Kaum kennen sie unsren Leibniz, Kant, Wieland, Göthe, Schiller etc. dem Namen nach. Garrik, als Litterator berühmt, kann- te unsern Lessing als Fabel-Dichter, nicht sei- ne Emilie, nicht seine Mina, nicht seinen unsterblichen Nathan!! Und wo ist die Nazion, die einen Lessing, einen Wieland etc. uns entgegenstellen könnte? -- Kaum haben die Franzosen dem Gluk, die Spanier und Jta- liener dem Mengs, die Engländer der Ange- lika, dem Händel und Haydn verziehen, daß sie Teutsche waren! -- Man höre und lese alle Erzählungen der Reisenden über die Kenntnisse unsrer Litteratur und Kunst in Frankreich, England, Jtalien, Spanien etc. und erstaune über die tiefe Unwissenheit, über den armseeligen Nazio- nal-Stolz!
Kaum kennen ſie unſren Leibniz, Kant, Wieland, Goͤthe, Schiller ꝛc. dem Namen nach. Garrik, als Litterator beruͤhmt, kann- te unſern Leſſing als Fabel-Dichter, nicht ſei- ne Emilie, nicht ſeine Mina, nicht ſeinen unſterblichen Nathan!! Und wo iſt die Nazion, die einen Leſſing, einen Wieland ꝛc. uns entgegenſtellen koͤnnte? — Kaum haben die Franzoſen dem Gluk, die Spanier und Jta- liener dem Mengs, die Englaͤnder der Ange- lika, dem Haͤndel und Haydn verziehen, daß ſie Teutſche waren! — Man hoͤre und leſe alle Erzaͤhlungen der Reiſenden uͤber die Kenntniſſe unſrer Litteratur und Kunſt in Frankreich, England, Jtalien, Spanien ꝛc. und erſtaune uͤber die tiefe Unwiſſenheit, uͤber den armſeeligen Nazio- nal-Stolz!
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Kaum kennen ſie unſren Leibniz, Kant,
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nach. Garrik, als Litterator beruͤhmt, kann-
te unſern Leſſing als Fabel-Dichter, nicht ſei-
ne Emilie, nicht ſeine Mina, nicht ſeinen
unſterblichen Nathan!! Und wo iſt die
Nazion, die einen Leſſing, einen Wieland ꝛc.
uns entgegenſtellen koͤnnte? — Kaum haben
die Franzoſen dem Gluk, die Spanier und Jta-
liener dem Mengs, die Englaͤnder der Ange-
lika, dem Haͤndel und Haydn verziehen,
daß ſie Teutſche waren! — Man hoͤre
und leſe alle Erzaͤhlungen der Reiſenden
uͤber die Kenntniſſe unſrer Litteratur und
Kunſt in Frankreich, England, Jtalien,
Spanien ꝛc. und erſtaune uͤber die tiefe
Unwiſſenheit, uͤber den armſeeligen Nazio-
nal-Stolz!
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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/112>, abgerufen am 16.02.2025.
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