigen beruff nicht &#x017F;o wohl auff gewiß<lb/>
erkante go&#x0364;ttliche &#x017F;timme und willen/ als aus men&#x017F;chlichen <hi rendition="#aq">con&#x017F;iliis</hi> und ab-<lb/>
&#x017F;ichten verla&#x017F;&#x017F;en/ und das gantze werck nicht genug&#x017F;am in der forcht und an-<lb/>
ruffung des HErrn zur ver&#x017F;icherung des gewi&#x017F;&#x017F;ens u&#x0364;berleget zu haben/ und<lb/>
al&#x017F;o in einem &#x017F;tand zu &#x017F;tehen/ da wir fo&#x0364;rchten/ daß allein wir und men&#x017F;chen<lb/>
uns darein ge&#x017F;etzet ha&#x0364;tten. Welcher ur&#x017F;ach wegen/ da ich hieher beruffen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d d d</fw><fw place="bottom" type="catch">wor-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[577/0593] ARTIC. II. SECTIO XXVI. Wo nun alles ſolches alſo betrachte und gegen einander halte/ finde mich mehr und mehr bekraͤfftiget/ E. HochEhrw. vielmehr in den gedancken/ ſich der Inſpections-laſt zu entledigen/ zu ſtaͤrcken/ als ſie davon abzurathen; ſtelle auch zu derſelben eigener ermeſſung/ da ſie ferner dieſes alles bey ſich vor dem HErrn uͤberleget/ ob ſie nicht gleichfals in ihrem gemuͤth ſich auch noch mehr dahin geneigt finden werden. Wie hingegen weder deroſelben/ noch einigem anderen mitbruder/ ſo ſich meines raths bedienet/ jemahls wei- ter zumuthe/ demſelben platz zu geben/ als derſelbe durch Chriſtliche erwe- gung des vorgeſtellten ſich ſelbs uͤberzeuget und gelencket fuͤhlet. Jch ruffe ſchließlich den himmliſchen Vater/ deſſen wir/ unſre gaben und die ſtellen/ worinnen wir ihm dienen ſollen/ ſind und bleiben/ demuͤthigſt an/ daß deſſelben ewige guͤte nicht nur uͤber wertheſten bruder ferner in gnaden walten/ ſolchen an geiſt/ ſeel und leib herrlich ſtaͤrcken/ bey der allmaͤhlichen abnahm des euſſern menſchen den innerlichen an liecht/ krafft und troſt/ ſtets erneuern und wachſen laſſen/ und alles dero pflantzen und begieſſen mit himmliſchem gedeyen von oben herab mildiglich ſegnen/ ſondern auch abſon- derlich in dieſer vor handen habenden angelegenheit denſelben ſo ſelbs durch lenckung dero eignen hertzens als Chriſtl. mitbruͤder einrathen ſeinen willen dermaſſen zu erkennen geben wolle/ abzulegen und zu behalten/ worinnen und wodurch dieſelbe ſeine gaben am reichlichſten und laͤngſten fruchtbar zu ma- chen weißlichſt/ beſchloſſen hat. 1689. SECTIO XXVI. Von verlaſſung des Miniſterii und ergreiffung der ſchul-arbeit. DEn ſcrupel des verlaſſenen Miniſterii anlangende ſo iſt derſelbe entwe- der uͤber die ſache ſelbs oder dero umſtaͤnde/ oder vielmehr entweder uͤ- ber die hypotheſin, oder theſin, das iſt/ daß derſelbe ihm entweder ein gewiſſen macht/ ob man koͤnne von dem miniſterio zu einer ſchul-arbeit ſich beruffen laſſen/ oder ob er in ſeinem beruff ſcrupel habe/ ob derſelbe goͤttlich geweſen: waͤre dieſes letztere/ davon das eigene gewiſſen allein am beſten zeug- nuͤß geben kan und muß/ ſo bekenne ich/ daß es eine nicht geringe angſt erwe- cken muß/ wo man ſorget einen rechtmaͤßigen beruff nicht ſo wohl auff gewiß erkante goͤttliche ſtimme und willen/ als aus menſchlichen conſiliis und ab- ſichten verlaſſen/ und das gantze werck nicht genugſam in der forcht und an- ruffung des HErrn zur verſicherung des gewiſſens uͤberleget zu haben/ und alſo in einem ſtand zu ſtehen/ da wir foͤrchten/ daß allein wir und menſchen uns darein geſetzet haͤtten. Welcher urſach wegen/ da ich hieher beruffen wor- D d d d

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/593
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/593>, abgerufen am 22.11.2024.