diese Schaam zu verbergen, haben wir die unnatürlichste Gattung, die Oper, auf den Thron gehoben, weil sie doch noch Einen Sinn reizt!
Jndeß hat eben deswegen die Verbannung Harlekins dem Schauspiel im Ganzen we- sentlichen Nachtheil zugefügt. Das Publi- kum, unbefriedigt durch das Schauspiel, hat sich an die kostbare Oper, an die kostbare Bal- lete, an kostbare Dekorazionen und Kleidun- gen geheftet. Und all' das richtet die Schau- spiel-Kunst zu Grunde. Eben deswegen können wenig Städte ein stehendes Schau- spiel unterhalten. Wechselte die Posse mit dem ernsten Schauspiel ab, so wäre auch dieß gerettet. Eins würde dem andern die Hand biethen; Eins das andre unterhalten, und für alle Klassen des Publikums, für für jeden Geschmak wäre gesorgt.
dieſe Schaam zu verbergen, haben wir die unnatuͤrlichſte Gattung, die Oper, auf den Thron gehoben, weil ſie doch noch Einen Sinn reizt!
Jndeß hat eben deswegen die Verbannung Harlekins dem Schauſpiel im Ganzen we- ſentlichen Nachtheil zugefuͤgt. Das Publi- kum, unbefriedigt durch das Schauſpiel, hat ſich an die koſtbare Oper, an die koſtbare Bal- lete, an koſtbare Dekorazionen und Kleidun- gen geheftet. Und all' das richtet die Schau- ſpiel-Kunſt zu Grunde. Eben deswegen koͤnnen wenig Staͤdte ein ſtehendes Schau- ſpiel unterhalten. Wechſelte die Poſſe mit dem ernſten Schauſpiel ab, ſo waͤre auch dieß gerettet. Eins wuͤrde dem andern die Hand biethen; Eins das andre unterhalten, und fuͤr alle Klaſſen des Publikums, fuͤr fuͤr jeden Geſchmak waͤre geſorgt.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0151"n="139"/><lb/>
dieſe Schaam zu verbergen, haben wir die<lb/>
unnatuͤrlichſte Gattung, die Oper, auf den<lb/>
Thron gehoben, weil ſie doch noch Einen<lb/>
Sinn reizt!</p><lb/><p>Jndeß hat eben deswegen die Verbannung<lb/>
Harlekins dem Schauſpiel im Ganzen we-<lb/>ſentlichen Nachtheil zugefuͤgt. Das Publi-<lb/>
kum, unbefriedigt durch das Schauſpiel, hat<lb/>ſich an die koſtbare Oper, an die koſtbare Bal-<lb/>
lete, an koſtbare Dekorazionen und Kleidun-<lb/>
gen geheftet. Und all' das richtet die Schau-<lb/>ſpiel-Kunſt zu Grunde. Eben deswegen<lb/>
koͤnnen wenig Staͤdte ein ſtehendes Schau-<lb/>ſpiel unterhalten. Wechſelte die Poſſe mit<lb/>
dem ernſten Schauſpiel ab, ſo waͤre auch<lb/>
dieß gerettet. Eins wuͤrde dem andern die<lb/>
Hand biethen; Eins das andre unterhalten,<lb/>
und fuͤr <hirendition="#g">alle</hi> Klaſſen des Publikums, fuͤr<lb/>
fuͤr <hirendition="#g">jeden</hi> Geſchmak waͤre geſorgt.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[139/0151]
dieſe Schaam zu verbergen, haben wir die
unnatuͤrlichſte Gattung, die Oper, auf den
Thron gehoben, weil ſie doch noch Einen
Sinn reizt!
Jndeß hat eben deswegen die Verbannung
Harlekins dem Schauſpiel im Ganzen we-
ſentlichen Nachtheil zugefuͤgt. Das Publi-
kum, unbefriedigt durch das Schauſpiel, hat
ſich an die koſtbare Oper, an die koſtbare Bal-
lete, an koſtbare Dekorazionen und Kleidun-
gen geheftet. Und all' das richtet die Schau-
ſpiel-Kunſt zu Grunde. Eben deswegen
koͤnnen wenig Staͤdte ein ſtehendes Schau-
ſpiel unterhalten. Wechſelte die Poſſe mit
dem ernſten Schauſpiel ab, ſo waͤre auch
dieß gerettet. Eins wuͤrde dem andern die
Hand biethen; Eins das andre unterhalten,
und fuͤr alle Klaſſen des Publikums, fuͤr
fuͤr jeden Geſchmak waͤre geſorgt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/151>, abgerufen am 02.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.