mierten Werte nicht Arbeit, sondern nur Arbeitskraft erzeugen und deshalb nur diese, als Trägerin jener aufgenommenen Werte, selbst ein Wert sein könne. Die Nahrungsmittel können schon deshalb nicht die zulängliche Ursache des vom Menschen verwirklichten Wertes sein, weil dieser letztere den in den ersteren investierten übersteigt, da es andernfalls nie zu einer Wertvermehrung kommen könnte. Die Schei- dung zwischen Arbeitskraft und Arbeit ist nur für die Zwecke des Sozia- lismus wichtig, weil sie die Theorie anschaulich macht, dass der Arbeiter nur einen Teil der Werte erhält, die er erzeugt. Seine Arbeit produ- ziert mehr Werte, als in seiner Arbeitskraft, in Form der Unterhalts- mittel, investiert sind; indem der Unternehmer die ganze Arbeitskraft um den Wert der letzteren kauft, profitiert er das ganze Mehr, um welches die schliesslichen Arbeitsprodukte diesen Wert überragen. Aber selbst von diesem Standpunkt aus scheint mir, man könnte, statt der Arbeitskraft die Arbeit als Wert bezeichnend, innerhalb der letzteren die Quanten gegeneinander abgrenzen, deren Werte einerseits als Lohn zum Arbeiter zurückkehren, andrerseits den Gewinn des Unternehmers ausmachen. Ich gehe hierauf also nicht weiter ein, sondern untersuche im folgenden nur die nähere Bestimmung, unter welcher uns die Ar- beitstheorie des Wertes so häufig entgegentritt: sie sucht einen Arbeits- begriff, der für Muskelarbeit und geistige Arbeit gleichmässig gilt, und mündet dabei thatsächlich auf der Muskelarbeit, als dem primären Werte oder Wertproduzenten, der als Mass jeglicher Arbeit überhaupt zu gelten habe. Es wäre irrig, hierin nur proletarischen Trotz und prinzipielle Entwürdigung geistiger Leistungen zu sehen. Vielmehr wirken dazu tiefere und verwickeltere Ursachen.
Von dem Anteil des Geistes an der Arbeit ist zunächst behauptet worden, dass er kein "Aufwand" sei, er fordere keinen Ersatz wegen Abnutzung und erhöhe deshalb die Kosten des Produktes nicht; so dass als Begründerin des Tauschwertes nur die Muskelarbeit übrig bleibe. Wenn man dem gegenüber hervorgehoben hat, dass auch die geistige Kraft erschöpfbar sei und ganz ebenso wie die körperliche durch Ernährung erhalten und ersetzt werden müsste, so ist dabei das Moment von Wahrheit übersehen, das jener Theorie, wenn auch nur als instinktives Gefühl, zum Grunde liegen mag. Der Anteil des Geistes an einem Arbeitsprodukt bedeutet nämlich zwei scharf zu unter- scheidende Seiten desselben. Wenn ein Tischler einen Stuhl nach einem längst bekannten Modell herstellt, so geht das freilich nicht ohne einen Aufwand psychischer Thätigkeit ab, die Hand muss vom Bewusstsein geleitet werden. Allein dies ist keineswegs die ganze in dem Stuhl investierte Geistigkeit. Er wäre auch nicht herstellbar
Simmel, Philosophie des Geldes. 28
mierten Werte nicht Arbeit, sondern nur Arbeitskraft erzeugen und deshalb nur diese, als Trägerin jener aufgenommenen Werte, selbst ein Wert sein könne. Die Nahrungsmittel können schon deshalb nicht die zulängliche Ursache des vom Menschen verwirklichten Wertes sein, weil dieser letztere den in den ersteren investierten übersteigt, da es andernfalls nie zu einer Wertvermehrung kommen könnte. Die Schei- dung zwischen Arbeitskraft und Arbeit ist nur für die Zwecke des Sozia- lismus wichtig, weil sie die Theorie anschaulich macht, daſs der Arbeiter nur einen Teil der Werte erhält, die er erzeugt. Seine Arbeit produ- ziert mehr Werte, als in seiner Arbeitskraft, in Form der Unterhalts- mittel, investiert sind; indem der Unternehmer die ganze Arbeitskraft um den Wert der letzteren kauft, profitiert er das ganze Mehr, um welches die schlieſslichen Arbeitsprodukte diesen Wert überragen. Aber selbst von diesem Standpunkt aus scheint mir, man könnte, statt der Arbeitskraft die Arbeit als Wert bezeichnend, innerhalb der letzteren die Quanten gegeneinander abgrenzen, deren Werte einerseits als Lohn zum Arbeiter zurückkehren, andrerseits den Gewinn des Unternehmers ausmachen. Ich gehe hierauf also nicht weiter ein, sondern untersuche im folgenden nur die nähere Bestimmung, unter welcher uns die Ar- beitstheorie des Wertes so häufig entgegentritt: sie sucht einen Arbeits- begriff, der für Muskelarbeit und geistige Arbeit gleichmäſsig gilt, und mündet dabei thatsächlich auf der Muskelarbeit, als dem primären Werte oder Wertproduzenten, der als Maſs jeglicher Arbeit überhaupt zu gelten habe. Es wäre irrig, hierin nur proletarischen Trotz und prinzipielle Entwürdigung geistiger Leistungen zu sehen. Vielmehr wirken dazu tiefere und verwickeltere Ursachen.
Von dem Anteil des Geistes an der Arbeit ist zunächst behauptet worden, daſs er kein „Aufwand“ sei, er fordere keinen Ersatz wegen Abnutzung und erhöhe deshalb die Kosten des Produktes nicht; so daſs als Begründerin des Tauschwertes nur die Muskelarbeit übrig bleibe. Wenn man dem gegenüber hervorgehoben hat, daſs auch die geistige Kraft erschöpfbar sei und ganz ebenso wie die körperliche durch Ernährung erhalten und ersetzt werden müſste, so ist dabei das Moment von Wahrheit übersehen, das jener Theorie, wenn auch nur als instinktives Gefühl, zum Grunde liegen mag. Der Anteil des Geistes an einem Arbeitsprodukt bedeutet nämlich zwei scharf zu unter- scheidende Seiten desselben. Wenn ein Tischler einen Stuhl nach einem längst bekannten Modell herstellt, so geht das freilich nicht ohne einen Aufwand psychischer Thätigkeit ab, die Hand muſs vom Bewuſstsein geleitet werden. Allein dies ist keineswegs die ganze in dem Stuhl investierte Geistigkeit. Er wäre auch nicht herstellbar
Simmel, Philosophie des Geldes. 28
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mierten Werte nicht Arbeit, sondern nur Arbeitskraft erzeugen und
deshalb nur diese, als Trägerin jener aufgenommenen Werte, selbst
ein Wert sein könne. Die Nahrungsmittel können schon deshalb nicht
die zulängliche Ursache des vom Menschen verwirklichten Wertes sein,
weil dieser letztere den in den ersteren investierten übersteigt, da es
andernfalls nie zu einer Wertvermehrung kommen könnte. Die Schei-
dung zwischen Arbeitskraft und Arbeit ist nur für die Zwecke des Sozia-
lismus wichtig, weil sie die Theorie anschaulich macht, daſs der Arbeiter
nur einen Teil der Werte erhält, die er erzeugt. Seine Arbeit produ-
ziert mehr Werte, als in seiner Arbeitskraft, in Form der Unterhalts-
mittel, investiert sind; indem der Unternehmer die ganze Arbeitskraft
um den Wert der letzteren kauft, profitiert er das ganze Mehr, um
welches die schlieſslichen Arbeitsprodukte diesen Wert überragen.
Aber selbst von diesem Standpunkt aus scheint mir, man könnte, statt
der Arbeitskraft die Arbeit als Wert bezeichnend, innerhalb der letzteren
die Quanten gegeneinander abgrenzen, deren Werte einerseits als Lohn
zum Arbeiter zurückkehren, andrerseits den Gewinn des Unternehmers
ausmachen. Ich gehe hierauf also nicht weiter ein, sondern untersuche
im folgenden nur die nähere Bestimmung, unter welcher uns die Ar-
beitstheorie des Wertes so häufig entgegentritt: sie sucht einen Arbeits-
begriff, der für Muskelarbeit und geistige Arbeit gleichmäſsig gilt, und
mündet dabei thatsächlich auf der Muskelarbeit, als dem primären
Werte oder Wertproduzenten, der als Maſs jeglicher Arbeit überhaupt
zu gelten habe. Es wäre irrig, hierin nur proletarischen Trotz und
prinzipielle Entwürdigung geistiger Leistungen zu sehen. Vielmehr
wirken dazu tiefere und verwickeltere Ursachen.
Von dem Anteil des Geistes an der Arbeit ist zunächst behauptet
worden, daſs er kein „Aufwand“ sei, er fordere keinen Ersatz wegen
Abnutzung und erhöhe deshalb die Kosten des Produktes nicht; so
daſs als Begründerin des Tauschwertes nur die Muskelarbeit übrig
bleibe. Wenn man dem gegenüber hervorgehoben hat, daſs auch die
geistige Kraft erschöpfbar sei und ganz ebenso wie die körperliche
durch Ernährung erhalten und ersetzt werden müſste, so ist dabei das
Moment von Wahrheit übersehen, das jener Theorie, wenn auch nur
als instinktives Gefühl, zum Grunde liegen mag. Der Anteil des Geistes
an einem Arbeitsprodukt bedeutet nämlich zwei scharf zu unter-
scheidende Seiten desselben. Wenn ein Tischler einen Stuhl nach
einem längst bekannten Modell herstellt, so geht das freilich nicht
ohne einen Aufwand psychischer Thätigkeit ab, die Hand muſs vom
Bewuſstsein geleitet werden. Allein dies ist keineswegs die ganze in
dem Stuhl investierte Geistigkeit. Er wäre auch nicht herstellbar
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/457>, abgerufen am 22.11.2024.
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