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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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notwendiges Korrelat dazu, die Frauen strenger auf das Haus an-
gewiesen waren, finden wir die Mitgift als gesetzliche Vorschrift sogar
schon vor ausgebildeter Geldwirtschaft, die sonst ihrerseits auf das
gleiche Resultat führt. Sie erst ermöglicht der Produktion jene ob-
jektive Technik, jene Ausbreitung, jenen Beziehungsreichtum und zu-
gleich jene arbeitsteilige Einseitigkeit, durch welche der frühere In-
differenzzustand von häuslichen Interessen und Erwerbsinteressen ge-
spalten und ein besonderer Träger für diese, ein besonderer für jene
verlangt wird. Wer das eine und das andere sein soll, kann zwischen
Mann und Frau nicht zweifelhaft sein; und ebensowenig, dass damit
der Brautpreis, für den der Mann die Produktivkraft der Frau ge-
kauft hat, der Mitgift Platz machen muss, die ihn für den Unterhalt
der nicht produzierenden Frau entschädigt oder die der Frau eine
Unabhängigkeit und Sicherheit neben dem erwerbenden Manne ge-
während soll.

Durch diesen engen Zusammenhang, den die Mitgift bei der Geld-
wirtschaft mit der ganzen Konstitution des Ehelebens hat -- sei es
um den Mann, sei es um die Frau zu sichern -- ist es verständlich,
dass schliesslich sowohl in Griechenland wie in Rom die Mitgift zum
Kennzeichen der legitimen Gattin wurde, in ihrem Gegensatz zur Kon-
kubine, die keine weiteren Anspruch an den Mann hat, so dass dieser
weder für einen solchen entschädigt, noch sie selber für den Fall der
Nichterfüllung desselben sichergestellt zu werden braucht. Und dies
leitet zur Prostitution über, die die Bedeutung des Geldes für das
Verhältnis der Geschlechter wieder in ein neues Licht stellt. Während
alle gelegentlich des Eheschlusses erfolgenden Gaben des Mannes für
die Frau oder an die Frau selbst -- so auch die Morgengabe und
das pretium virginitatis -- ebenso gut als Natural- wie als Geld-
geschenk auftreten können und auftreten, entspricht der unehelichen
Hingabe, für die überhaupt ein Preis gezahlt wird, in der Regel die
Geldform desselben. Nur die Transaktion um Geld trägt jenen Cha-
rakter einer ganz momentanen Beziehung, die keine Spuren hinterlässt,
wie er der Prostitution eigen ist. Mit der Hingabe von Geld hat man
sich vollständiger aus der Beziehung gelöst, sich radikaler mit ihr ab-
gefunden, als mit der Hingabe irgend eines qualifizierten Gegenstandes,
an dem durch seinen Inhalt, seine Wahl, seine Benützung leichter ein
Hauch der gebenden Persönlichkeit haften bleibt. Der momentan auf-
gegipfelten und ebenso momentan verlöschenden Begierde, der die
Prostitution dient, ist allein das Geldäquivalent angemessen, das zu
nichts verbindet und prinzipiell in jedem Augenblick zur Hand ist und
in jedem Augenblick willkommen ist. Für ein Verhältnis zwischen

notwendiges Korrelat dazu, die Frauen strenger auf das Haus an-
gewiesen waren, finden wir die Mitgift als gesetzliche Vorschrift sogar
schon vor ausgebildeter Geldwirtschaft, die sonst ihrerseits auf das
gleiche Resultat führt. Sie erst ermöglicht der Produktion jene ob-
jektive Technik, jene Ausbreitung, jenen Beziehungsreichtum und zu-
gleich jene arbeitsteilige Einseitigkeit, durch welche der frühere In-
differenzzustand von häuslichen Interessen und Erwerbsinteressen ge-
spalten und ein besonderer Träger für diese, ein besonderer für jene
verlangt wird. Wer das eine und das andere sein soll, kann zwischen
Mann und Frau nicht zweifelhaft sein; und ebensowenig, daſs damit
der Brautpreis, für den der Mann die Produktivkraft der Frau ge-
kauft hat, der Mitgift Platz machen muſs, die ihn für den Unterhalt
der nicht produzierenden Frau entschädigt oder die der Frau eine
Unabhängigkeit und Sicherheit neben dem erwerbenden Manne ge-
während soll.

Durch diesen engen Zusammenhang, den die Mitgift bei der Geld-
wirtschaft mit der ganzen Konstitution des Ehelebens hat — sei es
um den Mann, sei es um die Frau zu sichern — ist es verständlich,
daſs schlieſslich sowohl in Griechenland wie in Rom die Mitgift zum
Kennzeichen der legitimen Gattin wurde, in ihrem Gegensatz zur Kon-
kubine, die keine weiteren Anspruch an den Mann hat, so daſs dieser
weder für einen solchen entschädigt, noch sie selber für den Fall der
Nichterfüllung desselben sichergestellt zu werden braucht. Und dies
leitet zur Prostitution über, die die Bedeutung des Geldes für das
Verhältnis der Geschlechter wieder in ein neues Licht stellt. Während
alle gelegentlich des Eheschlusses erfolgenden Gaben des Mannes für
die Frau oder an die Frau selbst — so auch die Morgengabe und
das pretium virginitatis — ebenso gut als Natural- wie als Geld-
geschenk auftreten können und auftreten, entspricht der unehelichen
Hingabe, für die überhaupt ein Preis gezahlt wird, in der Regel die
Geldform desselben. Nur die Transaktion um Geld trägt jenen Cha-
rakter einer ganz momentanen Beziehung, die keine Spuren hinterläſst,
wie er der Prostitution eigen ist. Mit der Hingabe von Geld hat man
sich vollständiger aus der Beziehung gelöst, sich radikaler mit ihr ab-
gefunden, als mit der Hingabe irgend eines qualifizierten Gegenstandes,
an dem durch seinen Inhalt, seine Wahl, seine Benützung leichter ein
Hauch der gebenden Persönlichkeit haften bleibt. Der momentan auf-
gegipfelten und ebenso momentan verlöschenden Begierde, der die
Prostitution dient, ist allein das Geldäquivalent angemessen, das zu
nichts verbindet und prinzipiell in jedem Augenblick zur Hand ist und
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[390/0414] notwendiges Korrelat dazu, die Frauen strenger auf das Haus an- gewiesen waren, finden wir die Mitgift als gesetzliche Vorschrift sogar schon vor ausgebildeter Geldwirtschaft, die sonst ihrerseits auf das gleiche Resultat führt. Sie erst ermöglicht der Produktion jene ob- jektive Technik, jene Ausbreitung, jenen Beziehungsreichtum und zu- gleich jene arbeitsteilige Einseitigkeit, durch welche der frühere In- differenzzustand von häuslichen Interessen und Erwerbsinteressen ge- spalten und ein besonderer Träger für diese, ein besonderer für jene verlangt wird. Wer das eine und das andere sein soll, kann zwischen Mann und Frau nicht zweifelhaft sein; und ebensowenig, daſs damit der Brautpreis, für den der Mann die Produktivkraft der Frau ge- kauft hat, der Mitgift Platz machen muſs, die ihn für den Unterhalt der nicht produzierenden Frau entschädigt oder die der Frau eine Unabhängigkeit und Sicherheit neben dem erwerbenden Manne ge- während soll. Durch diesen engen Zusammenhang, den die Mitgift bei der Geld- wirtschaft mit der ganzen Konstitution des Ehelebens hat — sei es um den Mann, sei es um die Frau zu sichern — ist es verständlich, daſs schlieſslich sowohl in Griechenland wie in Rom die Mitgift zum Kennzeichen der legitimen Gattin wurde, in ihrem Gegensatz zur Kon- kubine, die keine weiteren Anspruch an den Mann hat, so daſs dieser weder für einen solchen entschädigt, noch sie selber für den Fall der Nichterfüllung desselben sichergestellt zu werden braucht. Und dies leitet zur Prostitution über, die die Bedeutung des Geldes für das Verhältnis der Geschlechter wieder in ein neues Licht stellt. Während alle gelegentlich des Eheschlusses erfolgenden Gaben des Mannes für die Frau oder an die Frau selbst — so auch die Morgengabe und das pretium virginitatis — ebenso gut als Natural- wie als Geld- geschenk auftreten können und auftreten, entspricht der unehelichen Hingabe, für die überhaupt ein Preis gezahlt wird, in der Regel die Geldform desselben. Nur die Transaktion um Geld trägt jenen Cha- rakter einer ganz momentanen Beziehung, die keine Spuren hinterläſst, wie er der Prostitution eigen ist. Mit der Hingabe von Geld hat man sich vollständiger aus der Beziehung gelöst, sich radikaler mit ihr ab- gefunden, als mit der Hingabe irgend eines qualifizierten Gegenstandes, an dem durch seinen Inhalt, seine Wahl, seine Benützung leichter ein Hauch der gebenden Persönlichkeit haften bleibt. Der momentan auf- gegipfelten und ebenso momentan verlöschenden Begierde, der die Prostitution dient, ist allein das Geldäquivalent angemessen, das zu nichts verbindet und prinzipiell in jedem Augenblick zur Hand ist und in jedem Augenblick willkommen ist. Für ein Verhältnis zwischen

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/414>, abgerufen am 22.11.2024.