Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752.Betrachtungen mit uns, wie eine Lieb-volle Mutter mit ihremKind, so sie auf denen Aermen hat, und es säu- gen will, das Kind statt des Danck bezahlt der Mutter diese Gutthat mit Undanck, es seuffzet, es weint, es will aus der mütterlichen Schoos entfliehen. Allein die Mutter laßt jedoch von der Liebe nicht nach, tragt vielmehr Mitleyden mit dem schwachen Alter des Kinds, trocknet mit süssen Liebs-Küß die Thränen ab, hebt es nur desto fester; damit es nicht entfliehen könne. Eben das, ja noch mehrer thut JEsus mit denen ohnandächtigen See- len. Wie eine mitleydige Mutter ernährt er sie mit seinem Fleisch, tränckt sie mit seinem Allerkostbaristen Blut. Und indessen wie übel beantworten solche diese Liebe? Wie verweilen sie sich nicht, seine Gnaden zu empfangen? Was Ohnehrenbietigkeit und Unandacht zeigen sie nicht? Daß also der Herr billiche Ursach ge- habt, durch den weissagenden Mund des Pro- pheten sich zu beklagen, sprechend: Ich habe Kinder ernährt/ und erhöht; sie haben mich aber veracht ... Aber haltet er deßwegen mit seinen Gnaden gegen uns zuruck? Ach nein! Es heißt da: Viele Wässer könnten seine Liebe nicht auslöschen. Das gantze Meer der menschlichen Undanckbarkeit vermag nicht, das Feuer seiner Liebe zu löschen. Er nimmt jedoch alle an, und auf, thut Guts de- nen lau und kaltsinnigen Menschen, unter de- nen auch ich; als welcher gleichfalls gar wohl verdiente,
Betrachtungen mit uns, wie eine Lieb-volle Mutter mit ihremKind, ſo ſie auf denen Aermen hat, und es ſäu- gen will, das Kind ſtatt des Danck bezahlt der Mutter dieſe Gutthat mit Undanck, es ſeuffzet, es weint, es will aus der mütterlichen Schoos entfliehen. Allein die Mutter laßt jedoch von der Liebe nicht nach, tragt vielmehr Mitleyden mit dem ſchwachen Alter des Kinds, trocknet mit ſüſſen Liebs-Küß die Thränen ab, hebt es nur deſto feſter; damit es nicht entfliehen könne. Eben das, ja noch mehrer thut JEſus mit denen ohnandächtigen See- len. Wie eine mitleydige Mutter ernährt er ſie mit ſeinem Fleiſch, tränckt ſie mit ſeinem Allerkoſtbariſten Blut. Und indeſſen wie übel beantworten ſolche dieſe Liebe? Wie verweilen ſie ſich nicht, ſeine Gnaden zu empfangen? Was Ohnehrenbietigkeit und Unandacht zeigen ſie nicht? Daß alſo der Herr billiche Urſach ge- habt, durch den weiſſagenden Mund des Pro- pheten ſich zu beklagen, ſprechend: Ich habe Kinder ernährt/ und erhöht; ſie haben mich aber veracht ... Aber haltet er deßwegen mit ſeinen Gnaden gegen uns zuruck? Ach nein! Es heißt da: Viele Wäſſer könnten ſeine Liebe nicht auslöſchen. Das gantze Meer der menſchlichen Undanckbarkeit vermag nicht, das Feuer ſeiner Liebe zu löſchen. Er nimmt jedoch alle an, und auf, thut Guts de- nen lau und kaltſinnigen Menſchen, unter de- nen auch ich; als welcher gleichfalls gar wohl verdiente,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0131" n="94"/><fw place="top" type="header">Betrachtungen</fw><lb/> mit uns, wie eine Lieb-volle Mutter mit ihrem<lb/> Kind, ſo ſie auf denen Aermen hat, und es ſäu-<lb/> gen will, das Kind ſtatt des Danck bezahlt<lb/> der Mutter dieſe Gutthat mit Undanck, es<lb/> ſeuffzet, es weint, es will aus der mütterlichen<lb/> Schoos entfliehen. Allein die Mutter laßt<lb/> jedoch von der Liebe nicht nach, tragt vielmehr<lb/> Mitleyden mit dem ſchwachen Alter des Kinds,<lb/> trocknet mit ſüſſen Liebs-Küß die Thränen<lb/> ab, hebt es nur deſto feſter; damit es nicht<lb/> entfliehen könne. Eben das, ja noch mehrer<lb/> thut JEſus mit denen ohnandächtigen See-<lb/> len. Wie eine mitleydige Mutter ernährt er<lb/> ſie mit ſeinem Fleiſch, tränckt ſie mit ſeinem<lb/> Allerkoſtbariſten Blut. Und indeſſen wie übel<lb/> beantworten ſolche dieſe Liebe? Wie verweilen<lb/> ſie ſich nicht, ſeine Gnaden zu empfangen? Was<lb/> Ohnehrenbietigkeit und Unandacht zeigen ſie<lb/> nicht? Daß alſo der Herr billiche Urſach ge-<lb/> habt, durch den weiſſagenden Mund des Pro-<lb/> pheten ſich zu beklagen, ſprechend: <hi rendition="#fr">Ich habe<lb/> Kinder ernährt/ und erhöht; ſie haben mich<lb/> aber veracht</hi> ... Aber haltet er deßwegen<lb/> mit ſeinen Gnaden gegen uns zuruck? Ach<lb/> nein! Es heißt da: <hi rendition="#fr">Viele Wäſſer könnten<lb/> ſeine Liebe nicht auslöſchen.</hi> Das gantze<lb/> Meer der menſchlichen Undanckbarkeit vermag<lb/> nicht, das Feuer ſeiner Liebe zu löſchen. Er<lb/> nimmt jedoch alle an, und auf, thut Guts de-<lb/> nen lau und kaltſinnigen Menſchen, unter de-<lb/> nen auch ich; als welcher gleichfalls gar wohl<lb/> <fw place="bottom" type="catch">verdiente,</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0131]
Betrachtungen
mit uns, wie eine Lieb-volle Mutter mit ihrem
Kind, ſo ſie auf denen Aermen hat, und es ſäu-
gen will, das Kind ſtatt des Danck bezahlt
der Mutter dieſe Gutthat mit Undanck, es
ſeuffzet, es weint, es will aus der mütterlichen
Schoos entfliehen. Allein die Mutter laßt
jedoch von der Liebe nicht nach, tragt vielmehr
Mitleyden mit dem ſchwachen Alter des Kinds,
trocknet mit ſüſſen Liebs-Küß die Thränen
ab, hebt es nur deſto feſter; damit es nicht
entfliehen könne. Eben das, ja noch mehrer
thut JEſus mit denen ohnandächtigen See-
len. Wie eine mitleydige Mutter ernährt er
ſie mit ſeinem Fleiſch, tränckt ſie mit ſeinem
Allerkoſtbariſten Blut. Und indeſſen wie übel
beantworten ſolche dieſe Liebe? Wie verweilen
ſie ſich nicht, ſeine Gnaden zu empfangen? Was
Ohnehrenbietigkeit und Unandacht zeigen ſie
nicht? Daß alſo der Herr billiche Urſach ge-
habt, durch den weiſſagenden Mund des Pro-
pheten ſich zu beklagen, ſprechend: Ich habe
Kinder ernährt/ und erhöht; ſie haben mich
aber veracht ... Aber haltet er deßwegen
mit ſeinen Gnaden gegen uns zuruck? Ach
nein! Es heißt da: Viele Wäſſer könnten
ſeine Liebe nicht auslöſchen. Das gantze
Meer der menſchlichen Undanckbarkeit vermag
nicht, das Feuer ſeiner Liebe zu löſchen. Er
nimmt jedoch alle an, und auf, thut Guts de-
nen lau und kaltſinnigen Menſchen, unter de-
nen auch ich; als welcher gleichfalls gar wohl
verdiente,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |