Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. des gantzen beichtwesens vornehmlich dahin gehet/ daß die nötige prüffung dercommunicanten recht befördert werde/ und der beichtvater eine bequeme gele- genheit habe/ mit seinem beichtkindern nothdürfftig und vertraulich zu handeln/ so ist dazu gemeiniglich zeit und ort die beicht nicht gar bequem. Es sind mei- ster orten der communicanten so viele/ und die zu solcher sache bestimmte zeit so eng/ daß unmöglich ist/ bey allen das jenige zu thun/ was der gedachten ab- sicht gemäß wäre/ daher alles übereylet werden muß/ und sorglich wenig aus- gerichtet wird. Geschihets auch/ daß am solchem ort mit einer person wegen gewisser dinge geredet werden soll/ ob auch andere davon nichts hören können/ so giebet dennoch die längere auffhaltung einer person so bald andern/ so auch zur beicht gehen wollen und warten eine starcke vermuthung/ daß derselben et- was sonderliches müsse vorgehalten worden seyn/ daraus wol gar entstehet/ daß fürwitzige leute zu errathen und zu erforschen meinen/ was man mit sol- chen leuten gehandelt: so leicht anlaß zu allerhand verdacht/ nachreden und andern übel giebet: Weswegen auch Christliche Prediger sich offt bedencken/ üm einiges zuspruchs willen/ leute aus ihrer gemeinde ausdrücklich zu sich zu- fordern/ so sie sonst gerne thäten/ aber zuweilen ihrer zu schonen ursach finden/ damit nicht andere daraus ungegründeten argwohn/ sonderlich da es zum exem- pel eheleut betrifft/ schöpffen/ oder wol gar ausbreiten. Wann aber dergleichen eingeführet wird/ daß jeglicher vor der communion zu die Prediger kommen und sich anmelden muß/ hat der Prediger alsdann die beste und unverdächtige ge- legenheit mit einen jeglichen das jenige zu reden/ was sein gewissen mit sich bringet; Kan auch so viel zeit dazu nehmen/ als er nothwendig erkennet. Also ist gewißlich von dieser gewohnheit/ da sie eingeführet wird/ aus den segen Got- tes mehr nutzen zu erwarten/ als man gedencken möchte/ wo man nur so oben hin die sache ansihet. Jch freue mich auch/ das bereits der Herr Superinten- dens darin gewilliget habe/ und man einige autorität anführen kan. Jn dem sonsten ich sorge/ daß es schwehr werden möchte/ die leute dazu zubringen/ nicht nur weil sie insgemein sich vor allen neuerungen förchten/ und immer eine neue beschwerde sorgen/ sondern weil ich gewiß bin/ nachdem der Teuffel gnugsam vor- sehen mag/ daß er alle mügliche hindernissen in den weg werffen werde/ ja ich bin versichert/ wo einige personen in einer gemeinde sind/ denen ihr Christen- thum nicht angelegen/ sie aber doch in einiger autorität stehen/ daß sie sich nach vermögen gern wiedersetzen werden/ damit der Prediger keine gelegenheit be- komme/ von ihren leben freyer mit ihnen zu reden/ als es ihnen etwa lieb ist. Durch solche einwilligung des Superintendenten aber hoffe ich/ sonderlich wo geliebter bruder/ wie ich mich zu ihm versehe/ sich dieser gelegenheit bescheident- lich und bedächtlich brauchen wird/ solle den sonsten besorglichen hindernissen ziemlich vorgebauet seyn. Wie es aber am füglichsten anzugreiffen/ ist zum aller-
Das andere Capitel. des gantzen beichtweſens vornehmlich dahin gehet/ daß die noͤtige pruͤffung dercommunicanten recht befoͤrdert werde/ und der beichtvater eine bequeme gele- genheit habe/ mit ſeinem beichtkindern nothduͤrfftig und vertraulich zu handeln/ ſo iſt dazu gemeiniglich zeit und ort die beicht nicht gar bequem. Es ſind mei- ſter orten der communicanten ſo viele/ und die zu ſolcher ſache beſtimmte zeit ſo eng/ daß unmoͤglich iſt/ bey allen das jenige zu thun/ was der gedachten ab- ſicht gemaͤß waͤre/ daher alles uͤbereylet werden muß/ und ſorglich wenig aus- gerichtet wird. Geſchihets auch/ daß am ſolchem ort mit einer perſon wegen gewiſſer dinge geredet werden ſoll/ ob auch andere davon nichts hoͤren koͤnnen/ ſo giebet dennoch die laͤngere auffhaltung einer perſon ſo bald andern/ ſo auch zur beicht gehen wollen und warten eine ſtarcke vermuthung/ daß derſelben et- was ſonderliches muͤſſe vorgehalten worden ſeyn/ daraus wol gar entſtehet/ daß fuͤrwitzige leute zu errathen und zu erforſchen meinen/ was man mit ſol- chen leuten gehandelt: ſo leicht anlaß zu allerhand verdacht/ nachreden und andern uͤbel giebet: Weswegen auch Chriſtliche Prediger ſich offt bedencken/ uͤm einiges zuſpruchs willen/ leute aus ihrer gemeinde ausdruͤcklich zu ſich zu- fordern/ ſo ſie ſonſt gerne thaͤten/ aber zuweilen ihrer zu ſchonen urſach finden/ damit nicht andere daraus ungegruͤndeten argwohn/ ſonderlich da es zum exem- pel eheleut betrifft/ ſchoͤpffen/ oder wol gar ausbreiten. Wann aber dergleichen eingefuͤhret wird/ daß jeglicher vor der communion zu die Prediger kommen und ſich anmelden muß/ hat der Prediger alsdann die beſte und unverdaͤchtige ge- legenheit mit einen jeglichen das jenige zu reden/ was ſein gewiſſen mit ſich bringet; Kan auch ſo viel zeit dazu nehmen/ als er nothwendig erkennet. Alſo iſt gewißlich von dieſer gewohnheit/ da ſie eingefuͤhret wird/ aus den ſegen Got- tes mehr nutzen zu erwarten/ als man gedencken moͤchte/ wo man nur ſo oben hin die ſache anſihet. Jch freue mich auch/ das bereits der Herr Superinten- dens darin gewilliget habe/ und man einige autoritaͤt anfuͤhren kan. Jn dem ſonſten ich ſorge/ daß es ſchwehr werden moͤchte/ die leute dazu zubringen/ nicht nur weil ſie insgemein ſich vor allen neuerungen foͤrchten/ und immer eine neue beſchwerde ſorgen/ ſondern weil ich gewiß bin/ nachdem der Teuffel gnugſam vor- ſehen mag/ daß er alle muͤgliche hinderniſſen in den weg werffen werde/ ja ich bin verſichert/ wo einige perſonen in einer gemeinde ſind/ denen ihr Chriſten- thum nicht angelegen/ ſie aber doch in einiger autoritaͤt ſtehen/ daß ſie ſich nach vermoͤgen gern wiederſetzen werden/ damit der Prediger keine gelegenheit be- komme/ von ihren leben freyer mit ihnen zu reden/ als es ihnen etwa lieb iſt. Durch ſolche einwilligung des Superintendenten aber hoffe ich/ ſonderlich wo geliebter bruder/ wie ich mich zu ihm verſehe/ ſich dieſer gelegenheit beſcheident- lich und bedaͤchtlich brauchen wird/ ſolle den ſonſten beſorglichen hinderniſſen ziemlich vorgebauet ſeyn. Wie es aber am fuͤglichſten anzugreiffen/ iſt zum aller-
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Das andere Capitel.
des gantzen beichtweſens vornehmlich dahin gehet/ daß die noͤtige pruͤffung der
communicanten recht befoͤrdert werde/ und der beichtvater eine bequeme gele-
genheit habe/ mit ſeinem beichtkindern nothduͤrfftig und vertraulich zu handeln/
ſo iſt dazu gemeiniglich zeit und ort die beicht nicht gar bequem. Es ſind mei-
ſter orten der communicanten ſo viele/ und die zu ſolcher ſache beſtimmte zeit
ſo eng/ daß unmoͤglich iſt/ bey allen das jenige zu thun/ was der gedachten ab-
ſicht gemaͤß waͤre/ daher alles uͤbereylet werden muß/ und ſorglich wenig aus-
gerichtet wird. Geſchihets auch/ daß am ſolchem ort mit einer perſon wegen
gewiſſer dinge geredet werden ſoll/ ob auch andere davon nichts hoͤren koͤnnen/
ſo giebet dennoch die laͤngere auffhaltung einer perſon ſo bald andern/ ſo auch
zur beicht gehen wollen und warten eine ſtarcke vermuthung/ daß derſelben et-
was ſonderliches muͤſſe vorgehalten worden ſeyn/ daraus wol gar entſtehet/
daß fuͤrwitzige leute zu errathen und zu erforſchen meinen/ was man mit ſol-
chen leuten gehandelt: ſo leicht anlaß zu allerhand verdacht/ nachreden und
andern uͤbel giebet: Weswegen auch Chriſtliche Prediger ſich offt bedencken/
uͤm einiges zuſpruchs willen/ leute aus ihrer gemeinde ausdruͤcklich zu ſich zu-
fordern/ ſo ſie ſonſt gerne thaͤten/ aber zuweilen ihrer zu ſchonen urſach finden/
damit nicht andere daraus ungegruͤndeten argwohn/ ſonderlich da es zum exem-
pel eheleut betrifft/ ſchoͤpffen/ oder wol gar ausbreiten. Wann aber dergleichen
eingefuͤhret wird/ daß jeglicher vor der communion zu die Prediger kommen und
ſich anmelden muß/ hat der Prediger alsdann die beſte und unverdaͤchtige ge-
legenheit mit einen jeglichen das jenige zu reden/ was ſein gewiſſen mit ſich
bringet; Kan auch ſo viel zeit dazu nehmen/ als er nothwendig erkennet. Alſo
iſt gewißlich von dieſer gewohnheit/ da ſie eingefuͤhret wird/ aus den ſegen Got-
tes mehr nutzen zu erwarten/ als man gedencken moͤchte/ wo man nur ſo oben
hin die ſache anſihet. Jch freue mich auch/ das bereits der Herr Superinten-
dens darin gewilliget habe/ und man einige autoritaͤt anfuͤhren kan. Jn dem
ſonſten ich ſorge/ daß es ſchwehr werden moͤchte/ die leute dazu zubringen/ nicht
nur weil ſie insgemein ſich vor allen neuerungen foͤrchten/ und immer eine neue
beſchwerde ſorgen/ ſondern weil ich gewiß bin/ nachdem der Teuffel gnugſam vor-
ſehen mag/ daß er alle muͤgliche hinderniſſen in den weg werffen werde/ ja ich
bin verſichert/ wo einige perſonen in einer gemeinde ſind/ denen ihr Chriſten-
thum nicht angelegen/ ſie aber doch in einiger autoritaͤt ſtehen/ daß ſie ſich nach
vermoͤgen gern wiederſetzen werden/ damit der Prediger keine gelegenheit be-
komme/ von ihren leben freyer mit ihnen zu reden/ als es ihnen etwa lieb iſt.
Durch ſolche einwilligung des Superintendenten aber hoffe ich/ ſonderlich wo
geliebter bruder/ wie ich mich zu ihm verſehe/ ſich dieſer gelegenheit beſcheident-
lich und bedaͤchtlich brauchen wird/ ſolle den ſonſten beſorglichen hinderniſſen
ziemlich vorgebauet ſeyn. Wie es aber am fuͤglichſten anzugreiffen/ iſt zum
aller-
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