die Lösung jener besonderen Bestimmtheit aus, die sonst vom Haben auf das Sein und umgekehrt ausstrahlte; aber auch hier stellt sich die Geldwirtschaft nur dar als der mächtigste, gleichsam als der bewussteste Faktor und Ausdruck einer auf viel breiterer Basis angelegten Be- wegung. Und in den germanischen Verhältnissen sehen wir für die älteste Zeit, dass der Landbesitz nicht ein unabhängiges Objekt betraf, sondern die Folge der persönlichen Zugehörigkeit des Einzelnen zu seiner Markgemeinde war. Das Land war nicht an und für sich ein derart qualifiziertes Objekt, dass mit seinem Besitz sich nun das Indi- viduum seine Bedeutungen und Folgen angeeignet hätte: sondern weil die Persönlichkeit diese bestimmte Bedeutung hatte, wurde ein be- stimmter Landbesitz an sie geknüpft. Diese personale Bindung aber war schon im 10. Jahrhundert verschwunden, und an ihre Stelle war eine Selbständigkeit des Grundes und Bodens getreten, die man fast als eine Personifikation desselben bezeichnen könnte. Damit war die Tendenz eingeleitet, ihn zu zerschlagen und in alle Ruhelosigkeit des wirtschaftlichen Lebens hineinzuziehen; und als diese Tendenz schliess- lich ihre Grenze an der von seinem Wesen untrennbaren Stabilität fand, trat das Geld, das der Persönlichkeit fremdeste Wirtschaftsobjekt, an seine Stelle. Aber es war doch eben nur die geeignetste Substanz für den restlosen Ausdruck jener Trennung zwischen Sein und Haben, die sich schon vorher an den Verhältnissen des Bodenbesitzes aus- zuprägen begonnen hatte. Endlich zeigt das 13. Jahrhundert dieselbe Erscheinung von der andern Seite her und am andern Ende der sozialen Leiter. Diese Zeit hat die bäuerliche Freiheit auf einen sehr hohen Stand gehoben, wesentlich im deutschen Osten, dessen Kolonisation mit freien Bauern geschah, und zwar in engem Zusammenhange mit der damals relativ hoch ausgebildeten Geldwirtschaft. Nach kurzer Zeit indessen erfolgte ein Umschwung: die Grundherrschaft breitete sich aus, insbesondere im Osten der Elbe, und strebte mit Erfolg dahin, den Bauer an die Scholle zu binden; zugleich aber wurden die geld- wirtschaftlichen wieder durch naturalwirtschaftliche Verhältnisse ver- drängt. Die Fesselung des Bauern an seine ökonomische Stellung, seines Seins an sein Haben, geht hier dem Sinken der Geldwirtschaft parallel. Und wenn dies letztere Phänomen auch als Ursache des ersteren angesprochen worden ist, so ist es doch sicher nur die hervor- stechendste des ganzen Komplexes von Ursachen, die damals zur Bil- dung der Grundherrschaften führten. Wenn das Geld an und für sich, als Besitzobjekt betrachtet, gleichsam durch eine Isolierschicht vom Sein des Besitzenden getrennt ist, so stellt es in der historischen Beziehung zwischen Haben und Sein das entschiedenste und entscheidendste, ich
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die Lösung jener besonderen Bestimmtheit aus, die sonst vom Haben auf das Sein und umgekehrt ausstrahlte; aber auch hier stellt sich die Geldwirtschaft nur dar als der mächtigste, gleichsam als der bewuſsteste Faktor und Ausdruck einer auf viel breiterer Basis angelegten Be- wegung. Und in den germanischen Verhältnissen sehen wir für die älteste Zeit, daſs der Landbesitz nicht ein unabhängiges Objekt betraf, sondern die Folge der persönlichen Zugehörigkeit des Einzelnen zu seiner Markgemeinde war. Das Land war nicht an und für sich ein derart qualifiziertes Objekt, daſs mit seinem Besitz sich nun das Indi- viduum seine Bedeutungen und Folgen angeeignet hätte: sondern weil die Persönlichkeit diese bestimmte Bedeutung hatte, wurde ein be- stimmter Landbesitz an sie geknüpft. Diese personale Bindung aber war schon im 10. Jahrhundert verschwunden, und an ihre Stelle war eine Selbständigkeit des Grundes und Bodens getreten, die man fast als eine Personifikation desselben bezeichnen könnte. Damit war die Tendenz eingeleitet, ihn zu zerschlagen und in alle Ruhelosigkeit des wirtschaftlichen Lebens hineinzuziehen; und als diese Tendenz schlieſs- lich ihre Grenze an der von seinem Wesen untrennbaren Stabilität fand, trat das Geld, das der Persönlichkeit fremdeste Wirtschaftsobjekt, an seine Stelle. Aber es war doch eben nur die geeignetste Substanz für den restlosen Ausdruck jener Trennung zwischen Sein und Haben, die sich schon vorher an den Verhältnissen des Bodenbesitzes aus- zuprägen begonnen hatte. Endlich zeigt das 13. Jahrhundert dieselbe Erscheinung von der andern Seite her und am andern Ende der sozialen Leiter. Diese Zeit hat die bäuerliche Freiheit auf einen sehr hohen Stand gehoben, wesentlich im deutschen Osten, dessen Kolonisation mit freien Bauern geschah, und zwar in engem Zusammenhange mit der damals relativ hoch ausgebildeten Geldwirtschaft. Nach kurzer Zeit indessen erfolgte ein Umschwung: die Grundherrschaft breitete sich aus, insbesondere im Osten der Elbe, und strebte mit Erfolg dahin, den Bauer an die Scholle zu binden; zugleich aber wurden die geld- wirtschaftlichen wieder durch naturalwirtschaftliche Verhältnisse ver- drängt. Die Fesselung des Bauern an seine ökonomische Stellung, seines Seins an sein Haben, geht hier dem Sinken der Geldwirtschaft parallel. Und wenn dies letztere Phänomen auch als Ursache des ersteren angesprochen worden ist, so ist es doch sicher nur die hervor- stechendste des ganzen Komplexes von Ursachen, die damals zur Bil- dung der Grundherrschaften führten. Wenn das Geld an und für sich, als Besitzobjekt betrachtet, gleichsam durch eine Isolierschicht vom Sein des Besitzenden getrennt ist, so stellt es in der historischen Beziehung zwischen Haben und Sein das entschiedenste und entscheidendste, ich
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die Lösung jener besonderen Bestimmtheit aus, die sonst vom Haben
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Geldwirtschaft nur dar als der mächtigste, gleichsam als der bewuſsteste
Faktor und Ausdruck einer auf viel breiterer Basis angelegten Be-
wegung. Und in den germanischen Verhältnissen sehen wir für die
älteste Zeit, daſs der Landbesitz nicht ein unabhängiges Objekt betraf,
sondern die Folge der persönlichen Zugehörigkeit des Einzelnen zu
seiner Markgemeinde war. Das Land war nicht an und für sich ein
derart qualifiziertes Objekt, daſs mit seinem Besitz sich nun das Indi-
viduum seine Bedeutungen und Folgen angeeignet hätte: sondern weil
die Persönlichkeit diese bestimmte Bedeutung hatte, wurde ein be-
stimmter Landbesitz an sie geknüpft. Diese personale Bindung aber
war schon im 10. Jahrhundert verschwunden, und an ihre Stelle war
eine Selbständigkeit des Grundes und Bodens getreten, die man fast
als eine Personifikation desselben bezeichnen könnte. Damit war die
Tendenz eingeleitet, ihn zu zerschlagen und in alle Ruhelosigkeit des
wirtschaftlichen Lebens hineinzuziehen; und als diese Tendenz schlieſs-
lich ihre Grenze an der von seinem Wesen untrennbaren Stabilität
fand, trat das Geld, das der Persönlichkeit fremdeste Wirtschaftsobjekt,
an seine Stelle. Aber es war doch eben nur die geeignetste Substanz
für den restlosen Ausdruck jener Trennung zwischen Sein und Haben,
die sich schon vorher an den Verhältnissen des Bodenbesitzes aus-
zuprägen begonnen hatte. Endlich zeigt das 13. Jahrhundert dieselbe
Erscheinung von der andern Seite her und am andern Ende der sozialen
Leiter. Diese Zeit hat die bäuerliche Freiheit auf einen sehr hohen
Stand gehoben, wesentlich im deutschen Osten, dessen Kolonisation
mit freien Bauern geschah, und zwar in engem Zusammenhange mit
der damals relativ hoch ausgebildeten Geldwirtschaft. Nach kurzer
Zeit indessen erfolgte ein Umschwung: die Grundherrschaft breitete
sich aus, insbesondere im Osten der Elbe, und strebte mit Erfolg dahin,
den Bauer an die Scholle zu binden; zugleich aber wurden die geld-
wirtschaftlichen wieder durch naturalwirtschaftliche Verhältnisse ver-
drängt. Die Fesselung des Bauern an seine ökonomische Stellung,
seines Seins an sein Haben, geht hier dem Sinken der Geldwirtschaft
parallel. Und wenn dies letztere Phänomen auch als Ursache des
ersteren angesprochen worden ist, so ist es doch sicher nur die hervor-
stechendste des ganzen Komplexes von Ursachen, die damals zur Bil-
dung der Grundherrschaften führten. Wenn das Geld an und für sich,
als Besitzobjekt betrachtet, gleichsam durch eine Isolierschicht vom Sein
des Besitzenden getrennt ist, so stellt es in der historischen Beziehung
zwischen Haben und Sein das entschiedenste und entscheidendste, ich
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/347>, abgerufen am 23.11.2024.
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