Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

fragt meine Fatime den Grafen von
Gleichen,*) und ich habe die Lieblichkeit
und Glorie dieses Mädchens nicht stärker be-
zeichnen zu können geglaubt, als durch diese
Frage. Dieses Streben, allein geliebt zu
seyn, ausschließend zu genießen, mag
es immer in der Natur der Empfindung
liegen, es ist doch nur Egoismus, also kei-
nes Schuzes, keiner Lobrede werth. Alle
die Leidenschaften, die es mit sich bringt, alle
die traurigen Folgen des Egoismus über-
haupt ungerechnet; begünstigt es diesen
Schwindel der Empfindungen, diesen
Sturm der Gefühle, der Tugend, so wie es
wahren Genuß vernichtet. Mag man mir
einwerfen, das, was ich Liebe nenne, sey nur
Freundschaft; so lange ein besserer Kopf

*) Jn dem Schauspiel Ernst Graf von
Gleichen
.

fragt meine Fatime den Grafen von
Gleichen,*) und ich habe die Lieblichkeit
und Glorie dieſes Maͤdchens nicht ſtaͤrker be-
zeichnen zu koͤnnen geglaubt, als durch dieſe
Frage. Dieſes Streben, allein geliebt zu
ſeyn, ausſchließend zu genießen, mag
es immer in der Natur der Empfindung
liegen, es iſt doch nur Egoismus, alſo kei-
nes Schuzes, keiner Lobrede werth. Alle
die Leidenſchaften, die es mit ſich bringt, alle
die traurigen Folgen des Egoismus uͤber-
haupt ungerechnet; beguͤnſtigt es dieſen
Schwindel der Empfindungen, dieſen
Sturm der Gefuͤhle, der Tugend, ſo wie es
wahren Genuß vernichtet. Mag man mir
einwerfen, das, was ich Liebe nenne, ſey nur
Freundſchaft; ſo lange ein beſſerer Kopf

*) Jn dem Schauſpiel Ernſt Graf von
Gleichen
.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020" n="8"/>
fragt meine <hi rendition="#g">Fatime</hi> den <hi rendition="#g">Grafen</hi> von<lb/><hi rendition="#g">Gleichen</hi>,<note place="foot" n="*)">Jn dem Schau&#x017F;piel <hi rendition="#g">Ern&#x017F;t Graf von<lb/>
Gleichen</hi>.</note> und ich habe die Lieblichkeit<lb/>
und Glorie die&#x017F;es Ma&#x0364;dchens nicht &#x017F;ta&#x0364;rker be-<lb/>
zeichnen zu ko&#x0364;nnen geglaubt, als durch die&#x017F;e<lb/>
Frage. Die&#x017F;es Streben, <hi rendition="#g">allein</hi> geliebt zu<lb/>
&#x017F;eyn, <hi rendition="#g">aus&#x017F;chließend</hi> zu genießen, mag<lb/>
es immer in der Natur der Empfindung<lb/>
liegen, es i&#x017F;t doch nur Egoismus, al&#x017F;o kei-<lb/>
nes Schuzes, keiner Lobrede werth. Alle<lb/>
die Leiden&#x017F;chaften, die es mit &#x017F;ich bringt, alle<lb/>
die traurigen Folgen des Egoismus u&#x0364;ber-<lb/>
haupt ungerechnet; begu&#x0364;n&#x017F;tigt es die&#x017F;en<lb/><hi rendition="#g">Schwindel</hi> der Empfindungen, die&#x017F;en<lb/>
Sturm der Gefu&#x0364;hle, der Tugend, &#x017F;o wie es<lb/>
wahren Genuß vernichtet. Mag man mir<lb/>
einwerfen, das, was ich Liebe nenne, &#x017F;ey nur<lb/><hi rendition="#g">Freund&#x017F;chaft</hi>; &#x017F;o lange ein be&#x017F;&#x017F;erer Kopf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0020] fragt meine Fatime den Grafen von Gleichen, *) und ich habe die Lieblichkeit und Glorie dieſes Maͤdchens nicht ſtaͤrker be- zeichnen zu koͤnnen geglaubt, als durch dieſe Frage. Dieſes Streben, allein geliebt zu ſeyn, ausſchließend zu genießen, mag es immer in der Natur der Empfindung liegen, es iſt doch nur Egoismus, alſo kei- nes Schuzes, keiner Lobrede werth. Alle die Leidenſchaften, die es mit ſich bringt, alle die traurigen Folgen des Egoismus uͤber- haupt ungerechnet; beguͤnſtigt es dieſen Schwindel der Empfindungen, dieſen Sturm der Gefuͤhle, der Tugend, ſo wie es wahren Genuß vernichtet. Mag man mir einwerfen, das, was ich Liebe nenne, ſey nur Freundſchaft; ſo lange ein beſſerer Kopf *) Jn dem Schauſpiel Ernſt Graf von Gleichen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/20
Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/20>, abgerufen am 21.11.2024.