ist es zwar ein praktischer, aber durchaus kein logischer, theoretisch unauflösbarer Widerspruch, dass das Geld, an der Gesellschaft ebenso wie an den Einzelnen auf Differenzierung der Elemente wirkend, in der einen Hinsicht Erschwerung, in der anderen Erleichterung eben- desselben Geschehens mit sich bringt. Die angedeutete Erschwerung der kollektivistischen Verfügung über Geld hängt nun, ganz im all- gemeinen, so zusammen. Jeder andere Besitz weist, wie oben betont wurde, durch seine technischen Bedingungen auf eine gewisse Art seiner Verwendung hin, die Freiheit der Disposition über ihn hat ver- möge dieser eine sachliche Schranke. Wogegen der Verwendung des Geldes eine solche völlig fehlt, also die gemeinsame Disposition Mehrerer darüber den dissentierenden Tendenzen einen weitesten Spielraum giebt. Damit aber setzt sich die Geldwirtschaft in entschiedenen Gegensatz gegen die Lebensbedingungen der kleinen Wirtschaftskreise, die so vielfach grade auf gemeinsame Dispositionen, einheitliche Mass- regeln angewiesen sind. Man kann, freilich mit sehr starker Ver- kürzung, sagen, dass der kleine Kreis sich durch Gleichheit und Ein- heitlichkeit, der grosse durch Individualisierung und Arbeitsteilung erhält. Indem das Geld als ein abstraktes Gebilde sich aus den wirtschaft- lichen Wechselwirkungen eines relativ grossen Kreises herstellt, indem es andrerseits durch seinen blossen Quantitätscharakter den genauesten mechanischen Ausdruck jedes Sonderanspruchs, jedes Wertes indivi- dueller Leistung, jeder personalen Tendenz gestattet, vollendet es im Wirtschaftlichen erst jene allgemeine soziologische Korrelation zwischen der Ausdehnung der Gruppe und der Ausbildung der Individualität.
Die Beziehung des Geldes zum Privateigentum und damit zur freien Ausbildung der Persönlichkeit heftet sich, wie gesagt, vor allem an seine Beweglichkeit und wird deshalb an seinem Gegensatz, dem Besitz des Bodens, besonders durchsichtig. Das Grundeigentum strebt in zwei Richtungen über die Bindung an das Individuum hinaus: gleichsam nach der Breitendimension, indem es sich mehr als alles andere zum Kollektivvermögen einer Gruppe eignet, nach der Tiefen- dimension, indem es das vorzüglichste Objekt der Vererbung ist. Wenn das Gesamteigen der primitiven Gruppe aus Grundstücken besteht, so führt die Entwicklung wiederum in zwei hauptsächlichen Richtungen darüber hinaus. Zunächst dadurch, dass die Nahrung aus einem Besitz beweglicheren Charakters gewonnen wird; sobald dies geschieht, ist auch sogleich das Sondereigen da. Bei Nomadenvölkern finden wir durchgehends, dass das Land zwar Gemeingut der Sippe ist und den einzelnen Familien nur zur Benutzung angewiesen wird; allein das Vieh ist überall Privateigentum dieser einzelnen Familien. Die noma-
ist es zwar ein praktischer, aber durchaus kein logischer, theoretisch unauflösbarer Widerspruch, daſs das Geld, an der Gesellschaft ebenso wie an den Einzelnen auf Differenzierung der Elemente wirkend, in der einen Hinsicht Erschwerung, in der anderen Erleichterung eben- desselben Geschehens mit sich bringt. Die angedeutete Erschwerung der kollektivistischen Verfügung über Geld hängt nun, ganz im all- gemeinen, so zusammen. Jeder andere Besitz weist, wie oben betont wurde, durch seine technischen Bedingungen auf eine gewisse Art seiner Verwendung hin, die Freiheit der Disposition über ihn hat ver- möge dieser eine sachliche Schranke. Wogegen der Verwendung des Geldes eine solche völlig fehlt, also die gemeinsame Disposition Mehrerer darüber den dissentierenden Tendenzen einen weitesten Spielraum giebt. Damit aber setzt sich die Geldwirtschaft in entschiedenen Gegensatz gegen die Lebensbedingungen der kleinen Wirtschaftskreise, die so vielfach grade auf gemeinsame Dispositionen, einheitliche Maſs- regeln angewiesen sind. Man kann, freilich mit sehr starker Ver- kürzung, sagen, daſs der kleine Kreis sich durch Gleichheit und Ein- heitlichkeit, der groſse durch Individualisierung und Arbeitsteilung erhält. Indem das Geld als ein abstraktes Gebilde sich aus den wirtschaft- lichen Wechselwirkungen eines relativ groſsen Kreises herstellt, indem es andrerseits durch seinen bloſsen Quantitätscharakter den genauesten mechanischen Ausdruck jedes Sonderanspruchs, jedes Wertes indivi- dueller Leistung, jeder personalen Tendenz gestattet, vollendet es im Wirtschaftlichen erst jene allgemeine soziologische Korrelation zwischen der Ausdehnung der Gruppe und der Ausbildung der Individualität.
Die Beziehung des Geldes zum Privateigentum und damit zur freien Ausbildung der Persönlichkeit heftet sich, wie gesagt, vor allem an seine Beweglichkeit und wird deshalb an seinem Gegensatz, dem Besitz des Bodens, besonders durchsichtig. Das Grundeigentum strebt in zwei Richtungen über die Bindung an das Individuum hinaus: gleichsam nach der Breitendimension, indem es sich mehr als alles andere zum Kollektivvermögen einer Gruppe eignet, nach der Tiefen- dimension, indem es das vorzüglichste Objekt der Vererbung ist. Wenn das Gesamteigen der primitiven Gruppe aus Grundstücken besteht, so führt die Entwicklung wiederum in zwei hauptsächlichen Richtungen darüber hinaus. Zunächst dadurch, daſs die Nahrung aus einem Besitz beweglicheren Charakters gewonnen wird; sobald dies geschieht, ist auch sogleich das Sondereigen da. Bei Nomadenvölkern finden wir durchgehends, daſs das Land zwar Gemeingut der Sippe ist und den einzelnen Familien nur zur Benutzung angewiesen wird; allein das Vieh ist überall Privateigentum dieser einzelnen Familien. Die noma-
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ist es zwar ein praktischer, aber durchaus kein logischer, theoretisch
unauflösbarer Widerspruch, daſs das Geld, an der Gesellschaft ebenso
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der einen Hinsicht Erschwerung, in der anderen Erleichterung eben-
desselben Geschehens mit sich bringt. Die angedeutete Erschwerung
der kollektivistischen Verfügung über Geld hängt nun, ganz im all-
gemeinen, so zusammen. Jeder andere Besitz weist, wie oben betont
wurde, durch seine technischen Bedingungen auf eine gewisse Art
seiner Verwendung hin, die Freiheit der Disposition über ihn hat ver-
möge dieser eine sachliche Schranke. Wogegen der Verwendung des
Geldes eine solche völlig fehlt, also die gemeinsame Disposition Mehrerer
darüber den dissentierenden Tendenzen einen weitesten Spielraum
giebt. Damit aber setzt sich die Geldwirtschaft in entschiedenen
Gegensatz gegen die Lebensbedingungen der kleinen Wirtschaftskreise,
die so vielfach grade auf gemeinsame Dispositionen, einheitliche Maſs-
regeln angewiesen sind. Man kann, freilich mit sehr starker Ver-
kürzung, sagen, daſs der kleine Kreis sich durch Gleichheit und Ein-
heitlichkeit, der groſse durch Individualisierung und Arbeitsteilung erhält.
Indem das Geld als ein abstraktes Gebilde sich aus den wirtschaft-
lichen Wechselwirkungen eines relativ groſsen Kreises herstellt, indem
es andrerseits durch seinen bloſsen Quantitätscharakter den genauesten
mechanischen Ausdruck jedes Sonderanspruchs, jedes Wertes indivi-
dueller Leistung, jeder personalen Tendenz gestattet, vollendet es im
Wirtschaftlichen erst jene allgemeine soziologische Korrelation zwischen
der Ausdehnung der Gruppe und der Ausbildung der Individualität.
Die Beziehung des Geldes zum Privateigentum und damit zur
freien Ausbildung der Persönlichkeit heftet sich, wie gesagt, vor allem
an seine Beweglichkeit und wird deshalb an seinem Gegensatz, dem
Besitz des Bodens, besonders durchsichtig. Das Grundeigentum strebt
in zwei Richtungen über die Bindung an das Individuum hinaus:
gleichsam nach der Breitendimension, indem es sich mehr als alles
andere zum Kollektivvermögen einer Gruppe eignet, nach der Tiefen-
dimension, indem es das vorzüglichste Objekt der Vererbung ist. Wenn
das Gesamteigen der primitiven Gruppe aus Grundstücken besteht, so
führt die Entwicklung wiederum in zwei hauptsächlichen Richtungen
darüber hinaus. Zunächst dadurch, daſs die Nahrung aus einem Besitz
beweglicheren Charakters gewonnen wird; sobald dies geschieht, ist
auch sogleich das Sondereigen da. Bei Nomadenvölkern finden wir
durchgehends, daſs das Land zwar Gemeingut der Sippe ist und den
einzelnen Familien nur zur Benutzung angewiesen wird; allein das
Vieh ist überall Privateigentum dieser einzelnen Familien. Die noma-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/384>, abgerufen am 22.11.2024.
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