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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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gültiger muss ihr Tauschmittel sein; und umgekehrt, ist erst einmal
ein solches geschaffen, so gestattet es eine Verständigung auf sonst un-
zugängliche Entfernungen hin, eine Einbeziehung der allermannigfal-
tigsten Persönlichkeiten in die gleiche Aktion, eine Wechselwirkung
und damit Vereinheitlichung von Menschen, die wegen ihres räum-
lichen, sozialen, personalen und sonstigen Interessenabstandes in gar
keine andere Gruppierung zu bringen wären.

Ich will nur auf eine etwas abseitsliegende Verwirklichung der
Korrelation zwischen Geldwirtschaft, Individualisierung und Vergrösse-
rung des sozialen Kreises hinweisen. Ob der Sieger eines Wettbewerbes
durch einen Ehrenpreis oder einen Geldpreis ausgezeichnet wird, ist
innerlich ein grosser Unterschied. Mit dem Geldpreis ist er abgefunden,
er hat seinen Lohn dahin; der Ehrenpreis wirkt weiter, er giebt der
ganzen Persönlichkeit ein Relief (das natürlich unter gewissen Um-
ständen, aber nicht dem Grundgedanken nach, auch zu dem Geldpreise
noch hinzutreten kann): der Geldpreis bezieht sich auf die Leistung,
der Ehrenpreis auf den Leistenden. Nun aber ist eine Ehrung in
dem letzteren Sinne nur innerhalb eines relativ kleinen Kreises mög-
lich. Schon diejenige Ehre, die gar keine Auszeichnung des Indivi-
duums bedeutet, entsteht nur innerhalb einer kleineren Gruppe, welche
durch die bestimmt umschriebene Ehrenhaftigkeit ihrer Mitglieder sich
gegen ihre Umgebung geschlossen, kräftig, unangreifbar erhält: so die
Offiziersehre, die Kaufmannsehre, die Familienehre, ja sogar die oft
hervorgehobene Spitzbubenehre. Jede Ehre ist ursprünglich Standes-
oder Klassenehre und die allgemein menschliche oder ganz individuelle
Ehre enthält nur diejenigen Anforderungen an den Einzelnen, in denen
alle kleineren Gruppen innerhalb einer grösseren übereinstimmen.
Die Ehre nun, welche ihren Träger nicht Anderen einordnen, sondern
unter ihnen hervorheben soll, bedarf nicht weniger einer gewissen
Enge und Solidarität des Kreises; der Name des olympischen Siegers
hallte durch das ganze, kleine und in diesem Interesse eng zusammen-
gehörige Griechenland. Der Geldpreis trägt den egoistischen Charakter,
den sehr grosse Kreise ihren Individuen nahelegen; den unegoistischen,
der der Solidarität des kleineren entspricht, symbolisiert es aufs schönste,
dass der goldene Kranz, den der athenische Rat der 500 für gute
Amtsführung erhielt, alsdann in einem Tempel aufbewahrt wurde. Inner-
halb kleinerer und geschlossener Interessenkreise, z. B. bei einigen
Sportangelegenheiten, Industriefächern u. s. w. ist noch jetzt der Ehren-
preis völlig gerechtfertigt. In dem Masse aber, in dem die Ein-
schränkung und Homogeneität des Kreises einer Weite und gegen-
seitigen Fremdheit seiner Elemente Platz macht, muss an die Stelle des

gültiger muſs ihr Tauschmittel sein; und umgekehrt, ist erst einmal
ein solches geschaffen, so gestattet es eine Verständigung auf sonst un-
zugängliche Entfernungen hin, eine Einbeziehung der allermannigfal-
tigsten Persönlichkeiten in die gleiche Aktion, eine Wechselwirkung
und damit Vereinheitlichung von Menschen, die wegen ihres räum-
lichen, sozialen, personalen und sonstigen Interessenabstandes in gar
keine andere Gruppierung zu bringen wären.

Ich will nur auf eine etwas abseitsliegende Verwirklichung der
Korrelation zwischen Geldwirtschaft, Individualisierung und Vergröſse-
rung des sozialen Kreises hinweisen. Ob der Sieger eines Wettbewerbes
durch einen Ehrenpreis oder einen Geldpreis ausgezeichnet wird, ist
innerlich ein groſser Unterschied. Mit dem Geldpreis ist er abgefunden,
er hat seinen Lohn dahin; der Ehrenpreis wirkt weiter, er giebt der
ganzen Persönlichkeit ein Relief (das natürlich unter gewissen Um-
ständen, aber nicht dem Grundgedanken nach, auch zu dem Geldpreise
noch hinzutreten kann): der Geldpreis bezieht sich auf die Leistung,
der Ehrenpreis auf den Leistenden. Nun aber ist eine Ehrung in
dem letzteren Sinne nur innerhalb eines relativ kleinen Kreises mög-
lich. Schon diejenige Ehre, die gar keine Auszeichnung des Indivi-
duums bedeutet, entsteht nur innerhalb einer kleineren Gruppe, welche
durch die bestimmt umschriebene Ehrenhaftigkeit ihrer Mitglieder sich
gegen ihre Umgebung geschlossen, kräftig, unangreifbar erhält: so die
Offiziersehre, die Kaufmannsehre, die Familienehre, ja sogar die oft
hervorgehobene Spitzbubenehre. Jede Ehre ist ursprünglich Standes-
oder Klassenehre und die allgemein menschliche oder ganz individuelle
Ehre enthält nur diejenigen Anforderungen an den Einzelnen, in denen
alle kleineren Gruppen innerhalb einer gröſseren übereinstimmen.
Die Ehre nun, welche ihren Träger nicht Anderen einordnen, sondern
unter ihnen hervorheben soll, bedarf nicht weniger einer gewissen
Enge und Solidarität des Kreises; der Name des olympischen Siegers
hallte durch das ganze, kleine und in diesem Interesse eng zusammen-
gehörige Griechenland. Der Geldpreis trägt den egoistischen Charakter,
den sehr groſse Kreise ihren Individuen nahelegen; den unegoistischen,
der der Solidarität des kleineren entspricht, symbolisiert es aufs schönste,
daſs der goldene Kranz, den der athenische Rat der 500 für gute
Amtsführung erhielt, alsdann in einem Tempel aufbewahrt wurde. Inner-
halb kleinerer und geschlossener Interessenkreise, z. B. bei einigen
Sportangelegenheiten, Industriefächern u. s. w. ist noch jetzt der Ehren-
preis völlig gerechtfertigt. In dem Maſse aber, in dem die Ein-
schränkung und Homogeneität des Kreises einer Weite und gegen-
seitigen Fremdheit seiner Elemente Platz macht, muſs an die Stelle des

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[356/0380] gültiger muſs ihr Tauschmittel sein; und umgekehrt, ist erst einmal ein solches geschaffen, so gestattet es eine Verständigung auf sonst un- zugängliche Entfernungen hin, eine Einbeziehung der allermannigfal- tigsten Persönlichkeiten in die gleiche Aktion, eine Wechselwirkung und damit Vereinheitlichung von Menschen, die wegen ihres räum- lichen, sozialen, personalen und sonstigen Interessenabstandes in gar keine andere Gruppierung zu bringen wären. Ich will nur auf eine etwas abseitsliegende Verwirklichung der Korrelation zwischen Geldwirtschaft, Individualisierung und Vergröſse- rung des sozialen Kreises hinweisen. Ob der Sieger eines Wettbewerbes durch einen Ehrenpreis oder einen Geldpreis ausgezeichnet wird, ist innerlich ein groſser Unterschied. Mit dem Geldpreis ist er abgefunden, er hat seinen Lohn dahin; der Ehrenpreis wirkt weiter, er giebt der ganzen Persönlichkeit ein Relief (das natürlich unter gewissen Um- ständen, aber nicht dem Grundgedanken nach, auch zu dem Geldpreise noch hinzutreten kann): der Geldpreis bezieht sich auf die Leistung, der Ehrenpreis auf den Leistenden. Nun aber ist eine Ehrung in dem letzteren Sinne nur innerhalb eines relativ kleinen Kreises mög- lich. Schon diejenige Ehre, die gar keine Auszeichnung des Indivi- duums bedeutet, entsteht nur innerhalb einer kleineren Gruppe, welche durch die bestimmt umschriebene Ehrenhaftigkeit ihrer Mitglieder sich gegen ihre Umgebung geschlossen, kräftig, unangreifbar erhält: so die Offiziersehre, die Kaufmannsehre, die Familienehre, ja sogar die oft hervorgehobene Spitzbubenehre. Jede Ehre ist ursprünglich Standes- oder Klassenehre und die allgemein menschliche oder ganz individuelle Ehre enthält nur diejenigen Anforderungen an den Einzelnen, in denen alle kleineren Gruppen innerhalb einer gröſseren übereinstimmen. Die Ehre nun, welche ihren Träger nicht Anderen einordnen, sondern unter ihnen hervorheben soll, bedarf nicht weniger einer gewissen Enge und Solidarität des Kreises; der Name des olympischen Siegers hallte durch das ganze, kleine und in diesem Interesse eng zusammen- gehörige Griechenland. Der Geldpreis trägt den egoistischen Charakter, den sehr groſse Kreise ihren Individuen nahelegen; den unegoistischen, der der Solidarität des kleineren entspricht, symbolisiert es aufs schönste, daſs der goldene Kranz, den der athenische Rat der 500 für gute Amtsführung erhielt, alsdann in einem Tempel aufbewahrt wurde. Inner- halb kleinerer und geschlossener Interessenkreise, z. B. bei einigen Sportangelegenheiten, Industriefächern u. s. w. ist noch jetzt der Ehren- preis völlig gerechtfertigt. In dem Maſse aber, in dem die Ein- schränkung und Homogeneität des Kreises einer Weite und gegen- seitigen Fremdheit seiner Elemente Platz macht, muſs an die Stelle des

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/380>, abgerufen am 22.11.2024.