Lohne abgeschrieben, von dem man sich doch keinen Abzug gefallen lassen will; so wissen wir von Lord Byron, dass er manche Verleger- honorare nur mit den peinlichsten Empfindungen angenommen hat. Gegenüber allen aus dem Kern der Persönlichkeit quellenden Be- thätigungen ist es eine oberflächliche, die wirkliche Gefühlsweise gar nicht treffende Vorstellung, dass man "seinen Lohn dahin haben" könne. Kann man etwa die Aufopferungen der Liebe durch irgend ein Thun, selbst ein gleich wertvolles, aus gleich starkem Gefühle fliessendes, völlig vergelten? Es bleibt immer ein Verpflichtungsverhältnis des Ganzen der Persönlichkeiten bestehen, das vielleicht gegenseitig ist, aber sich der Aufrechnung auch durch die Gegenseitigkeit prinzipiell entzieht. Ebensowenig kann ein Vergehen, soweit es innerlicher Natur ist, durch die Strafe so gesühnt werden, als ob es nun ungeschehen wäre, wie etwa der äusserlich angerichtete Schaden es kann. Wenn der Schuldige nach erduldeter Strafe eine völlige Entsündigung fühlt, so entsteht dies nicht aus einem Quittsein mit der Sünde durch die gezahlte Strafe, sondern aus einer durch diese bewirkten innerlichen Umwandlung, die die Wurzel der Sünde zerstört. Die blosse Strafe aber zeigt ihre Unfähigkeit, die Missethat wirklich zu begleichen, in dem weiterwirkenden Misstrauen und der Deklassierung, die der Sünder trotz ihrer noch erfährt. Was ich früher ausführte: dass es zwischen qualitativ verschiedenen Elementen keine unmittelbare Äquivalenz wie zwischen Aktiven und Passiven eines Kontokorrents geben könne -- das gewinnt seine gründlichste Bewährung an den Werten, in denen sich die individuelle Persönlichkeit verkörpert, und wird in dem Masse ungültiger, in dem die Werte von dieser Wurzel gelöst, selbständig- dinglichen Charakter annehmen, sich so ins unendliche dem Geld nähernd, das der schlechthin inkommensurablen Persönlichkeit gegen- über das schlechthin Kommensurable, weil das absolut Sachliche ist. Es hat einerseits etwas grauenhaftes, sich die tiefe gegenseitige Un- angemessenheit der Dinge, Leistungen, psychischen Werte vorzustellen, die wir immerfort wie wirkliche Äquivalente gegeneinander einsetzen; andrerseits giebt grade diese Unvergleichbarkeit von Lebenselementen, ihr Recht, von keinem angebbaren Äquivalent genau gedeckt zu werden, dem Leben doch einen unersetzlichen Reiz und Reichtum. Dass die personalen Werte durch das Geld, für das sie dargeboten werden, gar nicht ausgeglichen werden, mag einerseits der Grund von unzähligen Ungerechtigkeiten und tragischen Situationen sein; aber andrerseits er- hebt sich doch grade daran das Bewusstsein von dem Werte des Per- sönlichen, der Stolz des individuellen Lebensinhaltes, sich durch keine Steigerung bloss quantitativer Werte aufgewogen zu wissen. Diese
Lohne abgeschrieben, von dem man sich doch keinen Abzug gefallen lassen will; so wissen wir von Lord Byron, daſs er manche Verleger- honorare nur mit den peinlichsten Empfindungen angenommen hat. Gegenüber allen aus dem Kern der Persönlichkeit quellenden Be- thätigungen ist es eine oberflächliche, die wirkliche Gefühlsweise gar nicht treffende Vorstellung, daſs man „seinen Lohn dahin haben“ könne. Kann man etwa die Aufopferungen der Liebe durch irgend ein Thun, selbst ein gleich wertvolles, aus gleich starkem Gefühle flieſsendes, völlig vergelten? Es bleibt immer ein Verpflichtungsverhältnis des Ganzen der Persönlichkeiten bestehen, das vielleicht gegenseitig ist, aber sich der Aufrechnung auch durch die Gegenseitigkeit prinzipiell entzieht. Ebensowenig kann ein Vergehen, soweit es innerlicher Natur ist, durch die Strafe so gesühnt werden, als ob es nun ungeschehen wäre, wie etwa der äuſserlich angerichtete Schaden es kann. Wenn der Schuldige nach erduldeter Strafe eine völlige Entsündigung fühlt, so entsteht dies nicht aus einem Quittsein mit der Sünde durch die gezahlte Strafe, sondern aus einer durch diese bewirkten innerlichen Umwandlung, die die Wurzel der Sünde zerstört. Die bloſse Strafe aber zeigt ihre Unfähigkeit, die Missethat wirklich zu begleichen, in dem weiterwirkenden Miſstrauen und der Deklassierung, die der Sünder trotz ihrer noch erfährt. Was ich früher ausführte: daſs es zwischen qualitativ verschiedenen Elementen keine unmittelbare Äquivalenz wie zwischen Aktiven und Passiven eines Kontokorrents geben könne — das gewinnt seine gründlichste Bewährung an den Werten, in denen sich die individuelle Persönlichkeit verkörpert, und wird in dem Maſse ungültiger, in dem die Werte von dieser Wurzel gelöst, selbständig- dinglichen Charakter annehmen, sich so ins unendliche dem Geld nähernd, das der schlechthin inkommensurablen Persönlichkeit gegen- über das schlechthin Kommensurable, weil das absolut Sachliche ist. Es hat einerseits etwas grauenhaftes, sich die tiefe gegenseitige Un- angemessenheit der Dinge, Leistungen, psychischen Werte vorzustellen, die wir immerfort wie wirkliche Äquivalente gegeneinander einsetzen; andrerseits giebt grade diese Unvergleichbarkeit von Lebenselementen, ihr Recht, von keinem angebbaren Äquivalent genau gedeckt zu werden, dem Leben doch einen unersetzlichen Reiz und Reichtum. Daſs die personalen Werte durch das Geld, für das sie dargeboten werden, gar nicht ausgeglichen werden, mag einerseits der Grund von unzähligen Ungerechtigkeiten und tragischen Situationen sein; aber andrerseits er- hebt sich doch grade daran das Bewuſstsein von dem Werte des Per- sönlichen, der Stolz des individuellen Lebensinhaltes, sich durch keine Steigerung bloſs quantitativer Werte aufgewogen zu wissen. Diese
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Lohne abgeschrieben, von dem man sich doch keinen Abzug gefallen
lassen will; so wissen wir von Lord Byron, daſs er manche Verleger-
honorare nur mit den peinlichsten Empfindungen angenommen hat.
Gegenüber allen aus dem Kern der Persönlichkeit quellenden Be-
thätigungen ist es eine oberflächliche, die wirkliche Gefühlsweise gar
nicht treffende Vorstellung, daſs man „seinen Lohn dahin haben“ könne.
Kann man etwa die Aufopferungen der Liebe durch irgend ein Thun,
selbst ein gleich wertvolles, aus gleich starkem Gefühle flieſsendes,
völlig vergelten? Es bleibt immer ein Verpflichtungsverhältnis des
Ganzen der Persönlichkeiten bestehen, das vielleicht gegenseitig ist,
aber sich der Aufrechnung auch durch die Gegenseitigkeit prinzipiell
entzieht. Ebensowenig kann ein Vergehen, soweit es innerlicher Natur
ist, durch die Strafe so gesühnt werden, als ob es nun ungeschehen
wäre, wie etwa der äuſserlich angerichtete Schaden es kann. Wenn
der Schuldige nach erduldeter Strafe eine völlige Entsündigung fühlt,
so entsteht dies nicht aus einem Quittsein mit der Sünde durch die
gezahlte Strafe, sondern aus einer durch diese bewirkten innerlichen
Umwandlung, die die Wurzel der Sünde zerstört. Die bloſse Strafe
aber zeigt ihre Unfähigkeit, die Missethat wirklich zu begleichen, in
dem weiterwirkenden Miſstrauen und der Deklassierung, die der Sünder
trotz ihrer noch erfährt. Was ich früher ausführte: daſs es zwischen
qualitativ verschiedenen Elementen keine unmittelbare Äquivalenz wie
zwischen Aktiven und Passiven eines Kontokorrents geben könne —
das gewinnt seine gründlichste Bewährung an den Werten, in denen
sich die individuelle Persönlichkeit verkörpert, und wird in dem Maſse
ungültiger, in dem die Werte von dieser Wurzel gelöst, selbständig-
dinglichen Charakter annehmen, sich so ins unendliche dem Geld
nähernd, das der schlechthin inkommensurablen Persönlichkeit gegen-
über das schlechthin Kommensurable, weil das absolut Sachliche ist.
Es hat einerseits etwas grauenhaftes, sich die tiefe gegenseitige Un-
angemessenheit der Dinge, Leistungen, psychischen Werte vorzustellen,
die wir immerfort wie wirkliche Äquivalente gegeneinander einsetzen;
andrerseits giebt grade diese Unvergleichbarkeit von Lebenselementen,
ihr Recht, von keinem angebbaren Äquivalent genau gedeckt zu werden,
dem Leben doch einen unersetzlichen Reiz und Reichtum. Daſs die
personalen Werte durch das Geld, für das sie dargeboten werden, gar
nicht ausgeglichen werden, mag einerseits der Grund von unzähligen
Ungerechtigkeiten und tragischen Situationen sein; aber andrerseits er-
hebt sich doch grade daran das Bewuſstsein von dem Werte des Per-
sönlichen, der Stolz des individuellen Lebensinhaltes, sich durch keine
Steigerung bloſs quantitativer Werte aufgewogen zu wissen. Diese
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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