Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite


den heuchlerischen Versicherungen unbegränz-
ter, gränzenloser, vollkommenster etc. Vereh-
rung, Hochachtung, Freundschaft, womit
man sich wechselseitig begrüßt, oft ohne sich
zu kennen, und an die man weder glaubt,
noch dem andern Glauben zutraut.

Allerdings hat aber das Titular-Wesen
auch auf unsre Moralität, auf den Karakter
der Nazion großen Einfluß; -- die Ceremo-
niosität unsrer Titulaturen und Kourtoisien
hat die Heuchelei, den Trug, die Verstellung
begünstigt, und Geradheit, Offenheit, Bie-
der-Sinn, Treu und Glauben weggeäzt.

Die kriechende Art, mit der wir mit
Höhern sprechen, das ganz gehorsamst,
unterthänigst, allerunterthänigst
,
so sinnlos es an sich ist, hat den Geist des Teut-


den heuchleriſchen Verſicherungen unbegraͤnz-
ter, graͤnzenloſer, vollkommenſter ꝛc. Vereh-
rung, Hochachtung, Freundſchaft, womit
man ſich wechſelſeitig begruͤßt, oft ohne ſich
zu kennen, und an die man weder glaubt,
noch dem andern Glauben zutraut.

Allerdings hat aber das Titular-Weſen
auch auf unſre Moralitaͤt, auf den Karakter
der Nazion großen Einfluß; — die Ceremo-
nioſitaͤt unſrer Titulaturen und Kourtoiſien
hat die Heuchelei, den Trug, die Verſtellung
beguͤnſtigt, und Geradheit, Offenheit, Bie-
der-Sinn, Treu und Glauben weggeaͤzt.

Die kriechende Art, mit der wir mit
Hoͤhern ſprechen, das ganz gehorſamſt,
unterthaͤnigſt, allerunterthaͤnigſt
,
ſo ſinnlos es an ſich iſt, hat den Geiſt des Teut-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="159"/><lb/>
den heuchleri&#x017F;chen Ver&#x017F;icherungen unbegra&#x0364;nz-<lb/>
ter, gra&#x0364;nzenlo&#x017F;er, vollkommen&#x017F;ter &#xA75B;c. Vereh-<lb/>
rung, Hochachtung, Freund&#x017F;chaft, womit<lb/>
man &#x017F;ich wech&#x017F;el&#x017F;eitig begru&#x0364;ßt, oft ohne &#x017F;ich<lb/>
zu kennen, und an die man weder glaubt,<lb/>
noch dem andern Glauben zutraut.</p><lb/>
        <p>Allerdings hat aber das Titular-We&#x017F;en<lb/>
auch auf un&#x017F;re Moralita&#x0364;t, auf den Karakter<lb/>
der Nazion großen Einfluß; &#x2014; die Ceremo-<lb/>
nio&#x017F;ita&#x0364;t un&#x017F;rer Titulaturen und Kourtoi&#x017F;ien<lb/>
hat die Heuchelei, den Trug, die Ver&#x017F;tellung<lb/>
begu&#x0364;n&#x017F;tigt, und Geradheit, Offenheit, Bie-<lb/>
der-Sinn, Treu und Glauben weggea&#x0364;zt.</p><lb/>
        <p>Die kriechende Art, mit der wir mit<lb/>
Ho&#x0364;hern &#x017F;prechen, das <hi rendition="#g">ganz gehor&#x017F;am&#x017F;t,<lb/>
untertha&#x0364;nig&#x017F;t, alleruntertha&#x0364;nig&#x017F;t</hi>,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;innlos es an &#x017F;ich i&#x017F;t, hat den Gei&#x017F;t des Teut-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0171] den heuchleriſchen Verſicherungen unbegraͤnz- ter, graͤnzenloſer, vollkommenſter ꝛc. Vereh- rung, Hochachtung, Freundſchaft, womit man ſich wechſelſeitig begruͤßt, oft ohne ſich zu kennen, und an die man weder glaubt, noch dem andern Glauben zutraut. Allerdings hat aber das Titular-Weſen auch auf unſre Moralitaͤt, auf den Karakter der Nazion großen Einfluß; — die Ceremo- nioſitaͤt unſrer Titulaturen und Kourtoiſien hat die Heuchelei, den Trug, die Verſtellung beguͤnſtigt, und Geradheit, Offenheit, Bie- der-Sinn, Treu und Glauben weggeaͤzt. Die kriechende Art, mit der wir mit Hoͤhern ſprechen, das ganz gehorſamſt, unterthaͤnigſt, allerunterthaͤnigſt, ſo ſinnlos es an ſich iſt, hat den Geiſt des Teut-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/171
Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/171>, abgerufen am 02.05.2024.