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Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752.

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Betrachtungen
Knaben, so ruckwärts vor ihme stunde, gleich,
als würdigte er sich nicht, einen so ruchlosen
Priester anzusehen. Auf dieses hin gienge der
Gottlose in sich, verbesserte seine Lebens-Art,
und schrye weynend mit dem David auf: Du
hast dein Angesicht von mir abgewendet/
und ich bin gantz verworren worden.
Ps. 29.
So vieles würdiget sich JEsus von denen
Sündern zu ertragen; und warum? damit
er die Fromme der ohnbeschreiblichen Güter
nicht beraube, so ihnen von seinem Tisch zu-
kommen. O unendliche Güte! wie seynd wir
dir nicht verpflichtet! Ach! wir ruffen von
Hertzen:

Was konte dich doch für ein Liebe ver-
binden/
Daß du erdultest unsere Sünden?

Da der Heyland persöhnlich bey uns ware,
scheute er sich nicht, auch mit offenen Sündern
umzugehen; ja, er sasse sogar mit ihnen zu Gast.
Und eben dieses verursachte so grosse Verwun-
derung, daß die Schrifftgelehrte Gleißner dar-
über gemurret, mit Vermelden, Er wohne bey
denen Sündern/ und speise mit ihnen.
Aber
weit grösser ist die Verdemüthigung, so er bey
dem Altar zeigt, da er nicht mit denen Sün-
dern speiset, sondern sich ihnen zur Speiß dar-
reicht? Es ist nemlich in Wahrheit eine sehr
hart, und wider sich selbst streittende Sach, daß
die ohnendliche Heiligkeit GOttes durch die
Niessung in das Hertz eines Gottlosen eingehe.

Betrach-

Betrachtungen
Knaben, ſo ruckwärts vor ihme ſtunde, gleich,
als würdigte er ſich nicht, einen ſo ruchloſen
Prieſter anzuſehen. Auf dieſes hin gienge der
Gottloſe in ſich, verbeſſerte ſeine Lebens-Art,
und ſchrye weynend mit dem David auf: Du
haſt dein Angeſicht von mir abgewendet/
und ich bin gantz verworren worden.
Pſ. 29.
So vieles würdiget ſich JEſus von denen
Sündern zu ertragen; und warum? damit
er die Fromme der ohnbeſchreiblichen Güter
nicht beraube, ſo ihnen von ſeinem Tiſch zu-
kommen. O unendliche Güte! wie ſeynd wir
dir nicht verpflichtet! Ach! wir ruffen von
Hertzen:

Was konte dich doch für ein Liebe ver-
binden/
Daß du erdulteſt unſere Sünden?

Da der Heyland perſöhnlich bey uns ware,
ſcheute er ſich nicht, auch mit offenen Sündern
umzugehen; ja, er ſaſſe ſogar mit ihnen zu Gaſt.
Und eben dieſes verurſachte ſo groſſe Verwun-
derung, daß die Schrifftgelehrte Gleißner dar-
über gemurret, mit Vermelden, Er wohne bey
denen Sündern/ und ſpeiſe mit ihnen.
Aber
weit gröſſer iſt die Verdemüthigung, ſo er bey
dem Altar zeigt, da er nicht mit denen Sün-
dern ſpeiſet, ſondern ſich ihnen zur Speiß dar-
reicht? Es iſt nemlich in Wahrheit eine ſehr
hart, und wider ſich ſelbſt ſtreittende Sach, daß
die ohnendliche Heiligkeit GOttes durch die
Nieſſung in das Hertz eines Gottloſen eingehe.

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[96/0133] Betrachtungen Knaben, ſo ruckwärts vor ihme ſtunde, gleich, als würdigte er ſich nicht, einen ſo ruchloſen Prieſter anzuſehen. Auf dieſes hin gienge der Gottloſe in ſich, verbeſſerte ſeine Lebens-Art, und ſchrye weynend mit dem David auf: Du haſt dein Angeſicht von mir abgewendet/ und ich bin gantz verworren worden. Pſ. 29. So vieles würdiget ſich JEſus von denen Sündern zu ertragen; und warum? damit er die Fromme der ohnbeſchreiblichen Güter nicht beraube, ſo ihnen von ſeinem Tiſch zu- kommen. O unendliche Güte! wie ſeynd wir dir nicht verpflichtet! Ach! wir ruffen von Hertzen: Was konte dich doch für ein Liebe ver- binden/ Daß du erdulteſt unſere Sünden? Da der Heyland perſöhnlich bey uns ware, ſcheute er ſich nicht, auch mit offenen Sündern umzugehen; ja, er ſaſſe ſogar mit ihnen zu Gaſt. Und eben dieſes verurſachte ſo groſſe Verwun- derung, daß die Schrifftgelehrte Gleißner dar- über gemurret, mit Vermelden, Er wohne bey denen Sündern/ und ſpeiſe mit ihnen. Aber weit gröſſer iſt die Verdemüthigung, ſo er bey dem Altar zeigt, da er nicht mit denen Sün- dern ſpeiſet, ſondern ſich ihnen zur Speiß dar- reicht? Es iſt nemlich in Wahrheit eine ſehr hart, und wider ſich ſelbſt ſtreittende Sach, daß die ohnendliche Heiligkeit GOttes durch die Nieſſung in das Hertz eines Gottloſen eingehe. Betrach-

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Zitationshilfe: Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siniscalchi_abendmahl_1752/133>, abgerufen am 27.11.2024.