Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. II. SECTIO VIII. Die 7. Frage. Ob diese bewegung und starcker trieb aller gottseligen seelen/ so viel man kennet/ ja der gantzen gemeinde/ so gewiß grossen theils von GOttes Geist und dessen bewegung nicht verloh- ren sind/ Titium zu behalten nicht ein kennzeichen göttli- chen willens seye/ daß er andere vocation nicht annehmen solle? AUff diese frage zu antworten. 1. Halte ich/ daß freylich solche bewegung so wel-
ARTIC. II. SECTIO VIII. Die 7. Frage. Ob dieſe bewegung und ſtarcker trieb aller gottſeligen ſeelen/ ſo viel man kennet/ ja der gantzen gemeinde/ ſo gewiß groſſen theils von GOttes Geiſt und deſſen bewegung nicht verloh- ren ſind/ Titium zu behalten nicht ein kennzeichen goͤttli- chen willens ſeye/ daß er andere vocation nicht annehmen ſolle? AUff dieſe frage zu antworten. 1. Halte ich/ daß freylich ſolche bewegung ſo wel-
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ARTIC. II. SECTIO VIII.
Die 7. Frage.
Ob dieſe bewegung und ſtarcker trieb aller gottſeligen ſeelen/ ſo
viel man kennet/ ja der gantzen gemeinde/ ſo gewiß groſſen
theils von GOttes Geiſt und deſſen bewegung nicht verloh-
ren ſind/ Titium zu behalten nicht ein kennzeichen goͤttli-
chen willens ſeye/ daß er andere vocation nicht annehmen
ſolle?
AUff dieſe frage zu antworten. 1. Halte ich/ daß freylich ſolche bewegung ſo
fern goͤttlich ſeye/ wie alles an ſich ſelbs gute von GOTT koͤmmet:
denn weil dieſe bewegung und verlangen der gemeinde Titium bey ſich
zu behalten eine frucht der liebe gegen ihm iſt/ dieſe ferner ſich gruͤndet auff
die liebe zu GOTTES wort/ welches ſie aus ſeinem
munde bißher mit krafft gehoͤret/ und gern noch laͤnger zu hoͤren
verlangen/ ſolche liebe aber nicht anders als von GOTT kommen
kan/ ſo iſt alſo auch das aus derſelben liebe entſtehendes verlangen ihn zu be-
halten gut/ und ſo fern von GOtt. 2. Wo aber goͤttlich heiſſet eine ſolche
wirckung/ ſo nicht allein insgemein aus einem guten und GOtt wohlgefaͤlli-
gen affect herkommet/ ſondern austruͤcklich von GOtt zur erkaͤntnuͤß in of-
fenbahrung ſeines willens gewuͤrcket waͤre/ ſo koͤnte ich dieſe bewegung noch
eben nicht vor goͤttlich/ das iſt/ eine anzeige deſſen willens halten. Alſo ſe-
hen wir Ap. Geſch. 10/ 4. 12. 13. 14. daß mehrere juͤnger den lieben
Paulum baten/ er moͤchte nicht gen Jeruſalem ziehen/ und ſolches mit vieler
angelegenheit u. weinen. Dieſes ihr verlangẽ Pauli zu ſchohnen/ war nicht ein
fleiſchl. verlangen/ ſondern kam auß einer goͤttlichen liebe zu ihm und zu ſei-
nem dienſt/ daher ſo fern goͤttlich/ ſo gar/ daß es heiſſet/ daß ſie ihm durch
den Geiſt geſaget haben/ daß iſt/ das ſie in Prophetiſchem Geiſt/
was ihm begegnen werde/ geſehen/ und darauff weil ſie ſeiner gern ſchoh-
neten/ ihn davon abhalten wolten: Jndeſſen war es keine anzeigung goͤttli-
chen willens uͤber Paulum/ als der gantz anders war/ und dieſer demſelben
auch folgte. Es laͤſſt ſich aber nicht ſchlieſſen/ daß jenes verlangen/ wo es
etwas goͤttliches in ſich habe/ dem eigenlichen goͤttlichen willen nicht entgegen
ſeyn koͤnte: dann ſolches folget nicht/ indem wir ohne uns an GOtt zu ver-
ſuͤndigen aus guten urſachen dinge verlangen koͤnnen/ die goͤttlichem willen
zuwider ſind/ ſo lange uns ſolcher nicht voͤllig offenbahret iſt. Wie zum ex-
empel ein ſohn vor ſeines krancken vaters leben bittet/ da ſolches gebet/ ſo aus
ſchuldiger liebe vor ihn herkommet/ und mit glaͤubiger andacht/ daher nicht
ohne wirckung des heiligen Geiſtes geſchihet/ gleichwohl dem goͤttl. rath/
wel-
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