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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
gegeben/ welche sein gewissen zimlich beruhigen kan/ da er sonsten wegen des
vorigen scrupulirens inskünfftige vielleicht einige unruhe hätte mögen füh-
len.

5. Aus obigem erhellet/ daß eine Christl. gemeinde ihrer seits annoch
frey in dieser sache seye/ und denjenigen zu wehlen macht habe/ welchen sie nach
fleißigster untersuchung vor dieses mahl ihnen den vorträglichsten erkennet:
indem die vorige gethane offerten, an Hr. Cajum, nachdem dieselbe nicht pu-
re
angenommen/ sie nicht weiter eigentlich verbunden/ sondern ihnen solche
wieder gleichsam in die hände zurück gegeben worden sind.

6. Wann dann nunmehr Hr. Titii dazwischen meldung gethan worden/
und zwahr nicht mit dieser unzimlichen absicht Herrn Caji vocation zu unter-
brechen/ sondern als es das ansehen gewonnen/ solche sache würde wieder
gantz zurück gehen/ ihnen einer person kundschafft zu geben/ welche auff sol-
chen fall in consideration gezogen werden möchte/ damit die gemeinde nicht
allzulang auffgehalten würde/ und sich zeiget/ daß GOtt in dieser die hertzen
unterschiedlicher dero glieder auch auff ihn lencket/ so sehe ich es also an/ daß
derselbe ihnen nun diese beyde vorstelle/ unter denselben ohne beyfügung an-
derer den jenigen zu wehlen/ auff welchen sie am meisten seinen finger zu zei-
gen wahrnehmen werden.

7. Diese beyde liebe männer aber selbs belangend/ so leugne ich nicht/
daß die wahl wegen dero zimlichen gleichheit fast schwehr werden wolle: Es
wird meines erachtens das alter zimlich gleich seyn/ so finden sich bey beyden
die jenige erkäntnüß/ studia, gaben und exemplarisches leben/ so viel ich auch
weiß friedfertiges gemüth/ als sie diese stück alle an einem verlangen möchten.
An dem einen werden sie ein mehrers maaß der erudition, wo auch mit wi-
dersachern umzugehen seyn solte/ so dann auch wie ich rühmen höre eusserliche
gaben und leibes-vigor finden: Hingegen ist bey dem andern eine mehrere er-
fahrung/ so wohl in übung der predigten als andern amts-verrichtungen/ so
dann die jenige/ welche sich bey denen durch allerhand leiden und widerwer-
tigkeiten geübten antreffen lässet. Wie dann der himmlische Vater seine ga-
ben weißlich unter die seinige austheilet/ und einem diese dem andern eine an-
dere reichlicher gibet.

8. Wo ich nun meine einfältige endliche meinung/ womit zwahr einer
Christl. gemeinde ihre freyheit nicht einzuschrencken begehre/ eröffnen solle/
bestehet sie darinnen. 1. Wofern aus Hr. Caji beruff nicht etwa einige miß-
helligkeiten und anfang neuer factionen zu sorgen wäre/ (wenn nemlich ein
zimlicher theil der gemeinde nicht anders/ als mit unwillen zu dem consens
gebracht werden könte) so dann die gemeinde sich den vorschlag wegen einiger
predigten einziehung/ auff die er seine resolution conditionirt/ gefallen lies-

se/

Das andere Capitel.
gegeben/ welche ſein gewiſſen zimlich beruhigen kan/ da er ſonſten wegen des
vorigen ſcrupulirens inskuͤnfftige vielleicht einige unruhe haͤtte moͤgen fuͤh-
len.

5. Aus obigem erhellet/ daß eine Chriſtl. gemeinde ihrer ſeits annoch
frey in dieſer ſache ſeye/ und denjenigen zu wehlen macht habe/ welchen ſie nach
fleißigſter unterſuchung vor dieſes mahl ihnen den vortraͤglichſten erkennet:
indem die vorige gethane offerten, an Hr. Cajum, nachdem dieſelbe nicht pu-
re
angenommen/ ſie nicht weiter eigentlich verbunden/ ſondern ihnen ſolche
wieder gleichſam in die haͤnde zuruͤck gegeben worden ſind.

6. Wann dann nunmehr Hr. Titii dazwiſchen meldung gethan worden/
und zwahr nicht mit dieſer unzimlichen abſicht Herrn Caji vocation zu unter-
brechen/ ſondern als es das anſehen gewonnen/ ſolche ſache wuͤrde wieder
gantz zuruͤck gehen/ ihnen einer perſon kundſchafft zu geben/ welche auff ſol-
chen fall in conſideration gezogen werden moͤchte/ damit die gemeinde nicht
allzulang auffgehalten wuͤrde/ und ſich zeiget/ daß GOtt in dieſer die hertzen
unterſchiedlicher dero glieder auch auff ihn lencket/ ſo ſehe ich es alſo an/ daß
derſelbe ihnen nun dieſe beyde vorſtelle/ unter denſelben ohne beyfuͤgung an-
derer den jenigen zu wehlen/ auff welchen ſie am meiſten ſeinen finger zu zei-
gen wahrnehmen werden.

7. Dieſe beyde liebe maͤnner aber ſelbs belangend/ ſo leugne ich nicht/
daß die wahl wegen dero zimlichen gleichheit faſt ſchwehr werden wolle: Es
wird meines erachtens das alter zimlich gleich ſeyn/ ſo finden ſich bey beyden
die jenige erkaͤntnuͤß/ ſtudia, gaben und exemplariſches leben/ ſo viel ich auch
weiß friedfertiges gemuͤth/ als ſie dieſe ſtuͤck alle an einem verlangen moͤchten.
An dem einen werden ſie ein mehrers maaß der erudition, wo auch mit wi-
derſachern umzugehen ſeyn ſolte/ ſo dann auch wie ich ruͤhmen hoͤre euſſerliche
gaben und leibes-vigor finden: Hingegen iſt bey dem andern eine mehrere er-
fahrung/ ſo wohl in uͤbung der predigten als andern amts-verrichtungen/ ſo
dann die jenige/ welche ſich bey denen durch allerhand leiden und widerwer-
tigkeiten geuͤbten antreffen laͤſſet. Wie dann der himmliſche Vater ſeine ga-
ben weißlich unter die ſeinige austheilet/ und einem dieſe dem andern eine an-
dere reichlicher gibet.

8. Wo ich nun meine einfaͤltige endliche meinung/ womit zwahr einer
Chriſtl. gemeinde ihre freyheit nicht einzuſchrencken begehre/ eroͤffnen ſolle/
beſtehet ſie darinnen. 1. Wofern aus Hr. Caji beruff nicht etwa einige miß-
helligkeiten und anfang neuer factionen zu ſorgen waͤre/ (wenn nemlich ein
zimlicher theil der gemeinde nicht anders/ als mit unwillen zu dem conſens
gebracht werden koͤnte) ſo dann die gemeinde ſich den vorſchlag wegen einiger
predigten einziehung/ auff die er ſeine reſolution conditionirt/ gefallen lieſ-

ſe/
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[546/0562] Das andere Capitel. gegeben/ welche ſein gewiſſen zimlich beruhigen kan/ da er ſonſten wegen des vorigen ſcrupulirens inskuͤnfftige vielleicht einige unruhe haͤtte moͤgen fuͤh- len. 5. Aus obigem erhellet/ daß eine Chriſtl. gemeinde ihrer ſeits annoch frey in dieſer ſache ſeye/ und denjenigen zu wehlen macht habe/ welchen ſie nach fleißigſter unterſuchung vor dieſes mahl ihnen den vortraͤglichſten erkennet: indem die vorige gethane offerten, an Hr. Cajum, nachdem dieſelbe nicht pu- re angenommen/ ſie nicht weiter eigentlich verbunden/ ſondern ihnen ſolche wieder gleichſam in die haͤnde zuruͤck gegeben worden ſind. 6. Wann dann nunmehr Hr. Titii dazwiſchen meldung gethan worden/ und zwahr nicht mit dieſer unzimlichen abſicht Herrn Caji vocation zu unter- brechen/ ſondern als es das anſehen gewonnen/ ſolche ſache wuͤrde wieder gantz zuruͤck gehen/ ihnen einer perſon kundſchafft zu geben/ welche auff ſol- chen fall in conſideration gezogen werden moͤchte/ damit die gemeinde nicht allzulang auffgehalten wuͤrde/ und ſich zeiget/ daß GOtt in dieſer die hertzen unterſchiedlicher dero glieder auch auff ihn lencket/ ſo ſehe ich es alſo an/ daß derſelbe ihnen nun dieſe beyde vorſtelle/ unter denſelben ohne beyfuͤgung an- derer den jenigen zu wehlen/ auff welchen ſie am meiſten ſeinen finger zu zei- gen wahrnehmen werden. 7. Dieſe beyde liebe maͤnner aber ſelbs belangend/ ſo leugne ich nicht/ daß die wahl wegen dero zimlichen gleichheit faſt ſchwehr werden wolle: Es wird meines erachtens das alter zimlich gleich ſeyn/ ſo finden ſich bey beyden die jenige erkaͤntnuͤß/ ſtudia, gaben und exemplariſches leben/ ſo viel ich auch weiß friedfertiges gemuͤth/ als ſie dieſe ſtuͤck alle an einem verlangen moͤchten. An dem einen werden ſie ein mehrers maaß der erudition, wo auch mit wi- derſachern umzugehen ſeyn ſolte/ ſo dann auch wie ich ruͤhmen hoͤre euſſerliche gaben und leibes-vigor finden: Hingegen iſt bey dem andern eine mehrere er- fahrung/ ſo wohl in uͤbung der predigten als andern amts-verrichtungen/ ſo dann die jenige/ welche ſich bey denen durch allerhand leiden und widerwer- tigkeiten geuͤbten antreffen laͤſſet. Wie dann der himmliſche Vater ſeine ga- ben weißlich unter die ſeinige austheilet/ und einem dieſe dem andern eine an- dere reichlicher gibet. 8. Wo ich nun meine einfaͤltige endliche meinung/ womit zwahr einer Chriſtl. gemeinde ihre freyheit nicht einzuſchrencken begehre/ eroͤffnen ſolle/ beſtehet ſie darinnen. 1. Wofern aus Hr. Caji beruff nicht etwa einige miß- helligkeiten und anfang neuer factionen zu ſorgen waͤre/ (wenn nemlich ein zimlicher theil der gemeinde nicht anders/ als mit unwillen zu dem conſens gebracht werden koͤnte) ſo dann die gemeinde ſich den vorſchlag wegen einiger predigten einziehung/ auff die er ſeine reſolution conditionirt/ gefallen lieſ- ſe/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/562>, abgerufen am 22.11.2024.