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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO IX.

Hingegen bestehen die sünden in den kleidern in demjenigen/ was ausser
diesen ursachen gethan wird/ oder wann des menschen gemüth den zweck ver-
kehret.

Dahin gehöret 1. der eigentliche hochmuth und eitelkeit derjenigen/ die
an sich selbs/ wie in andern stücken also auch mit kleider pracht und zier-
de/ gefallen tragen/ sich damit in ihrem gemüth erheben/ und sich vor wür-
dig halten/ ihren madensack über seine nothdurfft zu ziehren: welche sünde
auch bey denen seyn kan/ welche dasjenige mit solchem hertzen tragen/ was
ihnen sonsten standes wegen zukäme. Hingegen Esther solches von sich
ableinet. Stück in Esther 2/ 15. 16. Die sünde aber bestehet darinnen/
weil solches gefallen an sich selbs wider die schuldige demuth/ darzu alle
verbunden sind/ auch die allgemeine ursach der kleider streitet.
2. Nachmal der hochmuth/ da man um derselben willen von andern suchet ge-
ehret zu werden/ und sich ein ansehen zu machen (sihe Jes. 3/ 16.) welches
die allergemeinste ursach des prachts ist; daher auch die pracht-liebende
sich nicht leicht stattlich anziehen/ putzen oder schmincken/ wo sie in ihren ge-
mächern oder häusern bleiben/ und also von niemand als den ihrigen gese-
hen werden/ sondern allein wo sie zu andern kommen/ ja befleissen sich so
vielmehr/ als derjenigen mehrere sind/ von welchen sie gern angesehen wä-
ren. Diese beyde ursachen finden sich nicht nur gemeiniglich bey prächtigen
kleidern/ sondern es ist auch müglich/ daß in dem gegentheil einige in affe-
ctirt
-schlechten und verlumpten kleidern sich mögen wolgefallen/ und einer
vermeinten demuth ansehen dadurch bey andern suchen; welcherley/ so
doch dem pracht entgegen zuseyn scheinet/ in der that aber selbs ein pracht
anderer art ist. Calcant aliorum fastum fastu majori.
3. Es kan auch sündlich seyn/ da sich einige prächtig kleiden/ oder schmücken/
auch wol gar schmincken/ andre zur leichtfertigkeit und unzüchtigen liebe
gegen sich zu reitzen. Also wird des weibs mit hurenschmuck gedacht.
Sprüch. 7/ 10. damit etwa auch das schmincken undschmücken der Jesa-
bel verglichen werden möchte. 2. Kön. 9/ 30.
4. Hinwieder ist auch eine sündliche ursach/ wo einige sich andern zu trotz und
aus aemulation köstlich tragen/ da je einer die andre übertreffen und es vor-
thun will.
5. Es wird auch gesündiget mit kostbarkeit/ da man an kleidern mehr/ als die
nothdurfft/ und auch in gewisser maaß nöthige erforderung des standes/
sofern dessen unterscheid zu der eusserlichen ordnung der policey gehöret/
mit sich bringen/ anwendet/ damit ein solcher in der von GOtt anbefohle-
ner verwaltung seines irrdischen untreu wird/ dem nechsten entweder
wirck-
D 2
SECTIO IX.

Hingegen beſtehen die ſuͤnden in den kleidern in demjenigen/ was auſſer
dieſen urſachen gethan wird/ oder wann des menſchen gemuͤth den zweck ver-
kehret.

Dahin gehoͤret 1. der eigentliche hochmuth und eitelkeit derjenigen/ die
an ſich ſelbs/ wie in andern ſtuͤcken alſo auch mit kleider pracht und zier-
de/ gefallen tragen/ ſich damit in ihrem gemuͤth erheben/ und ſich vor wuͤr-
dig halten/ ihren madenſack uͤber ſeine nothdurfft zu ziehren: welche ſuͤnde
auch bey denen ſeyn kan/ welche dasjenige mit ſolchem hertzen tragen/ was
ihnen ſonſten ſtandes wegen zukaͤme. Hingegen Eſther ſolches von ſich
ableinet. Stuͤck in Eſther 2/ 15. 16. Die ſuͤnde aber beſtehet darinnen/
weil ſolches gefallen an ſich ſelbs wider die ſchuldige demuth/ darzu alle
verbunden ſind/ auch die allgemeine urſach der kleider ſtreitet.
2. Nachmal der hochmuth/ da man um derſelben willen von andern ſuchet ge-
ehret zu werden/ und ſich ein anſehen zu machen (ſihe Jeſ. 3/ 16.) welches
die allergemeinſte urſach des prachts iſt; daher auch die pracht-liebende
ſich nicht leicht ſtattlich anziehen/ putzen oder ſchmincken/ wo ſie in ihren ge-
maͤchern oder haͤuſern bleiben/ und alſo von niemand als den ihrigen geſe-
hen werden/ ſondern allein wo ſie zu andern kommen/ ja befleiſſen ſich ſo
vielmehr/ als derjenigen mehrere ſind/ von welchen ſie gern angeſehen waͤ-
ren. Dieſe beyde urſachen finden ſich nicht nur gemeiniglich bey praͤchtigen
kleidern/ ſondern es iſt auch muͤglich/ daß in dem gegentheil einige in affe-
ctirt
-ſchlechten und verlumpten kleidern ſich moͤgen wolgefallen/ und einer
vermeinten demuth anſehen dadurch bey andern ſuchen; welcherley/ ſo
doch dem pracht entgegen zuſeyn ſcheinet/ in der that aber ſelbs ein pracht
anderer art iſt. Calcant aliorum faſtum faſtu majori.
3. Es kan auch ſuͤndlich ſeyn/ da ſich einige praͤchtig kleiden/ oder ſchmuͤcken/
auch wol gar ſchmincken/ andre zur leichtfertigkeit und unzuͤchtigen liebe
gegen ſich zu reitzen. Alſo wird des weibs mit hurenſchmuck gedacht.
Spruͤch. 7/ 10. damit etwa auch das ſchmincken undſchmuͤcken der Jeſa-
bel verglichen werden moͤchte. 2. Koͤn. 9/ 30.
4. Hinwieder iſt auch eine ſuͤndliche urſach/ wo einige ſich andern zu trotz und
aus æmulation koͤſtlich tragen/ da je eineꝛ die andre uͤbertreffen und es vor-
thun will.
5. Es wird auch geſuͤndiget mit koſtbarkeit/ da man an kleidern mehr/ als die
nothdurfft/ und auch in gewiſſer maaß noͤthige erforderung des ſtandes/
ſofern deſſen unterſcheid zu der euſſerlichen ordnung der policey gehoͤret/
mit ſich bringen/ anwendet/ damit ein ſolcher in der von GOtt anbefohle-
ner verwaltung ſeines irrdiſchen untreu wird/ dem nechſten entweder
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D 2
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[27/0043] SECTIO IX. Hingegen beſtehen die ſuͤnden in den kleidern in demjenigen/ was auſſer dieſen urſachen gethan wird/ oder wann des menſchen gemuͤth den zweck ver- kehret. Dahin gehoͤret 1. der eigentliche hochmuth und eitelkeit derjenigen/ die an ſich ſelbs/ wie in andern ſtuͤcken alſo auch mit kleider pracht und zier- de/ gefallen tragen/ ſich damit in ihrem gemuͤth erheben/ und ſich vor wuͤr- dig halten/ ihren madenſack uͤber ſeine nothdurfft zu ziehren: welche ſuͤnde auch bey denen ſeyn kan/ welche dasjenige mit ſolchem hertzen tragen/ was ihnen ſonſten ſtandes wegen zukaͤme. Hingegen Eſther ſolches von ſich ableinet. Stuͤck in Eſther 2/ 15. 16. Die ſuͤnde aber beſtehet darinnen/ weil ſolches gefallen an ſich ſelbs wider die ſchuldige demuth/ darzu alle verbunden ſind/ auch die allgemeine urſach der kleider ſtreitet. 2. Nachmal der hochmuth/ da man um derſelben willen von andern ſuchet ge- ehret zu werden/ und ſich ein anſehen zu machen (ſihe Jeſ. 3/ 16.) welches die allergemeinſte urſach des prachts iſt; daher auch die pracht-liebende ſich nicht leicht ſtattlich anziehen/ putzen oder ſchmincken/ wo ſie in ihren ge- maͤchern oder haͤuſern bleiben/ und alſo von niemand als den ihrigen geſe- hen werden/ ſondern allein wo ſie zu andern kommen/ ja befleiſſen ſich ſo vielmehr/ als derjenigen mehrere ſind/ von welchen ſie gern angeſehen waͤ- ren. Dieſe beyde urſachen finden ſich nicht nur gemeiniglich bey praͤchtigen kleidern/ ſondern es iſt auch muͤglich/ daß in dem gegentheil einige in affe- ctirt-ſchlechten und verlumpten kleidern ſich moͤgen wolgefallen/ und einer vermeinten demuth anſehen dadurch bey andern ſuchen; welcherley/ ſo doch dem pracht entgegen zuſeyn ſcheinet/ in der that aber ſelbs ein pracht anderer art iſt. Calcant aliorum faſtum faſtu majori. 3. Es kan auch ſuͤndlich ſeyn/ da ſich einige praͤchtig kleiden/ oder ſchmuͤcken/ auch wol gar ſchmincken/ andre zur leichtfertigkeit und unzuͤchtigen liebe gegen ſich zu reitzen. Alſo wird des weibs mit hurenſchmuck gedacht. Spruͤch. 7/ 10. damit etwa auch das ſchmincken undſchmuͤcken der Jeſa- bel verglichen werden moͤchte. 2. Koͤn. 9/ 30. 4. Hinwieder iſt auch eine ſuͤndliche urſach/ wo einige ſich andern zu trotz und aus æmulation koͤſtlich tragen/ da je eineꝛ die andre uͤbertreffen und es vor- thun will. 5. Es wird auch geſuͤndiget mit koſtbarkeit/ da man an kleidern mehr/ als die nothdurfft/ und auch in gewiſſer maaß noͤthige erforderung des ſtandes/ ſofern deſſen unterſcheid zu der euſſerlichen ordnung der policey gehoͤret/ mit ſich bringen/ anwendet/ damit ein ſolcher in der von GOtt anbefohle- ner verwaltung ſeines irrdiſchen untreu wird/ dem nechſten entweder wirck- D 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/43>, abgerufen am 27.04.2024.