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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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sie als verselbständigte dann wiederum neue Synthesen bilden, so zeigt
sich schon hier das später Auszuführende, dass die geldmässige Fremd-
heit zwischen dem Besitz und dem Kern der Persönlichkeit doch einer
neuen Bedeutung des einen für das andere Raum giebt.

Denn das Wirken des Künstlers, des Beamten, des Predigers, des
Lehrers, des Forschers misst sich, seinem sachlichen Inhalt nach, zwar
an einem objektiven Ideale und schafft nach der an diesem festgestellten
Höhe die subjektive Befriedigung des Leistenden. Neben dem aber
steht der wirtschaftliche Erfolg jener Thätigkeiten, der bekanntlich
nicht immer eine stetige Funktion des sachlichen oder idealen ist.
Und jener kann sich nicht nur bei den niedrigsten Naturen so in den
Vordergrund drängen, dass er den anderen zu einem Mittel degra-
diert; sondern selbst für feinere und der Sache lebende Menschen
kann in dem Gelingen der Leistung nach der ökonomischen Seite
hin ein Trost, Ersatz, Rettung für die gefühlte Unzulänglichkeit nach
der Seite des Haupterfolges hin liegen; zum mindesten etwas wie
ein Ausruhen und eine momentane Verpflanzung des Interesses, die
der Hauptsache schliesslich gewachsene Kräfte zuführt. Viel schwieriger,
klippenreicher ist das Los dessen, der mit seiner Leistung nicht zu-
gleich Geld verdient, sondern diese ausschliesslich an der Sache und
ihren inneren Anforderungen messen darf. Ihm fehlt jene wohlthätige
Ableitung und Tröstung durch den Gedanken, wenigstens im wirtschaft-
lichen Sinne das Seinige gethan und die Anerkennung dafür empfangen
zu haben; er sieht sich ganz anders als jener vor ein: Alles oder
Nichts -- gestellt und muss über sich selbst nach einem Gesetzbuch
richten, das keine mildernden Umstände kennt. So gleicht sich die
Begünstigung derer aus, die darum beneidet werden, dass sie "nicht
aufs Geld zu sehen brauchen", nur der Sache leben können. Sie müssen
das damit bezahlen, dass über den Wert ihres Thuns jetzt nur ein
einziger Erfolg entscheidet, bei dessen Verfehlen sie nicht den wie
auch geringen Trost haben, dass wenigstens ein greifbarer Nebenerfolg
geglückt ist. Dass dieses grade in der Form des verdienten Geldes auf-
tritt, erleichtert ihm ausserordentlich das Gewinnen solcher Bedeutung.
Es wird darin erstens in der unzweideutigsten Form ausgewiesen,
dass die Leistung, trotz ihres Zurückbleibens hinter dem eignen oder
dem sachlichen Endwerte, doch für andere Menschen etwas wert sein
muss; ferner macht die Struktur des Geldes es so besonders ge-
eignet, als relativ befriedigender Ersatz für einen ausgebliebenen
idealen Haupterfolg zu funktionieren, weil es durch seine Greifbarkeit
und nüchtern quantitative Bestimmtheit einen gewissen Halt und psy-
chische Erlösung gegenüber dem Schwanken und Fliessen qualitativer

sie als verselbständigte dann wiederum neue Synthesen bilden, so zeigt
sich schon hier das später Auszuführende, daſs die geldmäſsige Fremd-
heit zwischen dem Besitz und dem Kern der Persönlichkeit doch einer
neuen Bedeutung des einen für das andere Raum giebt.

Denn das Wirken des Künstlers, des Beamten, des Predigers, des
Lehrers, des Forschers miſst sich, seinem sachlichen Inhalt nach, zwar
an einem objektiven Ideale und schafft nach der an diesem festgestellten
Höhe die subjektive Befriedigung des Leistenden. Neben dem aber
steht der wirtschaftliche Erfolg jener Thätigkeiten, der bekanntlich
nicht immer eine stetige Funktion des sachlichen oder idealen ist.
Und jener kann sich nicht nur bei den niedrigsten Naturen so in den
Vordergrund drängen, daſs er den anderen zu einem Mittel degra-
diert; sondern selbst für feinere und der Sache lebende Menschen
kann in dem Gelingen der Leistung nach der ökonomischen Seite
hin ein Trost, Ersatz, Rettung für die gefühlte Unzulänglichkeit nach
der Seite des Haupterfolges hin liegen; zum mindesten etwas wie
ein Ausruhen und eine momentane Verpflanzung des Interesses, die
der Hauptsache schlieſslich gewachsene Kräfte zuführt. Viel schwieriger,
klippenreicher ist das Los dessen, der mit seiner Leistung nicht zu-
gleich Geld verdient, sondern diese ausschlieſslich an der Sache und
ihren inneren Anforderungen messen darf. Ihm fehlt jene wohlthätige
Ableitung und Tröstung durch den Gedanken, wenigstens im wirtschaft-
lichen Sinne das Seinige gethan und die Anerkennung dafür empfangen
zu haben; er sieht sich ganz anders als jener vor ein: Alles oder
Nichts — gestellt und muſs über sich selbst nach einem Gesetzbuch
richten, das keine mildernden Umstände kennt. So gleicht sich die
Begünstigung derer aus, die darum beneidet werden, daſs sie „nicht
aufs Geld zu sehen brauchen“, nur der Sache leben können. Sie müssen
das damit bezahlen, daſs über den Wert ihres Thuns jetzt nur ein
einziger Erfolg entscheidet, bei dessen Verfehlen sie nicht den wie
auch geringen Trost haben, daſs wenigstens ein greifbarer Nebenerfolg
geglückt ist. Daſs dieses grade in der Form des verdienten Geldes auf-
tritt, erleichtert ihm auſserordentlich das Gewinnen solcher Bedeutung.
Es wird darin erstens in der unzweideutigsten Form ausgewiesen,
daſs die Leistung, trotz ihres Zurückbleibens hinter dem eignen oder
dem sachlichen Endwerte, doch für andere Menschen etwas wert sein
muſs; ferner macht die Struktur des Geldes es so besonders ge-
eignet, als relativ befriedigender Ersatz für einen ausgebliebenen
idealen Haupterfolg zu funktionieren, weil es durch seine Greifbarkeit
und nüchtern quantitative Bestimmtheit einen gewissen Halt und psy-
chische Erlösung gegenüber dem Schwanken und Flieſsen qualitativer

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[313/0337] sie als verselbständigte dann wiederum neue Synthesen bilden, so zeigt sich schon hier das später Auszuführende, daſs die geldmäſsige Fremd- heit zwischen dem Besitz und dem Kern der Persönlichkeit doch einer neuen Bedeutung des einen für das andere Raum giebt. Denn das Wirken des Künstlers, des Beamten, des Predigers, des Lehrers, des Forschers miſst sich, seinem sachlichen Inhalt nach, zwar an einem objektiven Ideale und schafft nach der an diesem festgestellten Höhe die subjektive Befriedigung des Leistenden. Neben dem aber steht der wirtschaftliche Erfolg jener Thätigkeiten, der bekanntlich nicht immer eine stetige Funktion des sachlichen oder idealen ist. Und jener kann sich nicht nur bei den niedrigsten Naturen so in den Vordergrund drängen, daſs er den anderen zu einem Mittel degra- diert; sondern selbst für feinere und der Sache lebende Menschen kann in dem Gelingen der Leistung nach der ökonomischen Seite hin ein Trost, Ersatz, Rettung für die gefühlte Unzulänglichkeit nach der Seite des Haupterfolges hin liegen; zum mindesten etwas wie ein Ausruhen und eine momentane Verpflanzung des Interesses, die der Hauptsache schlieſslich gewachsene Kräfte zuführt. Viel schwieriger, klippenreicher ist das Los dessen, der mit seiner Leistung nicht zu- gleich Geld verdient, sondern diese ausschlieſslich an der Sache und ihren inneren Anforderungen messen darf. Ihm fehlt jene wohlthätige Ableitung und Tröstung durch den Gedanken, wenigstens im wirtschaft- lichen Sinne das Seinige gethan und die Anerkennung dafür empfangen zu haben; er sieht sich ganz anders als jener vor ein: Alles oder Nichts — gestellt und muſs über sich selbst nach einem Gesetzbuch richten, das keine mildernden Umstände kennt. So gleicht sich die Begünstigung derer aus, die darum beneidet werden, daſs sie „nicht aufs Geld zu sehen brauchen“, nur der Sache leben können. Sie müssen das damit bezahlen, daſs über den Wert ihres Thuns jetzt nur ein einziger Erfolg entscheidet, bei dessen Verfehlen sie nicht den wie auch geringen Trost haben, daſs wenigstens ein greifbarer Nebenerfolg geglückt ist. Daſs dieses grade in der Form des verdienten Geldes auf- tritt, erleichtert ihm auſserordentlich das Gewinnen solcher Bedeutung. Es wird darin erstens in der unzweideutigsten Form ausgewiesen, daſs die Leistung, trotz ihres Zurückbleibens hinter dem eignen oder dem sachlichen Endwerte, doch für andere Menschen etwas wert sein muſs; ferner macht die Struktur des Geldes es so besonders ge- eignet, als relativ befriedigender Ersatz für einen ausgebliebenen idealen Haupterfolg zu funktionieren, weil es durch seine Greifbarkeit und nüchtern quantitative Bestimmtheit einen gewissen Halt und psy- chische Erlösung gegenüber dem Schwanken und Flieſsen qualitativer

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/337>, abgerufen am 22.11.2024.