Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752.Betrachtungen seeligste Persohn von der Welt, da sie gezwun-gen ware, mit denen Augen ihren GOtt anzu- sehen, ohne, Ihne zu genüssen, und sehen mußte, wie Er allen andern, nur ihr allein nicht ge- reicht wurde. Als sie dann nun also in einem Winckel fast in Seuffzer und Thränen zerflos- se, sihe Wunder, da eröffnete sich das geheilgte Gefäß des geseegneten Opffer-Brods, und in Ansehung aller gienge ein heiliger Particul daraus hervor, flohe von sich selbst durch den Lufft, auf einen Weeg, so wie ein Licht glänz- te, und bliebe gerad ober dem Haupt der Hi- meldis im Lufft hangen. Wer wird aber wohl anjetzo die Erstaunung, und das Gemurmel der übrigen Closter-Schwestern beschreiben können? Sie berichteten alsbald den Priester davon; welcher, ohne sich zu verweilen, mit dem geistlichen Kirchen-Kleid angethan, in den Chor gegangen, das Kelch-Dellerlein unter die heilige Hostien gehalten; selbe in das ge- wöhnliche Heiligthum wieder zu legen. Allein er wurde von einem innerlichen Gewalt ange- trieben, und nahme den heiligen Particul, speißte Himeldin, welche schon so lang nach die- sem Göttlichen Engel-Brod einen heiligen Hunger getragen. O was Freud blickte nicht damahls aus diesem heiligen Antlitz hervor, da sie ihren, so sehnlich verlangten GOtt end- lich empfangen! was süsse Liebs-Thränen quäll- ten nicht über ihre, von Purpur gemachte Wangen? Was heilige Liebs-Flammen dün- stete
Betrachtungen ſeeligſte Perſohn von der Welt, da ſie gezwun-gen ware, mit denen Augen ihren GOtt anzu- ſehen, ohne, Ihne zu genüſſen, und ſehen mußte, wie Er allen andern, nur ihr allein nicht ge- reicht wurde. Als ſie dann nun alſo in einem Winckel faſt in Seuffzer und Thränen zerfloſ- ſe, ſihe Wunder, da eröffnete ſich das geheilgte Gefäß des geſeegneten Opffer-Brods, und in Anſehung aller gienge ein heiliger Particul daraus hervor, flohe von ſich ſelbſt durch den Lufft, auf einen Weeg, ſo wie ein Licht glänz- te, und bliebe gerad ober dem Haupt der Hi- meldis im Lufft hangen. Wer wird aber wohl anjetzo die Erſtaunung, und das Gemurmel der übrigen Cloſter-Schweſtern beſchreiben können? Sie berichteten alsbald den Prieſter davon; welcher, ohne ſich zu verweilen, mit dem geiſtlichen Kirchen-Kleid angethan, in den Chor gegangen, das Kelch-Dellerlein unter die heilige Hoſtien gehalten; ſelbe in das ge- wöhnliche Heiligthum wieder zu legen. Allein er wurde von einem innerlichen Gewalt ange- trieben, und nahme den heiligen Particul, ſpeißte Himeldin, welche ſchon ſo lang nach die- ſem Göttlichen Engel-Brod einen heiligen Hunger getragen. O was Freud blickte nicht damahls aus dieſem heiligen Antlitz hervor, da ſie ihren, ſo ſehnlich verlangten GOtt end- lich empfangen! was ſüſſe Liebs-Thränen quäll- ten nicht über ihre, von Purpur gemachte Wangen? Was heilige Liebs-Flammen dün- ſtete
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Betrachtungen
ſeeligſte Perſohn von der Welt, da ſie gezwun-
gen ware, mit denen Augen ihren GOtt anzu-
ſehen, ohne, Ihne zu genüſſen, und ſehen mußte,
wie Er allen andern, nur ihr allein nicht ge-
reicht wurde. Als ſie dann nun alſo in einem
Winckel faſt in Seuffzer und Thränen zerfloſ-
ſe, ſihe Wunder, da eröffnete ſich das geheilgte
Gefäß des geſeegneten Opffer-Brods, und in
Anſehung aller gienge ein heiliger Particul
daraus hervor, flohe von ſich ſelbſt durch den
Lufft, auf einen Weeg, ſo wie ein Licht glänz-
te, und bliebe gerad ober dem Haupt der Hi-
meldis im Lufft hangen. Wer wird aber wohl
anjetzo die Erſtaunung, und das Gemurmel
der übrigen Cloſter-Schweſtern beſchreiben
können? Sie berichteten alsbald den Prieſter
davon; welcher, ohne ſich zu verweilen, mit
dem geiſtlichen Kirchen-Kleid angethan, in den
Chor gegangen, das Kelch-Dellerlein unter
die heilige Hoſtien gehalten; ſelbe in das ge-
wöhnliche Heiligthum wieder zu legen. Allein
er wurde von einem innerlichen Gewalt ange-
trieben, und nahme den heiligen Particul,
ſpeißte Himeldin, welche ſchon ſo lang nach die-
ſem Göttlichen Engel-Brod einen heiligen
Hunger getragen. O was Freud blickte nicht
damahls aus dieſem heiligen Antlitz hervor,
da ſie ihren, ſo ſehnlich verlangten GOtt end-
lich empfangen! was ſüſſe Liebs-Thränen quäll-
ten nicht über ihre, von Purpur gemachte
Wangen? Was heilige Liebs-Flammen dün-
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