Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. liehren. Was zwahr den ort Matth. 7. anlangt/ handelt derselbeallerdings nicht von der communion/ so aus allen umständen unwider- sprechlich erhellet/ sondern von der bestraffung des nechsten/ daß man den jenigen solche perle und heiligthum nicht vorwerffen solle/ die sie nur zertreten und uns zerrissen würden. So hätte auch CHRJSTUS selbs wider solches eigne gebot gethan/ da er Judam hinzugelassen hat. Betreffend die macht der unbußfertigen die sünde zubehalten/ ist solche gewiß/ aber zu mercken/ das beyde der löse- und binde-schlüssel eigenlich nicht unmittelbahr dem predigamt sondern der gantzen kirchen/ als der braut CHristi/ anvertrauet sind/ ob sie nun wohl dieselbe ordent- lich durch das ministerium verwaltet/ so muß doch solche verwaltung nicht anders als unter ihrer auffsicht geschehen/ und so bald streit entste- het/ gehöret es vor dieselbige. Daher wird der Prediger den löse-schlüs- sel ordentlich ohne widerspruch und hindernüß gebrauchen/ weil allemal der absolviret werden solle/ es selbs begehret/ und kan nicht leicht eine hindernüß seyn/ als wo ein andrer solche zulassung wehren wolte. Was aber den binde-schlüssel angehet/ braucht der Prediger denselben auch so weit der andere selbs mit zu frieden ist: Als zum exempel/ wo er einem unbußfertigen hertzlich zuspricht/ seiner unwürdigkeit ihn überzeugt/ und ihm dadurch dahin bringet/ daß er aus ansehung eigener gefahr selbs da- von abstehet. Wenn aber streit einstehet/ und der Prediger den sün- der vor unbußfertig/ der deswegen nicht zu admittiren seye achtet/ dieser aber will vor bußfertig gehalten seyn/ und das jenige haben/ worzu das recht allen wahren Christen zukommt/ da kan alsdenn der Prediger nicht selbs richter seyn/ sondern da solte billich wie oben gemeldet/ ein kirchen-gericht seyn/ das darüber richtete/ ob eines solchen buß vor richtig/ und er noch vor einem bruder zu
Das andere Capitel. liehren. Was zwahr den ort Matth. 7. anlangt/ handelt derſelbeallerdings nicht von der communion/ ſo aus allen umſtaͤnden unwider- ſprechlich erhellet/ ſondern von der beſtraffung des nechſten/ daß man den jenigen ſolche perle und heiligthum nicht vorwerffen ſolle/ die ſie nur zertreten und uns zerriſſen wuͤrden. So haͤtte auch CHRJSTUS ſelbs wider ſolches eigne gebot gethan/ da er Judam hinzugelaſſen hat. Betreffend die macht der unbußfertigen die ſuͤnde zubehalten/ iſt ſolche gewiß/ aber zu mercken/ das beyde der loͤſe- und binde-ſchluͤſſel eigenlich nicht unmittelbahr dem predigamt ſondern der gantzen kirchen/ als der braut CHriſti/ anvertrauet ſind/ ob ſie nun wohl dieſelbe ordent- lich durch das miniſterium verwaltet/ ſo muß doch ſolche verwaltung nicht anders als unter ihrer auffſicht geſchehen/ und ſo bald ſtreit entſte- het/ gehoͤret es vor dieſelbige. Daher wird der Prediger den loͤſe-ſchluͤſ- ſel ordentlich ohne widerſpruch und hindernuͤß gebrauchen/ weil allemal der abſolviret werden ſolle/ es ſelbs begehret/ und kan nicht leicht eine hindernuͤß ſeyn/ als wo ein andrer ſolche zulaſſung wehren wolte. Was aber den binde-ſchluͤſſel angehet/ braucht der Prediger denſelben auch ſo weit der andere ſelbs mit zu frieden iſt: Als zum exempel/ wo er einem unbußfertigen hertzlich zuſpricht/ ſeiner unwuͤꝛdigkeit ihn uͤberzeugt/ und ihm dadurch dahin bringet/ daß er aus anſehung eigener gefahr ſelbs da- von abſtehet. Wenn aber ſtreit einſtehet/ und der Prediger den ſuͤn- der vor unbußfertig/ der deswegen nicht zu admittiren ſeye achtet/ dieſer aber will vor bußfertig gehalten ſeyn/ und das jenige haben/ worzu das recht allen wahren Chriſten zukommt/ da kan alsdenn der Prediger nicht ſelbs richter ſeyn/ ſondern da ſolte billich wie oben gemeldet/ ein kirchen-gericht ſeyn/ das daruͤber richtete/ ob eines ſolchen buß vor richtig/ und er noch vor einem bruder zu
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Das andere Capitel.
liehren. Was zwahr den ort Matth. 7. anlangt/ handelt derſelbe
allerdings nicht von der communion/ ſo aus allen umſtaͤnden unwider-
ſprechlich erhellet/ ſondern von der beſtraffung des nechſten/ daß man
den jenigen ſolche perle und heiligthum nicht vorwerffen ſolle/ die ſie nur
zertreten und uns zerriſſen wuͤrden. So haͤtte auch CHRJSTUS
ſelbs wider ſolches eigne gebot gethan/ da er Judam hinzugelaſſen
hat. Betreffend die macht der unbußfertigen die ſuͤnde zubehalten/
iſt ſolche gewiß/ aber zu mercken/ das beyde der loͤſe- und binde-ſchluͤſſel
eigenlich nicht unmittelbahr dem predigamt ſondern der gantzen kirchen/
als der braut CHriſti/ anvertrauet ſind/ ob ſie nun wohl dieſelbe ordent-
lich durch das miniſterium verwaltet/ ſo muß doch ſolche verwaltung
nicht anders als unter ihrer auffſicht geſchehen/ und ſo bald ſtreit entſte-
het/ gehoͤret es vor dieſelbige. Daher wird der Prediger den loͤſe-ſchluͤſ-
ſel ordentlich ohne widerſpruch und hindernuͤß gebrauchen/ weil allemal
der abſolviret werden ſolle/ es ſelbs begehret/ und kan nicht leicht eine
hindernuͤß ſeyn/ als wo ein andrer ſolche zulaſſung wehren wolte.
Was aber den binde-ſchluͤſſel angehet/ braucht der Prediger denſelben
auch ſo weit der andere ſelbs mit zu frieden iſt: Als zum exempel/ wo er
einem unbußfertigen hertzlich zuſpricht/ ſeiner unwuͤꝛdigkeit ihn uͤberzeugt/ und
ihm dadurch dahin bringet/ daß er aus anſehung eigener gefahr ſelbs da-
von abſtehet. Wenn aber ſtreit einſtehet/ und der Prediger den ſuͤn-
der vor unbußfertig/ der deswegen nicht zu admittiren ſeye achtet/
dieſer aber will vor bußfertig gehalten ſeyn/ und das jenige haben/
worzu das recht allen wahren Chriſten zukommt/ da kan alsdenn der
Prediger nicht ſelbs richter ſeyn/ ſondern da ſolte billich wie oben
gemeldet/ ein kirchen-gericht ſeyn/ das daruͤber richtete/ ob
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