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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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drückung Raum giebt. Von der rein personalen Beziehung liegt das
auf der Hand: diese stellt sich sowohl als die Härte der persönlichen
Unterworfenheit unter eine Person wie als die Würde freier Ver-
einigung dar. Beides ändert sich, sobald das Richtung gebende Element
unpersönlichen Charakter trägt -- sei es, dass diese Unpersönlichkeit
die dingliche eines äusseren Objekts, sei es, dass sie die einer Mehr-
heit von Personen sei, in der die Subjektivität der einzelnen ver-
schwindet. Das vorige Kapitel hat uns gezeigt, wie der Übergang
hierzu als Befreiung wirkt, wie oft der Mensch die Unterworfen-
heit unter eine unpersönliche Kollektivität oder eine rein sach-
liche Organisation der unter eine Persönlichkeit vorzieht. Hier will
ich nur erwähnen, dass sowohl Sklaven wie Fronbauern es relativ
leicht zu haben pflegten, wenn sie dem Staate zugehörten, dass die
Angestellten in den modernen Magazinen von ganz unpersönlicher
Betriebsart in der Regel besser situiert sind, als in den kleinen Ge-
schäften, wo der Besitzer persönlich sie ausbeutet. Umgekehrt, wo
von der einen Seite sehr personale Werte eingesetzt werden, wird die
Umbildung der anderen in unpersönliche Formen als Unwürdigkeit
und Unfreiheit empfunden. Die aristokratische freie Hingebung bis
zu den äussersten Opfern hat oft genug einem Gefühl von Demütigung
und Deklassierung Platz gemacht, sobald ihr zwar viel geringere Opfer,
aber als objektiv gesetzliche Pflicht zugemutet wurden. Noch im
16. Jahrhundert erfuhren die Fürsten in Frankreich, Deutschland,
Schottland und den Niederlanden oft erheblichen Widerstand, wenn
sie durch gelehrte Substitute oder Verwaltungskörper regieren liessen.
Der Befehl wurde als etwas Persönliches empfunden, dem man auch
nur aus persönlicher Hingebung Gehorsam leisten wollte, während es
einem unindividuellen Kollegium gegenüber nur Unterwerfung schlecht-
hin gab. Das äusserste Glied dieser Reihe bilden die auf das Geld,
als das sachlichste aller praktischen Gebilde, gestellten Verhältnisse:
je nach dem Ausgangspunkt und Inhalt hat sich uns die Geldleistung
als der Träger der völligen Freiheit wie der völligen Unterdrückung
gezeigt. Deshalb finden wir sie auch gelegentlich mit grosser Ent-
schiedenheit versagt. Als Peter IV. von Arragonien einmal die arrago-
nesischen Stände um eine Geldgewährung anging, erwiderten sie ihm,
das wäre doch bisher nicht üblich gewesen; seine christlichen Unter-
thanen seien bereit, ihm mit ihrer Person zu dienen, aber Geld zu
geben sei nur Sache der Juden und Mauren. So weit es in ihrer
Macht steht, lassen sich deshalb die Verpflichteten die Umwandlung
des personalen Dienstes in Geldabgaben nur dann gefallen, wenn die
Beibehaltung jenes für sie nicht die Bedeutung einer Teilnahme an

drückung Raum giebt. Von der rein personalen Beziehung liegt das
auf der Hand: diese stellt sich sowohl als die Härte der persönlichen
Unterworfenheit unter eine Person wie als die Würde freier Ver-
einigung dar. Beides ändert sich, sobald das Richtung gebende Element
unpersönlichen Charakter trägt — sei es, daſs diese Unpersönlichkeit
die dingliche eines äuſseren Objekts, sei es, daſs sie die einer Mehr-
heit von Personen sei, in der die Subjektivität der einzelnen ver-
schwindet. Das vorige Kapitel hat uns gezeigt, wie der Übergang
hierzu als Befreiung wirkt, wie oft der Mensch die Unterworfen-
heit unter eine unpersönliche Kollektivität oder eine rein sach-
liche Organisation der unter eine Persönlichkeit vorzieht. Hier will
ich nur erwähnen, daſs sowohl Sklaven wie Fronbauern es relativ
leicht zu haben pflegten, wenn sie dem Staate zugehörten, daſs die
Angestellten in den modernen Magazinen von ganz unpersönlicher
Betriebsart in der Regel besser situiert sind, als in den kleinen Ge-
schäften, wo der Besitzer persönlich sie ausbeutet. Umgekehrt, wo
von der einen Seite sehr personale Werte eingesetzt werden, wird die
Umbildung der anderen in unpersönliche Formen als Unwürdigkeit
und Unfreiheit empfunden. Die aristokratische freie Hingebung bis
zu den äuſsersten Opfern hat oft genug einem Gefühl von Demütigung
und Deklassierung Platz gemacht, sobald ihr zwar viel geringere Opfer,
aber als objektiv gesetzliche Pflicht zugemutet wurden. Noch im
16. Jahrhundert erfuhren die Fürsten in Frankreich, Deutschland,
Schottland und den Niederlanden oft erheblichen Widerstand, wenn
sie durch gelehrte Substitute oder Verwaltungskörper regieren lieſsen.
Der Befehl wurde als etwas Persönliches empfunden, dem man auch
nur aus persönlicher Hingebung Gehorsam leisten wollte, während es
einem unindividuellen Kollegium gegenüber nur Unterwerfung schlecht-
hin gab. Das äuſserste Glied dieser Reihe bilden die auf das Geld,
als das sachlichste aller praktischen Gebilde, gestellten Verhältnisse:
je nach dem Ausgangspunkt und Inhalt hat sich uns die Geldleistung
als der Träger der völligen Freiheit wie der völligen Unterdrückung
gezeigt. Deshalb finden wir sie auch gelegentlich mit groſser Ent-
schiedenheit versagt. Als Peter IV. von Arragonien einmal die arrago-
nesischen Stände um eine Geldgewährung anging, erwiderten sie ihm,
das wäre doch bisher nicht üblich gewesen; seine christlichen Unter-
thanen seien bereit, ihm mit ihrer Person zu dienen, aber Geld zu
geben sei nur Sache der Juden und Mauren. So weit es in ihrer
Macht steht, lassen sich deshalb die Verpflichteten die Umwandlung
des personalen Dienstes in Geldabgaben nur dann gefallen, wenn die
Beibehaltung jenes für sie nicht die Bedeutung einer Teilnahme an

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[416/0440] drückung Raum giebt. Von der rein personalen Beziehung liegt das auf der Hand: diese stellt sich sowohl als die Härte der persönlichen Unterworfenheit unter eine Person wie als die Würde freier Ver- einigung dar. Beides ändert sich, sobald das Richtung gebende Element unpersönlichen Charakter trägt — sei es, daſs diese Unpersönlichkeit die dingliche eines äuſseren Objekts, sei es, daſs sie die einer Mehr- heit von Personen sei, in der die Subjektivität der einzelnen ver- schwindet. Das vorige Kapitel hat uns gezeigt, wie der Übergang hierzu als Befreiung wirkt, wie oft der Mensch die Unterworfen- heit unter eine unpersönliche Kollektivität oder eine rein sach- liche Organisation der unter eine Persönlichkeit vorzieht. Hier will ich nur erwähnen, daſs sowohl Sklaven wie Fronbauern es relativ leicht zu haben pflegten, wenn sie dem Staate zugehörten, daſs die Angestellten in den modernen Magazinen von ganz unpersönlicher Betriebsart in der Regel besser situiert sind, als in den kleinen Ge- schäften, wo der Besitzer persönlich sie ausbeutet. Umgekehrt, wo von der einen Seite sehr personale Werte eingesetzt werden, wird die Umbildung der anderen in unpersönliche Formen als Unwürdigkeit und Unfreiheit empfunden. Die aristokratische freie Hingebung bis zu den äuſsersten Opfern hat oft genug einem Gefühl von Demütigung und Deklassierung Platz gemacht, sobald ihr zwar viel geringere Opfer, aber als objektiv gesetzliche Pflicht zugemutet wurden. Noch im 16. Jahrhundert erfuhren die Fürsten in Frankreich, Deutschland, Schottland und den Niederlanden oft erheblichen Widerstand, wenn sie durch gelehrte Substitute oder Verwaltungskörper regieren lieſsen. Der Befehl wurde als etwas Persönliches empfunden, dem man auch nur aus persönlicher Hingebung Gehorsam leisten wollte, während es einem unindividuellen Kollegium gegenüber nur Unterwerfung schlecht- hin gab. Das äuſserste Glied dieser Reihe bilden die auf das Geld, als das sachlichste aller praktischen Gebilde, gestellten Verhältnisse: je nach dem Ausgangspunkt und Inhalt hat sich uns die Geldleistung als der Träger der völligen Freiheit wie der völligen Unterdrückung gezeigt. Deshalb finden wir sie auch gelegentlich mit groſser Ent- schiedenheit versagt. Als Peter IV. von Arragonien einmal die arrago- nesischen Stände um eine Geldgewährung anging, erwiderten sie ihm, das wäre doch bisher nicht üblich gewesen; seine christlichen Unter- thanen seien bereit, ihm mit ihrer Person zu dienen, aber Geld zu geben sei nur Sache der Juden und Mauren. So weit es in ihrer Macht steht, lassen sich deshalb die Verpflichteten die Umwandlung des personalen Dienstes in Geldabgaben nur dann gefallen, wenn die Beibehaltung jenes für sie nicht die Bedeutung einer Teilnahme an

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/440>, abgerufen am 22.11.2024.